Ohne Vorankündigung war es am Dienstag plötzlich soweit: Im Briefkasten steckte ein Paket… da der Name Boris Bethge im Umfeld von Fine Art Fotomagazinen und handverlesener Workshops mittlerweile ein durchaus geläufiger Name ist, hatten wir natürlich direkt eine Vorahnung. Wie bei jedem Magazin oder Bildband ist das „Unboxing“ natürlich etwas ganz Besonderes. Boris kann aufgrund Format und Gewicht seiner Magazine den Maxibrief als Versandweg nutzen. Gut geschützt in einem praktischen Versandkarton steckte die Sendung in unserem großen Briefkastenschlitz. Fein säuberlich verklebt und völlig frei von etwaigen Versandschäden erreichte uns die No. 04 von Boris‘ Magazin.

Mein Statement für das gedruckte Bild
Eingepackt in einem hochwertigen Schutzpapier, welches mit einem schicken Aufkleber mit Boris‘ Name und dem Aufdruck „mein Statement für das gedruckte Bild“ schon vor dem Öffnen klarmacht, um was es hier geht. Doch vorher müssen wir lesen: Unserem Paket ist ein Brief auf feinem Papier, farbig bedruckt mit Boris Namen und seinen Kontaktdaten beigefügt. Handschriftlich unterzeichnet mit Füller versteht sich – Fine Art auf der ganzen Linie.

Fifty Shades of Boris‘ Light
Dieses Konzept wird auf dem Deckblatt der Sonderausgabe „Fifty Shades of Boris‘ Light“ besonders erlebbar: Dicker Umschlagkarton aus hochwertigem Papier ist hier gepaart mit einer Prägung. Dezent und doch sofort präsent versteckt sich Boris vollständiger Name im weissen Streifen links auf dem Magazin. Ganz genau so, wie auch schon in der No. 1, die uns hier in der Redaktion ebenfalls vorliegt.
Hinter einen kleinen Umschlagfalz an der U1 versteckt der Fotograf aus Ritterhude (ca. 15 km nördlich von Bremen) geschickt das Impressum. Und auf der Umschlagfalz selbst, steht zugleich der längste Text. Mit wenigen Worten gelingt es ihm, Neugierde auf das gesamte Werk zu wecken. „Fifty Shades of Boris‘ Light“ zeigt 50 Fotokunstwerke. Überwiegend in schwarzweiss, aber zwischendurch auch einzelne in Farbe.

Rund um die Hauptmotive wird Einfallsreichtum inszeniert
Boris spielt mit Licht und Schatten, er nutzt vorhandene Wände als Reflektoren und Lamellen an den Fenstern als Führungslinien. Immer wieder fallen dem aufmerksamen Betrachter Reflektionen, Stühle und gezielt positionierte Accessoires ins Auge. Liebevoll arrangierte Fotokunst rund um sehr unterschiedliche Models ist hier zu betrachten und läd gerade den ambitionierten Fotografen ein, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Boris dieses oder jenes Bild denn nun gemacht hat. Positiv: Er nennt ISO, Belichtungszeit und Blende nicht und zwingt den Betrachter so, sich selbst mit dem Bild zu beschäftigen und nach Lösungen auf diese Fragen zu suchen.
Doch neben der Exzellenz in seinen Fotos und der gefühlvollen Inszenierung feiner Portraits, fast fashionlastigen Aufnahmen und seinen Fine Art Nudes entdeckt man ein Detail nur dann, wenn man den Text auf der Umschlagfalz aufmerksam gelesen hat: Alle 50 Motive wurden mit ein und derselben Kamera gemacht. Alle Motive wurden mit dem gleichen Objektiv umgesetzt. Alle Fotokunstwerke wurden nur mit dem vorhandenen natürlichen Licht umgesetzt. Doch was man wirklich im ganzen Magazin höchstens anhand der immer auftauchenden Stühle vermuten kann, ist folgendes: Alle Aufnahmen sind in ein und demselben Raum entstanden. Seiner privaten Bibliothek, die lediglich 18 Quadratmeter Fläche besitzt.
Zeit für Selbstreflektion beim Betrachter
Vermutlich müssen viele Fotografen, wenn sie No. 04 gelesen haben, erst einmal an sich selbst arbeiten: Wer war das nochmal, der behauptete, man könnte zuhause keine abwechslungsreichen Fotos machen? Wer war das nochmal, der am liebsten jede Woche ein anderes Fotostudio anmietet, um ständig wechselnde Kulissen verwenden zu können?
Boris Bethge hat bewiesen, dass es möglich ist, selbst die eigene Frau (die den Raum in und auswendig kennt) dazu zu bringen, den Künstler zu befragen, wo um Himmels Willen denn dieses Foto entstanden ist…

Chapeau
Projekte, wie diese, bei denen sich der Künstler ein Konzept überlegt und über Monate hinweg daran festhält, um dann daraus eine Sonderausgabe seines persönlichen Magazins zu machen, verdienen Aufmerksamkeit – und ganz nebenbei: Solche Projekte sind auch Themen, mit denen es sich lohnt, eine Bewerbung ans SWAN Magazine zu senden.
So ist „Fifty Shades of Boris‘ Light“ mehr als nur die vierte Ausgabe seines streng limitierten Fine Art Magazines oder „irgendeine Sonderausgabe“, sondern der gedruckte Beweis dafür, dass private Fotoprojekte nicht nur den Künstler selbst bereichern, sondern Respekt und Aufmerksamkeit verdient haben. Boris beweist auch mit dieser Ausgabe wieder, dass er Fine Art macht, denkt und inszeniert. Und das meisterhaft. Eine große Inspirationsquelle für Peoplefotografen!

