In den letzten Monaten tauchen immer mehr kleinformatige Coffee Table Books unter den Fotopublikationen auf. Und wir schätzen die geringe Grösse dieser Publikationen wirklich sehr. Zum einen passen sie gut ins Bücherregal (z.B. neben das eine oder andere Taschenbuch). Zum anderen ist das Format aber vor allem praktisch für Urlaub und Reise, aber auch für die Couch. Oft zeigen Coffee Table Books „Selected Works“, also ausgewählte Arbeiten eines Künstlers. Man könnte auch sagen „Best-of“. Doch nicht immer sind es wirklich Best-ofs, wie unser Künstler aus Ausgabe 06, Hans-Peter Oertelt mit seinen beiden Coffee Table Books beweist.
Ganz anders nutzt Vincent Peters dieses Format. Sein mit dem Titel „Selected Works“ bezeichnetes Coffee Table Book verzichtet genretypisch -bis auf ein kurzes Zitat zu Beginn- vollständig auf Text und zeigt ausschliesslich seine freien Arbeiten. Letzteres lohnt es sich genauer zu betrachten. Denn Vincent Peters ist eigentlich bekannt geworden für seine Modefotos. Grosse Magazine, wie GQ, Vogue und Glamour zierten seine Werke. Mit am Set: Modemarken, wie Dior, Prada, Gucci, Miu Miu, Louis Vuitton, adidas und viele andere. Doch die Zeit der grossen Marken ist für Vincent vorüber, wie er uns im Interview verriet. Er fokussiert sich nun auf das, was er am liebsten tut: Portraits.
Fotokunst im Buchformat
Vor „Selected Works“ hat Vincent Peters zwei klassische Bildbände auf den Markt gebracht: „The light between us“ und „Personal“. Bei beiden handelt es sich um die grossformatigen Bildbände, die ein jeder von Marc Lagrange, Russel James oder Peter Lindbergh kennt. Doch gerade die beiden Grossformater tragen unverkennbar seine Handschrift: Vincent nutzt in „The light between us“ und in „Personal“ den Raum des grossen Formats und zeigt nicht nur Portraits (i.S.v. Aufnahmen des Gesichts), sondern vor allem Ganzkörperaufnahmen, die er bewusst in verschiedenen Locations in Szene setzt.
Grosse Studios, hallenartige Lofts, Hinterhöfe, leere Bars, eine alte U-Bahn, ein Feld, eine Bühne… Vincent nimmt die Betrachter seiner Bilder mit auf eine Reise. Und zwischendurch immer wieder eng geschnittene Portraits. Dabei spielt er mit Reflektionen und Spiegeln und nutzt Autos und Leuchtreklame als seine Kulisse.
Selected Works zeigt Highlights und neue Kunstwerke
In „Selected Works“ liefert er eine Art „Best of“. Selected Works beinhaltet Kunstwerke aus beiden zuvor erschienenen Bildbänden, zeigt aber auch neue Werke. So ist Selected Works vor allem eins: Das Taschenbuch zu seiner Ausstellungsserie, die 2019 bei Fotografiska (einem übrigens einmaligen Galeriekonzept, mit dem es sich lohnt, einmal näher zu beschäftigen und 2022 nach Berlin kommt) im schwedischen Stockholm begann. Die Ausstellung wanderte zum zweiten Fotografiska-Standort in Tallin (Estland) kam danach auch nach Deutschland, die Schweiz und Italien, hatte dort aber leider unter Corona-bedingten Einschränkungen zu leiden.
Viele deutsche Fotofans haben noch heute die 2017er Ausstellung in der Leica Galerie Frankfurt in Erinnerung. In monumentaler Grösse (Bilder von der Fussleiste bis zur Decke) zierten dort seine ausschliesslich in schwarzweiss gehaltenen Kunstwerke die dunklen Wände. Eine magische Stimmung machte sich 2017 breit, als wir die Leica Galerie aus diesem Anlass besuchten.
Unser Hero in Ausgabe 09
Bei der Gründung des SWAN Magazines war sein Name deswegen schnell auf der geheimen „Wishlist“ gesetzt. Und wir sind sehr dankbar, dass es uns in dem schwierigen Jahr 2020 gelungen ist, Vincent einige Male ans Telefon zu bekommen und ein ganz wunderbares Interview mit ihm führen zu können. Denn was keiner seiner drei Bildbände verrät, ist das, was das SWAN Interview in Ausgabe o9 so einzigartig macht: Der steinige Weg zum Erfolg, den Vincent nur mit List und Tücke erklimmen konnte. Wie wichtig Beharrlichkeit im Fotobusiness ist, erklärt er nicht anhand blanker Theorie, sondern an seiner Person selbst.
Grosse Portraits, die er in „Selected Works“ darbietet, zeigen Laetitia Casta, Michael Fassbender, Monica Bellucci, Moa Aberg & Axel Hermann, Scarlett Johannson und viele mehr. Mit dabei auch Cindy Crawford, die Vincent schon im zarten Alter von 15 Jahren angehimmelt hat (Details dazu in Ausgabe 09).
Was Vincent so besonders macht, ist seine Arbeit mit den Schatten. Er liebt das natürliche Licht und hat das Titelbild zu seinem Buch „Personal“ morgens um 6 Uhr geschossen. Er beweist damit einmal mehr, dass man eben nicht alles Licht „mal eben“ mit Studioblitzen nachstellen kann. Und überhaupt: Technik und vor allem die Digitalisierung sind ihm ein Dorn im Auge. Kein Wunder, dass er seit 35 Jahren mit der gleichen Kamera arbeitet und privat am liebsten ganz ohne Kamera verreist.
Selected Works liefert die Bildergalerie, Ausgabe 09 die Story dazu
Selected Works ist eine herrlich inspirierende Werkschau des Künstlers, die in keinem Bücherregal fehlen sollte. Seine Portraits sind so einprägsam und besonders, dass selbst Nicht-Fotofans Gefallen daran finden. Selected Works ist für Fotografen darüber hinaus der Appell, sich mehr Gedanken über die Locationauswahl zu machen und viel aktiver mit dem Licht zu spielen.
Aber Selected Works liefert keine Story zum Bild. Selected Works hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Doch erst zusammen mit der Ausgabe 09 (die einzelne Kunstwerke aus Selected Works in deutlich grösserem Format zeigt) bekommt der Betrachter seiner Kunstwerke ein richtiges Gefühl dafür, wie der Mensch hinter der Kamera denkt und warum er schon attraktive Jobs abgelehnt hat, wenn diese einfach nicht zu seinen Vorstellungen passen. Denn eins hat Vincent: So umgänglich und angenehm bodenständig er ist, so prinzipientreu ist er sich selbst. Seine Kunstwerke gibt es z.B. nur in drei fest definierten Formaten. Sonderwünsche ausgeschlossen.