Hinweis: Die Ausstellung wurde verlängert! Bis zum 26. Mai 2024 ist sie in Köln zu sehen.
Wenn man den Namen Banksy gegenüber einem nur halbwegs an Kunst interessierten Menschen erwähnt, wird dieser direkt eine kleine Geschichte rund um den Künstler oder eben ein Bild beschreiben können. „A Genius Mind“ ist eine Wanderausstellung rund um die Kunstwerke, die Weltruhm erlangten. Wir waren vor Ort in Köln, weil Banksy mit jedem Motiv eine Geschichte darstellt. Und genau dieses „eine Geschichte erzählen“ streben viele Fotografen an.
The Mystery of Banksy – A Genius Mind
„A Genius Mind“ ist der Untertitel der Ausstellung mit dem Namen „The Mystery of Banksy„. Sie ist aktuell in Köln-Ehrenfeld fussläufig von der Tram-Haltestelle „Melatengürtel“ in einem ehemaligen Autohaus zu sehen und öffnet dienstags bis sonntags ihre Pforten. Da Banksy selbst alles dafür tut, weiterhin ein Phantom zu bleiben, handelt es sich selbstverständlich nicht um eine von ihm autorisierte Ausstellung. Auch zeigt die Ausstellung keine Originale – dafür aber originalgetreue Nachbildungen. Und das reicht völlig aus, um in die Gedankenwelt von Banksy einzutauchen und die Inspiration des Ausnahmekünstlers mitzunehmen.
Über 150 Werke des etwa 50jährigen Street-Art-Künstlers, der aus Bristol (England) stammen soll und die Welt bereist, um seine Kunstwerke zu veröffentlichen, sind hier zu sehen. Komprimiert nebeneinander, bei Wind und Wetter unter einer zeltdachartigen Konstruktion zu bestaunen – und das Angebot wird reichlich genutzt. Selbst unter der Woche gab es Wartezeiten am Eingang (wenn auch geringfügige).
Anreise und Logistik
Übrigens, wer bei einem „ehemaligen Autohaus“ als Ausstellungsort an ein kaltes oder gar unbeheiztes Gebäude denkt, der liegt falsch. In den direkt aufeinanderfolgenden Ausstellungsräumen ist es angenehm warm – fast zu warm, um die Ausstellung mit Jacke zu besuchen (dazu seien die leider recht kleinen Schliessfächer am Eingang empfohlen).
Und wo wir gerade bei Tipps sind: Wer bei einem ehemaligen Autohaus auf ausreichend Parkplätze im Innenhof spekuliert, der wird vermutlich (wie wir) schnell wieder wegfahren und dann recht viel Zeit damit verbringen, einen anderen Parkplatz zu finden. Aufgrund der Nähe der Tram-Haltestelle Melatengürtel (keine 100 Meter entfernt) empfehlen wir tatsächlich die Anreise mit der Bahn.
Wer doch mit dem Auto kommen möchte, dem sei das Navi empfohlen. Gebt einfach den Zielort (Oskar-Jäger-Str. 29 in D-50825 Köln Ehrenfeld) ein und haltet ab ca. 2 km vor dem Ziel nach Parkplätzen Ausschau. Habt ihr einen, empfehlen wir die Weiterfahrt mit einem E-Scooter.
Und ganz wichtig: Fotografieren und Filmen ist erlaubt und bedarf keiner separaten Akkreditierung (nur Pressebesucher müssen sich vorher per E-Mail akkreditieren und ihren Presseausweis mitbringen).
Zurück zur Ausstellung
Die Ausstellung beginnt eigentlich schon vor der Pforte: Sowohl an der Strasse als auch neben der Eingangstür sind die ersten Banksy-Motive zu sehen. Begrüsst wird man im Innenbereich von unserem Titelbild zu diesem Beitrag. Der rote Backstein erinnert uns gleich an die Industriebauten der 60er und 70er Jahre im Südwesten England. Und vermutlich ist diese Assoziation gewollt – denn sie erinnert uns gleich an die Halb-Millionen-Metropole Bristol und den legendären Bristol Sound (Musikrichtung, berühmt geworden Anfang der 1990er).
