Fabio Borquez ist Künstler der beliebten Ausgabe 10. Jedes Mal, wenn wir ihn treffen oder mit ihm telefonieren gibt es viel zu berichten. Denn Fabio steht im engen Kontakt zu Fotozeitschriften, engagiert sich am Kunstmarkt, unterstützt einen Premium-Foto-Papierhersteller, begrüsst immer wieder Gäste und kaufwillige Kunden in seinem Atelier und ist zugleich in der Kunstszene unterwegs. Wie umtriebig er ist und welche besonderen Entscheidungen er schon in seinem Leben getroffen hat, haben wir in Ausgabe 10 vorgestellt. Doch es gibt noch mehr zu berichten. Herzliche Einladung zu einem weiteren Interview mit einem ganz besonderen Künstler.
SWAN Magazine: 2018 haben wir uns das erste Mal persönlich getroffen. Weisst Du noch wann und wo?
Fabio Borquez: (Lange Stille). Ja, ich glaube, das war auf der Photo Popup Fair in Düsseldorf.
SWAN Magazine: Kannst Du Dich noch daran erinnern, welche Kleidung Du damals trugst?
Fabio Borquez: Ich wechsele meine Kleidung während der Tage eigentlich immer. Du warst aber bestimmt auch zur Eröffnungsfeier im stilwerk. Daran kann ich mich noch erinnern. Da hatte ich eine schwarze Hose an, eine Weste, ein Hemd und einen schwarzen Zylinder. Ich liebe Zylinder!
SWAN Magazine: Du liebst Zylinder? Im Auto?
Fabio Borquez: Nein, Autos sind nicht wichtig. Ich liebe das Kleidungsstück Zylinder. Auch wenn meine Wurzeln aus einer ganz anderen Region stammen, fühle ich mich manchmal wie ein Engländer. Wenn ich zuhause bin, dann nutze ich einfach gemütliche Kleidung. T-Shirt, Sweatshirt, Turnschuhe. Aber wenn ich rausgehe, dann ziehe ich mich um. Zuhause fühle ich mich manchmal wie ein Penner. Aber wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich die ganze Zeit wie Karl Lagerfeld rumlaufen.
Ich liebe auch schwarze Anzüge, Jackets und auch die hohen Kragen, die Lagerfeld gerne einsetze, um seinen Hals länger wirken zu lassen.
SWAN Magazine: Das heisst: Du besitzt einen grossen Schrank mit Anzügen, Frack, Zylinder, blank polierten Schuhen, Hemden, Krawatten und so weiter?
Fabio Borquez: Ja, ungefähr so. Ich erzähle dir dazu eine Geschichte: Ich habe einen Kunden, der kommt immer einmal im Jahr zu mir und lässt sich von mir fotografieren. Jedes Mal bringt er eine neue Idee mit, damit die Bilder schön abwechslungsreich sind. Dieses Jahr kam der Herr zu mir und sagte: „Dieses Jahr würde ich gerne Fotos machen in dem Stil, wie du dich immer kostümierst.“
SWAN Magazine: Und was hast Du geantwortet?
Fabio Borquez: „Wie kostümierst?“, habe ich ihn gefragt. Und er sagte: „Ich habe Bilder von dir auf Instagram gesehen, da bist du verkleidet.“ Und ich antwortete ihm: „Das ist kein Kostüm. Das ist das, was ich gerne trage, wenn ich rausgehe.“ Er erwiderte: „Ja, aber mit dem Zylinder gehst du ja nicht vor die Türe.“ Doch ich musste ihn korrigieren: „Natürlich gehe ich mit dem Zylinder und einem Frack vor die Türe. Und zwar nicht nur dann, wenn ich in die Oper gehe.“
SWAN Magazine: Nun ist ja bekannt, dass Du auch gerne am Grill stehst. Grillst Du auch mit Zylinder?
Fabio Borquez: Ja natürlich. Ich trage eine Schürze und einen Zylinder, wenn ich Steak grille. Ich kann dir Fotos vom letzten Jahr Silvester zeigen. Silvester grille ich immer. Auch bei Schneefall. Und immer mit Zylinder. Ich liebe Anzüge.
SWAN Magazine: Wo kaufst Du als Argentinier Deine Anzüge ein?
Fabio Borquez: Letzten Samstag habe ich mir einen Smoking gekauft. Ich lag in der Badewanne und hatte plötzlich das Gefühl, dass ich einen Smoking kaufen sollte. Ich hatte auch gleich die Marke im Kopf, die ich kaufen wollte. Und genau das habe ich dann zwei Stunden später mit nach Hause genommen.
