32 cm hoch, 24 cm breit, 16 mm dick und 1.243 Gramm schwer. Bereits seit einigen Wochen liegt bei uns ein besonders imposantes Druckstück von einem unserer Künstler: Rüdiger Spieler. Schon in Ausgabe 06 haben wir Rüdiger und seine Fotokunst vorgestellt. Zwischenzeitlich ist seine Issue 3 da.
Issue 3
Das dritte Druckwerk aus dem Hause Spieler ist 200 Seiten stark und erinnert in der Haptik ein wenig an das SWAN Magazine. Doch der wesentliche Unterschied ist: Rüdiger stellt zwölf unterschiedliche Fotostrecken vor – und die grosse Gemeinsamkeit ist: Der Künstler hinter der Kamera ist stets Rüdiger. Bei aller Ähnlichkeit also ein anderes Konzept. Und dieses andere Konzept wird auch am Text deutlich: Während das SWAN Magazine umfangreiche Interviews mit den Künstlern führt, liefert Rüdiger zu jedem Kapitel einen kleinen Intro-Text zu jedem Kapitel. Und einen kleinen Intro-Text auf dem Ausklapper des vorderen Umschlags.
Vorne berichtet Rüdiger von den Umwegen, die er -überwiegend Corona-bedingt- zwischen Issue 2 und Issue 3 gehen musste, aber das Ergebnis hat davon profitiert. Im Gegensatz zu Rüdigers ersten beiden Werken ist Nummer 3 deutlich dunkler. Der Schwarzanteil in seinen Bildern hat zugenommen und die Geschichten, die RudyGambler in Issue 3 auf Papier zeichnet, haben mehr Tiefe. Zudem: Mit zwei Männern, Joachim und Tolga, fällt die Frauenquote nicht ganz so dominant aus, wie in den Ausgaben 1 und 2.
From Beauty to Diva
Darstellerin der ersten Fotostrecke ist Mia. Was in einer Jugendstil-Villa als reizendes Portrait beginnt, wechselt in ein historisches Theater und geht weiter über eine hölzerne Treppe, auf der Ballettschuhe in die Szene kommen. Zur Diva wird Mia dann auf der Bühne des Lichtspielhauses. Das imposante Bühnenlicht taucht die Hauptdarstellerin in ein ganz anderes Licht. Von lasziv bis hin zum Vamp. Mia verwandelt sich im Licht, in wechselnder Kleidung und vor der Kamera von Rüdiger wechselt sie Rollen und Posen wie ein Profimodel. Kleidung, Kulisse und Stimmung sind offenbar Instrumente, um Menschen zu Höchstleistungen zu bringen.
Full Stack
Die zweite Fotostrecke entführt uns nach Usedom. An den Strand, wo das alljährliche Meetup von Andreas Jorns stattfindet. Joachim und Rüdiger verbindet die IT. Doch es eint sie die Fotografie. Das Meer und das Licht zaubern eine Stimmung der Sehnsucht. Eigentlich ein Thema, das man viel mehr mit weiblichen Darstellern umsetzt. Hier passt der vorsichtige Umgang mit Kontrasten sehr gut zur Stimmung am Set. Und damit stellt diese Fotostrecke einen grossen Kontrast zu den sonst eher tiefen Schwarztönen des Druckwerks dar. Abwechslung pur.
Luisa
Drei fotografische Strecken hat Rüdiger mit Luisa umgesetzt. Drei Strecken, die unterschiedliche Namen tragen und unterschiedliche Themen bedienen. Aber sie hätten auch – wie “From Beauty to Diva” eine Strecke sein können. Sie sind nicht weniger unterschiedlich wie bei der ersten Fotostory, aber eben doch etwas weniger verbunden. Strecke eins beginnt sinnlich. Strecke zwei ist kämpferisch vom Cosplay inspiriert. In Strecke drei verbinden Luisa und Rüdiger die Mode- und Kunststadt Düsseldorf mit einem Streetshooting. Fashion Photography – aufgenommen während der PHOTO POPUP FAIR, auf der Rüdiger einer der Aussteller an der SWAN Wall war.