Eckdaten
Mit 66 Seiten, 488 Gramm Gewicht, einer Höhe von 32 cm und einer Breite von 24 cm ist es nur 2 cm weniger hoch, als das SWAN Magazine. Dank hochwertigem Digitaldruck und optisch wie haptisch einer sehr angenehmen Papierqualität wird auch diese Sonderausgabe dem Anspruch an ein Fine Art Magazine mehr als gerecht. Sehr schön: Wie das SWAN Magazine auch ist Boris Magazin konsequent werbefrei. Es gibt also keine „Störseiten“, die dem Betrachter in wenigen Monaten zeigen, dass dieses Magazin „alt“ ist, sondern es bleibt mit dieser zentralen Entscheidung vor allem eins – zeitlos! Mehr noch: Auch diese Ausgabe macht neugierig darauf, welches Projekt Boris in der No. 05 angehen und umsetzen will. Denn eins ist klar: Wer seine Magazine mit 01, 02, 03 und 04 durchnummeriert, der will vermutlich nicht mit der Nummer 09 aufhören…
Einziger Wehmutstropfen
Natürlich gehört es zu unserer redaktionellen Arbeit, Druckstücke wie dieses auch kritisch zu betrachten und nicht nur zu loben. Boris macht es jedoch schwer, echte Kritikpunkte zu finden, da er Fine Art konsequent von der Fotografie über das Druckwerk bis hin zur Verpackung und dem Begleitbrief lebt. Jedoch: Wer sich selbst ein Projekt mit so eng gesetzten Rahmendaten aussucht, der hat ganz bestimmt etwas mehr zu erzählen. Der kann (neben den exzellenten Fotos) sicherlich auch etwas über die größten Herausforderungen berichten und vor allem darüber, wie seine Projektidee entstanden ist. Aber wer weiss… wenn wir hier schon ungefragt und ohne davon selbst zu profitieren, ein fremdes Magazin vorstellen, mag Boris ja vielleicht die Kommentarfunktion nutzen, um unseren Lesern und Abonnenten zu diesen beiden Fragen ein wenig Hintergrundinformationen zu geben. Mal sehen, wie er reagiert, wenn er diesen Blogbeitrag zum ersten Male sieht…
Danke Dir Boris für Dein Vertrauen! Wir freuen uns auf ein erstes persönliches Kennenlernen, sobald Corona dies wieder zulässt! Bleib gesund – und vor allem eins: Kreativ! – Und zu guter Letzt: Vergiss nicht, in Magazinen und Begleitbriefen Dein Logo einzubauen… 😉
Mai 22, 2020 @ 11:18 am
Liebes SWAN-Team, ich habe mich sehr über die Rezession auf SWAN gefreut. Ganz lieben Dank für diese sowohl ausführliche aus auch sehr differenzierte Sicht auf mein aktuelles Werk! Ihr habt sehr genau hingeschaut, das ehrt mich! Gerne schreibe ich hier noch einige ergänzende Zeilen zu meinem Projekt.
Wie ist die Projektidee entstanden?
Ich versuche ja mich mit meinem FineArt-Magazin ein wenig gegen die heutige Schnelllebigkeit von Bildern in den Social Media zu stemmen. Diesen Lavastrom für kurze Zeit einzufrieren. Das hatte mich auch dazu bewogen einmal Inne zu halten, mich auf die Seitenlinie zu stellen und auf das, was ich all die Jahre so gemacht habe zurück zu schauen. Konstante dabei waren dieser Raum und mein Minimalismus in Bezug zur Technik. Das war für mich die Initialzündung für dieses Projekt, das mich dann 10 Monate lang begleitet hat. Für mich war aber auch klar, dass ich mich nicht nur mit meiner Vergangenheit auseinander setzten wollte, sondern an diesem Projekt auch in die Zukunft wachsen wollte. So beinhaltet die Bildauswahl sowohl ältere Arbeiten als auch Bilder, die während dieses Projektes neu entstanden sind.
Was war die größte Herausforderung?
Eine Herausforderung war sicherlich die Bildauswahl. Aus unzähligen bereits vorhandenen Bildern, Cluster zu bilden und die Favorites, der sich stark unterscheidenden, herauszufiltern. Aber auch, dass zu einer besonderen Idee, mal vorsichtig ausgedrückt, keine so tollen Bilder entstanden sind und ich mir da den Spiegel vorhalten musste. Mit dem Fokus auf die Fragestellung: „Wie würde ich es heute umsetzen?“ Aber genau das ist es, glaube ich, was dieses Projekt ausmacht. Ich habe die Chance genutzt, dies mit einer neuen Sicht noch einmal in einem Shoot umzusetzen. Vorausgesetzt, es war eine Bildidee auf die ich wirklich Bock hatte.
Ich habe in der Zeit wieder einmal unfassbar viel über mich selbst erfahren, bin mir aber nicht sicher, ob ich dies alles wissen wollte. Ein Gedanke, bei dem ich grade schmunzeln musste. Vielleicht ist dieses Projekt ja eine Inspiration für andere Kollegen.
Numéro zehn • Boris Bethge hat nachgelegt • Fine Art Fotomagazin
Juli 22, 2022 @ 2:04 pm
[…] Das Magazin heisst, wie er selbst: Boris Bethge. Und es trägt einen Untertitel – wie die vorherigen Ausgaben auch. Dieses Mal lautet der Untertitel “Shades of Light“. Und wir begeben uns nun auf […]