Viele Menschen sprechen mich ja auch meine Fotos auf Instagram an. Sie finden, dass es besondere Posen sind und finden das witzig. Aber ich sage denen immer: Hey, ich mache nur, was ich will. Ich verstelle mich nicht.
SWAN Magazine: Als ich Dich das erste Mal sah, war mein erster Eindruck „Er selbst ist das Kunstwerk und die Bilder hinter ihm sind nur seine Bühne“…
Fabio Borquez: Nein! Ein Künstler muss auch ein bisschen widersprüchlich sein. Als Künstler denkst du oft über deine Werke nach und fragst dich, ob das, was du da gerade gemacht hast, wirklich einen Wert hat oder ob das langweilig ist. Viele verzweifeln ja auch an dieser Frage. Das geht mir genauso. Manchmal denke ich: „Fabio, das ist alles Mist, was du da gerade machst“. Dann blättere ich wieder und wieder durch meine Bücher und Magazine, die Arbeiten über mich zeigen, und suche darin mein Selbstbewusstsein, um wieder positiv über meine Fotografie zu denken. Dabei betrachte ich meine Bilder viel kritischer. – Schlussendlich ist jedes Bild von mir ein Teil von mir. Also bin auch ich ein Teil meiner Kunst. Ich sage ja auch nicht „ich bin Fotograf“, sondern ich sage „ich bin Künstler“.
Trotzdem trage ich diese Kleidung nicht, um den Menschen irgendetwas zu zeigen. Das ist kein Theaterstück, mit dem ich eine Message transportieren möchte. Das bin einfach ich. Wenn ich so gekleidet zur Ausstellungseröffnung gehe, dann tue ich das nicht, um aufzufallen, sondern weil ich mich in dieser Kleidung wohlfühle und sie gerne trage. Nochmal: Mich interessiert nicht, was die Leute denken. Ich mache nur, was ich will. Und deswegen bin ich auch authentisch.
SWAN Magazine: Was sagt Deine Frau dazu, Fabio?
Fabio Borquez: Oh, die hat schon, als ich fertig aus dem Bad kam, zu mir gesagt: „So kannst du heute nicht gehen.“ Und ich habe geantwortet: „Doch, ich gehe so und nicht anders.“ Dann sagte sie: „Dann musst du alleine gehen. So gehe ich nicht mit dir.“ Und ich habe geantwortet: „Das wäre schade, aber ich gehe so.“ Und dann sind wir doch zusammen gegangen. Aber ich habe nichts verändert.
SWAN Magazine: Ist das Auffallen in der Menge als Künstler wichtig? Und wann setzt Du es ein? Immer, wenn Du das Haus verlässt?
Fabio Borquez: Ich sehe das gar nicht als Auffallen. Da draussen laufen so viele Menschen mit schrillen Farben an den Schuhen, den T-Shirts, ihren Jacken und Taschen herum. Ich trage nur schlichte Kleidung. Oft nicht mehr als schwarz und weiss. – Auffallen tun andere. Nämlich die, die nicht angemessen zu gewissen Anlässen auftreten und meinen Jeans und T-Shirt passt immer. Dem ist nicht so!
SWAN Magazine: Manchmal trägst Du aber auch Turban.
Fabio Borquez: Ja, wenn ich mich danach fühle, dann trage ich auch Turban. – Weisst du, das ist ganz einfach: Es gibt Menschen, die verkleiden sich. Die schlüpfen in Rollen, die sie gar nicht wirklich sind. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass sie irgendwie wie ein Clown wirken. Das ist eine Frage der Persönlichkeit. Wenn ich Turban trage, dann trage ich ihn mit Stolz und aus innerer Überzeugung. Dann will ich damit niemandem etwas beweisen oder auffallen.
SWAN Magazine: Ganz anderes Thema: Wann sollte man als Fotograf über eine Ausstellung nachdenken? Direkt, wenn der erste Film entwickelt ist oder kurz bevor man die dritte Digitalkamera kauft?
Fabio Borquez: Ich denke da ein wenig wie Henri Cartier Bresson. Man sollte 5.000 Fotos gemacht haben, bevor man sich selbst als Künstler betrachtet. Aber ich meine schon „richtige Fotos“. Nicht einmal die Kamera auf Dauerfeuer stellen, die Speicherkarte rauschen lassen und dann denken, man sei ein guter Fotograf. Da gehört mehr dazu. Als Henri das gesagt hat, hat man noch Fotos auf Film gemacht. Wer also 5.000 Fotos machen wollte, der musste nicht nur richtig viel Geld in die Fotografie investieren, sondern auch immer wieder seine Filme in die Entwicklung bringen und daraus lernen.