Young Fashion
Mit Rosa zeigt RudyGambler ein Teenymodel, das souverän in die Kamera schaut, als hätte es schon 20 Jahre vor der Kamera geübt. Ein leicht asiatisch anmutender Gesichtsausdruck entführt uns in die Ferne und es ist wundervoll zu beobachten, wie der Schwarzanteil in den Bildern aus Rüdigers Kamera sukzessive zunimmt. Seine Bildsprache gewinnt an Spannung, weil sie Freiräume lässt. Motive, die das Gehirn des Betrachers herausfordern, darüber nachzudenken, was im Dunklen verborgen sein könnte. Chapeau.
Coastline
Nochmal Usedom, nochmal das Meetup von Andreas Jorns. Was sich erst einmal sehr ähnlich zu der Strecke mit Joachim anhört, entpuppt sich gleich zu Beginn als eine völlig andere Strecke. Mit Jennifer besuchte Rüdiger Strand und Dünen. Die wehenden Haare sind nicht nur dem Wind geschuldet, sondern sie mutieren zu Rüdigers Markenzeichen bei Aussenaufnahmen. Verschiedene Perspektiven lassen die Fotostrecke abwechslungsreich wirken, auch wenn Jennifers Kleidung (im Gegensatz zu anderen Fotostrecken) gar nicht wechselt.
Color me
Wer auf Basis des Titels dieser Fotostrecke denkt, hier würde die erste Fotostrecke in Farbe gezeigt, der wird im ersten Moment vermutlich enttäuscht sein. Denn: Es bleibt bei Schwarzweiss. Konsequent, wie in allen fotografischen Strecken dieser Issue 3. Doch hier geht es um Bodypainting. Die Malerei auf Nele’s Körper wird in dieser Strecke durch starke Muster unterstützt, die mit Hilfe ihrer Haare entstehen. Ein vermutlich neues Genre für Rüdiger, aber spannend umgesetzt. Auch weil es wieder einen hohen Schwarzanteil gibt. Der lässt die Körperbemalung hier und da wie ein Schatten auf der Haut wirken. Und doch ist es genau das nicht.
Paint her Black
Schon in seiner Issue 2 hat Rüdiger eine Strecke mit zwei Modellen umgesetzt. Hier handelt es sich um die Fortsetzung von “Color me”. Ebenso mit Nele, aber zusätzlich mit Nicole, zeichnet Rüdiger eine zweite Bodypainting-Strecke. Nele filigran bemalt, Nicole eher flächig “betoniert”. Die beiden unterschiedlichen Bemalungen führen zu einem schönen Kontrast. Und obwohl beide Modelle kaum Kleidung tragen, wirken sie niemals nackt. Immer wieder in Rüdigers Bildern tauchen seine Lowboards mit den darauf aufgestellten Plattenspielern und Verstärkern auf. Man merkt, wofür Rüdigers Herz neben der Fotografie noch schlägt… daraus macht er kein Geheimnis.
…with Satchmo
Nicole, noch mit einem Rest Farbe aus dem vorangegangenen Shooting geschmückt, greift wieder zu mehr Kleidung – und zur Trompete. Mit Louis Armstrong im Hintergrund, Schallplatten in der Hand und dem immer wieder auftauchenden Plattenspieler steht die Musik im Fokus. Natürlich wissen wir es nicht genau, aber dadurch, dass der Bogen zu einem der grössten Trompeter aller Zeiten gezogen wird, wirkt Nicole hier und da mit der Trompete etwas unbeholfen. Kein Wunder, wenn man vor einer Ikone der Musik mit seinem Instrument posiert.
Aber so schön wie es wäre, der Vergleich gelingt in unseren Augen nicht, auch weil Nicole die Trompete niemals an ihre Lippen ansetzt. Die Brücke zwischen Instrument und Model fehlt in dieser Strecke – schade eigentlich, denn einzeln betrachtet wirken die Fotografien hochwertig und glaubwürdig. Doch in Summe fehlt eben diese Hingabe, die man von Louis Armstrong kennt – und schätzt. Bei der Vielzahl erstklassiger Aufnahmen ist dies kein echtes Manko für die Issue 3 aus dem Hause Craft Werk 4. Sie zeigt nur auf, wo “room for improvement” besteht. Und auch das ist ja nur konstruktive Kritik.
