Wie viele unserer Leser wissen, schauen wir uns immer wieder gerne andere Publikationen zum Thema Fotografie an. Und dann berichten wir auch an dieser Stelle darüber. Erstmals berichten wir heute über ein Fachbuch, das sehr herstellerspezifisch ist: Fujifilm X-Photographers. Das Buch aus dem Franzis Verlag dokumentiert die Arbeit mehrerer Fujifilm X-Photographer (das sind quasi die Markenbotschafter von Fujifilm). Es geht also um das Fotografieren mit dem Fujifilm X-System.
Um Missverständnisse gleich von vorne auszuräumen: Wir wurden um diesen Fachbeitrag nicht gebeten. Und wir haben das Buch auch nicht geschenkt bekommen, sondern es regulär im Buchhandel gekauft. Auch wenn einer der drei Gründer des SWAN Magazines nebenher auch mit dem X-System fotografiert, stellt diese Buch-Rezension keine Kaufempfehlung für Fujifilm-Kameras oder Fujinon-Objektive dar. Dennoch glauben wir, dass dieses Buch nicht nur für Nutzer des X-Systems von Interesse sein kann. Und genau darum berichten wir hier darüber.
Die Eckdaten
Mit 320 Seiten, einem Format von 25 cm Höhe, 31 cm Breite und fast 3 cm Dicke wundert es nicht, dass das Fachbuch auf 1.958 Gramm Gewicht kommt. Rückseitig ist ein regulärer Preis von 49,95 EUR angegeben. Wir haben es jedoch aktuell für 14,99 EUR ganz ohne Gutschein oder andere Specials als gebundenes Buch mit Fadenbindung gekauft und nagelneu erhalten. Vielleicht liegt die Preisreduktion darin begründet (das wissen wir aber nicht!), dass das Buch von März 2018 stammt und aufgrund des Inhalts (dazu später mehr) nicht mehr an allen Stellen ganz aktuell ist. Noch gibt es das Buch aber zum Sonderpreis. Und der ist durchaus attraktiv.
Der Aufbau
Nach einem kurzen Prolog von Christian Ahrens werden insgesamt sechs Fotografen, ihre Arbeitsweise und ihre Bilder vorgestellt. Ihnen allen gemeinsam ist die Arbeit mit Kameras und Objektiven von Fujifilm. Hier zeigt sich auch bereits die erste Besonderheit des Buches: An verschiedenen Stellen des Buches sind Produktfotos oder Detailaufnahmen von Kameras/Objektiven aus der X-Serie abgebildet. Sie dienen regelmäßig als Trennseiten zwischen den einzelnen Fotografen und gehen über klassische Werbung deutlich hinaus, weil sie z.B. (wie eine Bedienungsanleitung) die Knöpfe und Funktionstasten eines bestimmten Kameramodells erklären. Doch dieser technische Part steht kaum in einem inhaltlichen Verhältnis zu dem, was über die sechs Fotografen berichtet wird. Gehen wir also bei den Fotografen weiter ins Detail.
Martin Hülle
Der Opener des Buches entführt den Leser gleich mit dem ersten Bild nach Spitzbergen. Minus 25 Grad und eine X-T1 in den technischen Angaben machen gleich zu Beginn klar: Das X-System ist durchaus etwas für die Extreme. Bei Martin ist die Landschaft das Hauptmotiv. Menschen tauchen (wenn überhaupt) nur am Rand auf, um die Größe und Weite seiner Aufnahmen zu unterstreichen. Die Menschen dienen also nur als “Maßstab”. Um die Naturgewalt besser erfassen zu können.
Martin greift gleich tief in die Schatzkiste. Er zeigt schrille Farben, harte Kontraste, aber auch karge Landschaften und zudem einige Motive in schwarz-weiss. Jedes Bild informiert in wenigen Worten über den Aufnahmeort und die verwendete Technik. Generell sind seine Bilder jedoch von Einsamkeit und Melancholie geprägt. Der hohe Norden (mit all seiner Nässe und dem Wind) sind Martin’s Leidenschaft. Martin beschreibt seine Arbeit, wenn er alleine auf Reisen ist, geht aber auch darauf ein, welche Kompromisse eine Reise mit der Familie mitunter erfordert, wenn er gleichzeitig an einem Fotoprojekt arbeitet. “Mein Norden” ist sein großes Fotoprojekt (und als Buch leider ausverkauft) und auf dieses Projekt kommt er immer wieder im Rahmen des Interviews.
Martin denkt und handelt in Projekten. Sein nächstes Projekt skizziert er kurz an und schafft damit unter den Käufern seines Buches sicherlich Neugierde auf das nächste Buch. Die Messlatte hat er bei seinem neuen Projekt höher gelegt. Ambitionen motivieren schließlich.
Am Ende des Interviews geht Martin auf seinen “Liebling” ein: Die Fujifilm X-Pro 2. Und auch die verwendeten Objektive und seinen Workflow beschreibt er auf wenigen Seiten.
David Klammer
Fotograf Nummer zwei, David, liefert (wie zu erwarten war) Kontrastprogramm zu Martin. Der Wahl-Kölner beginnt gleich nach dem ersten Bild mit seinem Text und beschreibt “seinen Umweg” zum Fujifilm-System. Doch er verherrlicht die Technik nicht, sondern stellt sie als Arbeitsgerät dar. Über die X-Pro 1 ist er zur X-Pro 2 gekommen und nutzt sie als Reportagekamera.