SWAN Magazine: Spannend. Und das hast Du Deinen Teilnehmern auch auf Deinen Workshops mitgegeben? Oder sprecht Ihr da vor allem über Technik?
Fabio Borquez: Ich habe einfach nie über Technik gesprochen.
SWAN Magazine: Und das ist alles?
Fabio Borquez: Nein, aber ich glaube, es ist wichtig, diesen Satz einfach mal alleine als Antwort stehen zu lassen, damit die Leser des SWAN Magazines darüber nachdenken.
Wenn ich Workshops gegeben habe, dann hatten sie drei Eigenschaften: Sie waren teuer, rar und stets ausgebucht.
Ich bin kein Freund von diesen 150-EUR-Workshops. Das mag für den einen oder anderen Fotografen schon viel Geld sein, aber wer wirklich nachhaltig in seine Ausbildung investieren will, der gibt mehr für einen Workshop aus und der bucht dafür nicht jede Woche einen anderen Workshop.
Meine Workshops waren stets Kleingruppen, damit es auch einen Lerneffekt gibt. Und wir haben viel über Fotografie gesprochen, ich habe viel gezeigt und Fragen beantwortet. Dabei habe ich mich nicht auf technische Aspekte fokussiert, sondern auf die Art, wie man den richtigen Moment und den richtigen Ausdruck eines Menschen findet. Und hier setzen meine Workshops an. Ich spreche mit meinen Teilnehmern über Ideen, Konzepte, Gestaltung und Licht. Wer über Kameratechnik sprechen will, soll doch zu einem Fachhändler gehen.
SWAN Magazine: Und das Problem „Dauerfeuer“ hast Du nicht erlebt?
Fabio Borquez: Doch! An einen Teilnehmer erinnere ich mich gut. Er hatte irgendein Profi-Reportage-Modell eines grossen japanischen Herstellers. Er hat allen Teilnehmern ganz stolz erzählt, dass seine Kamera (das war damals noch selten) rund 20 Fotos pro Sekunde machen kann.
SWAN Magazine: Und was hast Du gemacht?
Fabio Borquez: Sowas kann ich nicht ignorieren. Denn der Teilnehmer hat er sich breitbeinig vor das Model gestellt und Dauerfeuer gegeben und habe ihn gefragt: „Was machst du da?“ Er antwortete: „Eins davon wird garantiert gut.“ Ich habe ihm erklärt, dass er dazu keinen Workshop braucht. Er musste damit aufhören, sonst hätte er gehen müssen.
SWAN Magazine: Eine Frage an Dich als erfahrenen Aussteller: Wie wichtig ist die Location einer Ausstellung?
Fabio Borquez: Total wichtig! Bei einer Ausstellung muss aber dennoch die Kunst faszinieren. Ist die Kunst keine Kunst, hilft auch die beste Location nicht. Aber es ist wichtig, dass der Kunst ein passender Rahmen gegeben wird. Im Kuhstall zeige ich andere Motive, als im Schloss. Das ist wichtig, dass der Künstler das bei der Bildauswahl beachtet, wenn er erfolgreich sein will.
Nehmen wir den Kunstpalast in Düsseldorf als Beispiel. Ein tolles Gebäude! Dort, wo zuletzt die Lindbergh-Ausstellung hing, würde ich gerne meine Fotos ausstellen. Aber ich würde auch in den mit Holz vertäfelten Robert-Schumann-Saal gehen. Nur würde ich dort ganz andere Bilder zeigen. Denn dort ist die Architektur des Raumes viel präsenter, als oben in den Ausstellungsflächen. Das habe ich schon in der Uni gelernt. Man muss alles in seinem Kontext betrachten!
Dazu ein Beispiel: Ich habe als Architekt zusammen mit meinem Bruder einen Pitch eines älteren Ehepaares gewonnen, die gerne ein Haus bauen wollten. Das Haus sollte für sie gut sein und sollte später dann an ihre Kinder vererbt werden können. Wir wussten vom ersten Tag an, dass wir Wettbewerber haben und so haben wir diese Rentner zuhause besucht, um zu sehen, wie sie leben und Teile ihres alten Lebens in das neue Haus zu integrieren.
Als wir den Zuschlag bekommen haben, haben wir interessiert nachgefragt, ob wir auch das Konzept des zweiten Siegers sehen dürften. Diese Baupläne waren eine wirklich gute und durchdachte Lösung für das Paar. Professionell und wirklich in sehr vielen Punkten identisch. Bestimmt nicht schlechter, als unser Konzept. Wirklich nicht!