Timber
In ein altes Fabrikgebäude aus dem letzten Jahrhundert, genauer gesagt in ein Sägewerk, entführt uns Rüdiger hier zusammen mit Lea. Was als Fotostrecke in Farbe gedacht war, präsentiert Rüdiger hier in Schwarzweiss. Der industrial Look im Hintergrund erinnert an Peter Lindbergh. Unser persönliches Highlight ist in dieser Strecke versteckt: Lea, nur mit Stiefeln, Spitzenoberteil, Lederjacke und Hut bekleidet, steht seitlich vor einer langen, milchigen Fensterfront. Ein Bild, das das Zeug für einen Kinoplakat hat. Einfach klasse! Motive wie diese trösten uns auch darüber hinweg, wenn eine Fotostrecke am Ende etwas Länge bekommt.
Motorcycle Diaries
Dass Rüdiger ein besonderes Faible für die Fotografie besitzt, beweist schon allein das Erscheinen seiner dritten Ausgabe seines Magazins. Dass Rüdiger zudem Musik liebt, haben wir schon mehrfach dokumentiert. Dass er zusätzlich Motorräder sammelt und restauriert, war Thema im Interview unserer Ausgabe 06. Mit dem an Kernigkeit kaum zu übertreffenden Tolga seine Liebe für Motorräder zu verbinden, liegt einfach auf der Hand. Mit einem ölverschmierten Unterhemd im Schiesser-Feinripp-Look weckt Tolga Assoziationen: Vermutlich sieht Rüdiger genau so aus, wenn er heimlich seine Kamera zur Seite legt, um selbst an den Motorrädern seiner Sammlung Hand anzulegen. Tolga jedenfalls passt wie die Faust auf’s sprichwörtliche Auge. Eine Wohltat, zwischen vielen jungen und gutaussehenden Damen auch einen zweiten Mann entdecken zu können, der kerniger kaum sein könnte. Ein Gegensatz, der fotografische Spannung mitbringt und die Issue 3 deutlich spannender macht. Ein krönender Abschluss.
Für wen ist Issue 3 genau das Richtige?
Die dritte Ausgabe von Rüdiger ist ein imposantes Werk. Haptik und Gewicht, aber auch die schiere Seitenzahl (200!) lassen dieses Druckwerk zu einem Statement werden. Einem Statement für die Peoplefotografie in Schwarzweiss. Rüdiger stellt sich der Herausforderung, ausserhalb der Welt von Profimodellen ein künstlerisch spannendes Gesamtwerk zu erstellen. Weit gereist ist er, um so unterschiedliche Orte in sein Magazin zu bringen. Kreativ hat er verschiedenartige Locations eingebunden. Das ist gut und ein Stilmittel, das für Abwechslung sorgt und Langeweile vermeidet.
Ganz besonders zu empfehlen ist diese Ausgabe für Fotografinnen und Fotografen, die selbst über die Publikation eines Magazins nachdenken und nach Ideen suchen, sich Gutes abschauen wollen, aber auch aus Dingen lernen wollen, die ihnen selbst ins Auge fallen. Künstlerisch sind einige herausragende Motive in Issue 3 enthalten, die allein schon den Kaufpreis von nur 29 EUR rechtfertigen.
Was man Issue 3 nicht ansieht, ist ein praktischer Trick, dessen sich Rüdiger gerne bedient: Er bucht seine Modelle in der Regel nicht für ein einziges Mal, sondern arbeitet immer wieder mit ihnen zusammen. Damit baut er Vertrauen auf und kann sich zusammen mit den Modellen auch in neue fotografische Bereiche hineinwagen. Gerade bei Modellen, die nicht aus der Profiliga entstammen, ist dies ein extrem wichtiges Hilfsmittel, um authentische Fotos entwickeln zu können.
Zugleich sind Magazine wie dieses, die nur in kleiner Auflage produziert werden, schnell eine Rarität. So ist Issue 1 von Rüdiger längst ausverkauft. Von Issue 2 gibt es nur noch einen Restbestand und Issue 3 hat erreicht in Kürze die magische 75%-Marke. Spannend auch: Wer zwei Ausgaben bestellt, der muss keine Versandkosten bezahlen…