Dahinter, im Kassenraum, der zugleich Einlassbereich (und wie im Flughafen mit Hilfe eines künstlichen Labyrinths die Besucher portioniert hereinlässt), befinden sich die ersten Kunstwerke Banksy’s. Einige in typischer Bilderrahmengrösse, andere formatfüllend an der Wand. Im Grenzgebiet von Israel und Palästina zum Beispiel befindet sich die oben gezeigte Friedenstaube. Sie trägt einen Olivenzweig im Schnabel – und das in Betlehem. Dem Geburtsort des Christentums. Doch es ist eben nicht nur eine Friedenstaube in einer Region, in der kein Frieden herrscht. Banksy hat das an sich schon mahnende Motiv weiter angereichert. Uns ist in der Ausstellung das rote Fadenkreuz ins Auge gesprungen, das mitten auf den Körper der Taube zielt. Doch dem ist nicht genug: Banksy hat der Taube zusätzlich eine schusssichere Weste angezogen. Was ist die Botschaft Banksy’s? Wir beschiessen diejenigen, die Frieden bringen und weil wir wissen, dass sie keine Überlebenschance haben, spendieren wir ihnen passive Schutzvorrichtungen?
Keine Politik bitte
Als unabhängiges Kunstmagazin haben wir uns bewusst dazu entschieden, keine politischen oder religiösen Statements abzugeben, da wir an die eine Menschheit und ihre Intelligenz glauben. Deswegen liegt es uns fern, hier einen Bezug zur Russland-Ukraine-Krise zu ziehen. Aber was wir tun, ist folgendes: Wir erkennen schon in diesem ersten übergrossen Motiv der Banksy-Ausstellung in Köln, dass man durchaus mit einem einzigen Bild eine Geschichte zum Leben erwecken kann. Und mitunter ist dies nicht eine einzige Geschichte, sondern sogar mehrere… je nachdem, wer das Motiv aus welcher Perspektive auch immer betrachtet…
Mit Bildern eine Geschichte erzählen
„A Genius Mind“ lädt uns an eigentlich jedem Motiv dazu ein, nicht nur flach und zweidimensional das Motiv zu erfassen, sondern unseren Denkapparat einzuschalten und dem „Wandschmuck“ eine „dritte Dimension“ – die Realität – zu spendieren. So ist ach das Motiv über diesem Absatz eigentlich schnell erfasst: „Krieg zerstört Familien“ könnte man betiteln. Doch dann beginnt der Denkapparat: Oft sind es die Väter, die in den Krieg ziehen und nicht zurückkommen. Es sind die Kinder, denen dann die eine stützende Hand fehlt und die Frauen, die (als Folge der Kettenreaktion) das Gleichgewicht verlieren, die Kinder nicht mehr stützen können…
Übertragen auf das Hauptthema des SWAN Magazines (die Fotografie) ist diese Ausstellung ein echter Augenöffner: An jedem einzelnen Motiv Banksy’s wird klar: Wer Geschichten mit einem Motiv erzählen möchte, der kann nicht einfach ein hübsches Model vor die Kamera stellen und erwarten, dass dieses Foto eine Geschichte erzählt. Wer Geschichten erzählen möchte, der muss vor dem Shooting planen, Ideen entwickeln, Verrücktheiten durchdenken, realisieren und vermutlich auch wieder verwerfen. Und wer Geschichten erzählen möchte, der muss auch bereit sein, zu provozieren, Gegensätze zusammenzufügen und so zum Nachdenken anzuregen. Und das macht Banksy perfekt.
Kunst: Die Bereitschaft Grenzen in Frage zu stellen
Viele Kunstformen erschliessen sich nicht allen Menschen. Man könnte die These vertreten, dass Menschen, die bestimmte Kunstformen nicht verstehen, einfach nicht offen genug sind, gewisse Grenzen zu überspringen. Banksy tut das! Er zeigt ein Motiv, das in seiner farblichen Brillanz und durch den mächtigen Grünanteil im Bild eher an den Maler Claude Monet erinnert. Doch durch die blühende Landschaft (die Monet mit einer idyllischen Brücke malte) fliegt bei Banksy ein Kampfhubschrauber im Tiefflug. Grösser könnten Gegensätze nicht sein. Vor Kraft nur so strotzende Natur und Kriegsgeräte mit tausenden Pferdestärken. Sanftes Grün und stählerne Maschinenkraft. In Farbe explodierende Knospen in der Fauna und Marschflugkörper, die die Absicht haben, Blut zu vergiessen. Passt doch zusammen, oder?