Mein Bruder und ich haben uns immer gefragt, warum nicht der andere Architekt den Zuschlag bekommen hat. Doch dann haben wir es selbst entdeckt: Der andere Architekt hatte das Schlafzimmer der Senioren in den Keller gelegt. Und alte Menschen wollen nicht schon zu Lebzeiten unter der Erde schlafen. Sie wollten mitten im Haus leben und nicht von Anfang wie “abgestellt” sein. – Das ist doch eigentlich logisch, oder?
SWAN Magazine: Betrachten wir einmal den Marketingmix, den Du rund um Deine Fotografie betreibst. Du machst Pressearbeit, hast eine eigene Website, bist auf Social Media aktiv, bist in einer Partnerschaft mit dem Papierhersteller Tecco aus Bergisch Gladbach, gehst mit Deinen Kunstwerken auf Messen und planst eigene Ausstellungen. Was ist das Wichtigste und worauf könntest Du am ehesten verzichten?
Fabio Borquez: Da gibt es zwei Aspekte. Der erste und wichtigste Aspekt ist: Wenn du langfristig Erfolg haben willst, musst du immer in Bewegung sein und immer irgendwie sichtbar sein. Und das zweite ist die Neugierde. Du musst immer neugierig sein. Du musst immer etwas Neues machen. Du brauchst laufend neue Herausforderungen.
Ich könnte daher auf alles verzichten. Bricht ein Bestandteil weg, fehlt es mir an nichts. Aber ich möchte auf Nichts verzichten. Und was heute wichtig ist, kann morgen bei einem anderen Projekt weniger wichtig sein. Und übermorgen das Allerwichtigste. Das hängt auch vom Thema und einer Projektphase ab. Wenn ich ein neues Buch plane, dann ist sind die Presseartikel darüber in der Konzeptionsphase gar nicht wichtig. Aber das ändert sich dann schnell.
Ich glaube einfach, dass Künstler im Marketingmix nur dann auf etwas verzichten sollten, wenn sie nicht mehr genug Raum für Kreativität haben. So lange sie noch Zeit finden, verschiedene Instrumente nebenbei zu bespielen, sollten sie die Klaviatur für sich nutzen.
Denn Erfolg ist immer eine Zeitpunkt-Betrachtung. Ein Sportler ist erfolgreich, wenn er die Goldmedaille in der Hand hält. Dann kann er sich vermarkten und Geld verdienen. Jahre nach der Goldmedaille strahlt das Gold noch nach, aber dann kann man sich davon nichts mehr kaufen. Es sei denn, der Sportler holt wieder Gold.
Ich vergleich das immer mit Musik. Es gibt diese One-Hit-Wonder, die seit 50 Jahren mit der gleichen Single durch immer kleiner werdende Hallen touren. Das möchte ich nicht machen müssen. Und damit ich das nicht machen muss, muss ich mich immer wieder neu erfinden und neue Wege gehen.
Und trotzdem träume ich nicht. Na klar wäre es toll, in New York und Paris auszustellen und Kunden auf der ganzen Welt zu haben. Das wäre phantastisch. Aber das interessiert mich jetzt nicht. Auch van Goch wurde erst richtig entdeckt, als er lange tot war. Ich glaube einfach, dass es für einen Künstler schwierig ist, zu Lebzeiten zu Weltruhm zu kommen.
Deswegen konzentriere ich mich auf das was ich kann: Für mich sind das meine Foto. Deswegen gehe ich ja auch selbst jeden Tag auf Ausstellungen, wo meine Bilder hängen. Ich zeige mich. Ich rede mit den Menschen, die sich für meine Kunst interessieren. Warum? Wenn ich selbst auf der Ausstellung live dabei bin, verkaufe ich dreimal mehr Bilder, als wenn ich nicht dabei bin. Die Menschen wollen in der Fotografie auch einen Teil von mir mit nach Hause nehmen. Sie kaufen einen Teil von mir. Und dennoch bin ich keine Prostituierte. Warum? Weil ich auch klare Grenzen aufzeige!
SWAN Magazine: Ein weiteres Thema aus dem Bereich “Marketingmix”: Welchen Stellenwert hat E-Mail-Marketing in Deinem Business Case?
Fabio Borquez: Null. Ich bin bei solchen Sachen ein Chaot. Kommunikation funktioniert bei mir am besten über persönliche Kontakte, über Beziehungen und über Publikationen. Ich verkaufe aber auch kein Bild tausendfach. Das ist ein anderes Business.
SWAN Magazine: Gibt es bestimmte Künstler, die Dich inspirieren oder bist Du eher der Typ „ich hatte heute eine geniale Idee unter der Dusche, das mache ich jetzt“?
Fabio Borquez: Ich bin mehr so der Duschen-Typ… aber ich habe auch gute Idee, während ich koche. Kochen ist ja auch ein kreativer Prozess. Aber die Dusche ist noch kreativer.
SWAN Magazine: Als Fotograf deckst Du ein sehr breites Feld ab. Du machst Akt und Fashion, arbeitest gerne mit intensivem Makeup, fotografierst aber auch in den Armenvierteln von Ecuador. Ein klassisches Portrait nach dem Muster „stell dich mal hier an die Wand, ich mache ein Foto“ gibt es bei Dir quasi nicht. Ein bisschen Inszenierung ist stets dabei. Sei es durch einen speziellen Farblook, durch besondere Schminktechniken, einzigartige Accessoires oder ähnliches. Und steht alles das nicht zur Verfügung -so unser Eindruck- dann nutzt Du das Weitwinkelobjektiv und bringst mehr Umgebung ins Bild… richtig?
Fabio Borquez: Ja, richtig. Allerdings ist das Foto, das du Ecuador zugeordnet hast, nicht exakt in Ecuador. Das war zwar in Afrika, aber im Hintergrund ist eine Karte von Ecuador. Das ist also mehr das Thema „Umgebung einbeziehen“.
Du weisst ja, dass ich gerne strategisch denke. Also habe ich, als ich nach Deutschland kam, überlegt, wie ich mich in diesem für mich neuen Markt positionieren kann. Mein Problem war ja: Ich hatte in Deutschland kein Netzwerk. Ich war in der Szene nicht vernetzt. Mich kannte niemand. Und noch deutlicher: Niemand hatte hier auf mich gewartet!
Ich musste mir also überlegen, wie ich mit anderen Fotografen auf ein Niveau komme, die technisch die gleiche Erfahrung hatten. Ich war ja auch kein Mario Testino und konnte allein über meinen Namen Kooperationen mit grossen Modelabels starten.
Wir Fotografen haben ja im Prinzip alle die gleichen Waffen. Mag sein, dass eine Kamera mehr ein Maschinengewehr ist und eine andere mehr wie Pfeil und Bogen. Aber am Ende kommt immer ein Bild raus, wenn man die eigene Waffe halbwegs beherrscht.
Da ich keine Modelabels zur Hand hatte, aber wusste, dass die Fotografie von Frauen mehr Menschen anlockt, als die Fotografie von Männern, habe ich entschieden, mir als Aktfotograf einen Namen zu machen.
Aber: Als dann die ersten Magazine auf mich aufmerksam wurden, wurde ich begrüsst mit den Worten „ah, Fabio Borquez – der Aktfotograf“. Und da habe ich gemerkt, dass mir dieses klare Profil geholfen hat, meine Bekanntheit zu steigern. Aber ich habe auch erkannt, dass ich aus dieser Schublade heraus musste, wenn ich für die Zukunft nicht nur auf die Aktfotografie reduziert werden will. Wenn man tiefer in meine Arbeiten einsteigt, dann erkennt man sehr schnell, dass ich sehr viel breiter aufgestellt bin.
SWAN Magazine: Wenn Du privat durch die Strassen einer Stadt schlenderst. Nimmst Du dann eine Kamera mit?
Fabio Borquez: Nein. Ich hasse es auch, wenn sich Fotografen eigentlich nur mit der Kamera in der Hand fotografieren lassen. Ich respektiere das, aber ich brauche keine Kamera in der Hand, um zu beweisen, dass ich ein Fotograf bin. Aber natürlich ärgere ich mich manchmal auch, dass ich keine Kamera dabei habe, wenn ich durch Zufall eine tolle Szene sehe.
SWAN Magazine: Nun ist es ja ein Unterschied, wenn man die Kamera nur mitnimmt, damit man damit gesehen oder fotografiert wird oder wenn man sie mitnimmt, um auf besondere Situationen vorbereitet zu sein und diese dann auch festhalten zu können.
Fabio Borquez: Ja, ich glaube allerdings auch, dass man dafür bereit sein muss, ein Foto zu machen. Das hat auch was mit Stimmung und Umgebung zu tun. Dort, wo ich täglich rumlaufe sehe ich viel weniger Motive als dort, wo ich das erste Mal zu Besuch bin.
SWAN Magazine: Lieber Fabio. Wir sagen danke für diese neuen Einblicke und freuen uns schon sehr auf unser nächstes Treffen.
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November 1, 2021 @ 9:59 am
[…] ist Künstler der fast ausverkauften Ausgabe 10 und unterscheidet sich in einigen Details von anderen Fotografen. […]