Nicht nur Krieg
Doch in „The Mystery of Banksy“ geht es nicht nur um das Thema Krieg. In der Dichte der über 150 Motive dieser Ausstellung wird ein zweites Thema sehr deutlich: Die Polizei – als Symbol staatlicher Macht. Die „Kissing Policemen“ sind ein international bekanntes Motiv. Hier wird der nicht minder bekannte Polizist mit Engelsflügeln, Maschinengewehr und Smiley-Gesicht ausgestellt. Die Engel als harmlose, schuldfreie Wesen, das Maschinengewehr und die Uniform zur Machtdemonstration und der Smiley… eine spannende „Personalunion“, auf die man in einem kreativen Prozess erst einmal kommen muss.
Ein drittes Thema ist der Kommerz und die Konsumgesellschaft. Hier v.a. über Disneyland zur Diskussion gestellt aber auch mit dem idyllischen Kreuzfahrtschiff vor dem mondänen Venedig visualisiert.
Für wen lohnt sich der Besuch?
Klar, für alle Banksy-Fans ist der Besuch quasi Pflichtprogramm. Aber auch für diejenigen Menschen, die spannende Impulse für die Sicht auf die Menschheit suchen, lohnt sich der Besuch sehr. Doch vor allem für Fotografen, die das Ziel verfolgen, mit ihren Bildern Geschichten zu erzählen, empfehlen wir diesen „Museumsbesuch“ ganz besonders – denn er hat so etwas wie einen Workshop-Charakter, der dazu einlädt, nach Hause zu fahren, selbst Ideen zu entwickeln und danach Bilder sprechen zu lassen.
Wie erfährt man etwas über die einzelnen Kunstwerke?
Gleich zu Beginn des Rundgangs erhalten alle Gäste die Möglichkeit, einen QR-Code abzufotografieren. Dahinter verbirgt sich eine Website, die zu jedem Motiv Hintergrundinformationen gibt. Alternativ gibt es auch neben jedem Bild die Möglichkeit auf einem kleinen Schild mehr Informationen zum Motiv zu erhalten. Eine ganz andere Strategie könnte es aber auch sein, die Ausstellung ganz ohne Text und Guide zu besuchen und jedes einzelne Motiv auf sich wirken zu lassen. Vielleicht ist es sogar spannend, den ersten Durchgang ganz ohne Lesen zu absolvieren und dann in einem zweiten Durchgang (dazu sollte man sich aber rückwärts durch die Ausstellung bewegen, damit man nicht ein zweites Mal anstehen muss und womöglich ein zweites Mal bezahlen muss) alle gegebenen Informationen aufzusaugen und mit den eigenen Gedanken abzugleichen.
Der Blick in die Gesichter nach der Ausstellung
Spannend war es für uns vor den Toren der Ausstellung in die Gesichter der anderen Besucher zu schauen. Einige Besucher waren allein gekommen, andere als Päarchen, wieder andere als kleine Gruppen. Die Besucher waren zu unserem Besuchszeitpunkt überwiegend über 30 Jahre alt und es gab in der Mittagspause einen leichten Rentner-Überhang. Doch ungeachtet von Alter und Geschlecht, konnten wir beim Rausgehen überwiegend Menschen beobachten, die nachdenkend auf den Boden schauten. Oder wir konnten Päarchen beobachten, die sachlich und angeregt diskutierten. Aber lachende und fröhliche Gesichter waren eher nicht zu beobachten. Klar, die gab es auch. Aber wir haben sie nur gesehen, wenn Menschen am Ende der Ausstellung erfolgreich ein Souvenir erstehen konnten und sich daran erfreuten.
Wie kommt es dazu? Unsere These: Die Menschheit ist so intelligent, wie kein anderes Lebewesen. Sie wartet nicht, bis sie gefressen wird, sondern sie zerstört sich einfach selbst. Langsam, aber zielgerichtet. Und genau das zeigt die Ausstellung „A Genius Mind“ in jedem Motiv mit einem freundlichen Augenzwinkern. Was wir nun daraus machen, bleibt jedem von uns selbst überlassen. Der kreative Input jedenfalls, den Künstler egal welchen Genres hier mitnehmen, ist jedenfalls beeindruckend.
Und das Beste ist: A Genius Mind ist eine Wanderausstellung
Aktuell in Köln und Oslo, schon ab 15. März 2024 in Breslau und kurz darauf auch in Posen ist oder wird die Aussstellung zu sehen sein. Damit lohnt sich die Anreise sicherlich noch nicht für jedermann, aber für den einen oder anderen Leser wird die Anreise durch diese Auswahl mehr als angenehm.
Unser Tipp: Besuche die Aussstellung wochentags und zwar mit einem gleichartig denkenden Fotografenfreund. Dann wird aus dem Besuch der Ausstellung sehr schnell ein eigenes, fotografisches Projekt…