Seine Bilder zeigen überwiegend Menschen, meistens leicht weitwinklig fotografiert, um die Kulisse seiner Outdooraufnahmen mit ins Bild zu bekommen. Auf beschreibende Bildunterschriften verzichtet er. Bei ihm gibt es nur die technischen Daten zu jeder einzelnen Aufnahme. Seine erste Serie stammt aus dem Norden Indiens und beinhaltet durchaus für westliche Augen besondere Motive.
Seine zweite Serie zeigt ein Projekt, bei dem er die niederländische Butler Academy besucht hat und dabei Fotos gemacht hat, die so wirken, als seien sie heimlich durch ein kleines Loch in einem Regal geschossen. Blickkontakte zwischen Fotograf und Model zeigt in dieser Serie nur das allerletzte Bild.
Sein drittes Projekt im Buch stammt aus der utopisch experimentellen Stand “Auroville” im Süden Indiens. Im Gegensatz zur ersten Serie zeigt er hier die Menschen in ihrer Umgebung. Mal am Strand, mal im Industriekomplex, mal zuhause. Aber immer gucken die Portraitierten in die Kamera. Die etwas distanziert aufgenommenen Bilder positionieren die Menschen stets in die Mitte des Bildes. Und neben den technischen Daten gibt es hier sogar Text zu jedem Bild: Den Vornamen des Portraitierten… 😉
David’s vierte Serie entführt den Betrachter auf die Fashion Week nach Tiflis. Alle Aufnahmen stammen in dieser Serie aus der Fujifilm X100F, die ein fest verbautes 23mm Objektiv besitzt (entspricht in etwa dem 35mm Look am Vollformat). Spannenderweise zeigt David hier alle Motive in schwarz-weiss. Gerade bei Fashion könnte man auch auf Farbe setzen…
Auch er lobt das Fuji-System nicht in allerhöchsten Tönen und weiß auch von Schwächen zu berichten. Der sich zu schnell verstellende Dioptrienausgleich wird z.B. von ihm ins Feld geführt.
Thorsten Rother
Der dritte X-Photographer im Bunde startet mit Tageslicht-Portraits und nimmt sowohl Fuji’s Mittelformat, als auch die beliebte Streetfotografie in den Fokus. Thorsten berichtet gleich nach dem ersten Bild über seinen Traumberuf und das dazu erforderliche berufliche Umdenken. Seine Portraits sind ehrlich und direkt. Mal in schwarz-weiss. Mal in Farbe. Stets mit den immer gleichen technischen Daten (Thorsten kombiniert die Fujifilm GFX 50s mit dem GF 110 F2-Objektiv) und verzichtet selbst bei bekannten Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen auf die namentliche Nennung.
Auch er distanziert sich von der “religiösen Verehrung einer Kameramarke” und begründet fundiert, warum er mit Fujifilm arbeitet.
Sein zweites Projekt entführt den Leser ebenfalls nach Indien (offensichtlich eine Inspirationsquelle für mehrere Fuji-Fotografen). Mit der Fujifilm X-T2 und einem einzigen Objektiv (XF 16mm) zeigt er den Alltag in Indien, der sich abseits der Metropolen doch stark von unserem westlichen Leben unterscheidet.
Thorsten’s drittes Projekt spielt wieder in Indien, betrachtet aber ausschließlich den Beruf des Wäschers. Und erneut sind alle Bilder mit einem einzigen Objektiv aufgenommen worden: Einer 35mm Festbrennweite (entspricht in etwa dem Look eines 50mm Objektivs an einer Vollformatkamera).
Peter Steffen
Ganz anders Peter Steffen. Peter ist Pressefotograf und voll im Geschwindigkeitsrausch. Glühende Motoren, Funkenflug und Formel-1-Helme sind sein Hauptmotiv. Er zeigt spannende Detailaufnahmen. Auch beim Boxenstopp geht er nahe ran. Seine Bilder sprechen für sich. Und sie alle sind in Farbe. Für jeden Formel-1-Liebhaber eine Bereicherung.
Gerade bei der Sportfotografie kommt es auch auf Geschwindigkeit an. Peter erläutert, welche Hardware er benutzt und zeigt diese im Begleittext.
Bertram Solcher
Unter der Headline “Ganz nah am Menschen” zeigt Bertram überwiegend Bilder aus dem Bereich der Human-Medizin. Er berichtet im Text über seinen Zwiespalt bei der Berufswahl und zeigt nicht nur Wundklammern (mit denen man Operationsschnitte in die Haut für die OP offenhält), sondern auch den Arzt der mit “Hammer und Meißel” am OP-Tisch an einem menschlichen Körper arbeitet.
Wer OP-Kittel mag oder schon immer einmal am OP-Tisch live dabei sein wollte, ohne selbst das “Opfer” zu sein, ist hier genau richtig. Von der Notaufnahme über den Rettungshubschrauber nimmt Bertram alles mit, was in sein Genre passt. Dabei macht er keinen Halt vor Alkohol-Leichen und bringt sogar die Reinigungskräfte ins Spiel, die auch in diesem Kontext wichtige Arbeit leisten.
Textseitig hält sich Bertram eher kurz. Spannend ist seine Sichtweise auf Online-Kauf vs. Fotofachhandel.
Christian Ahrens
Der sechste und zugleich letzte X-Photographer ist auf Unternehmensfotografie spezialisiert und zeigt dazu spannende Einblicke insbesondere in Industrie und Mittelstand. Zu fast jedem Bild weiß Christian etwas zu berichten und gibt dem Leser so einen tiefen Einblick in seine Arbeit.
Weitwinkelaufnahmen dominieren auch seine Kunstwerke. So wie seine Hauptmotive, neigt auch Christian zu Basteleien. Nicht jeder “Geheimtrick” wirkt in der von ihm gezeigten Version wirklich wie eine professionelle Problemlösung, aber sie alle sind ein guter Workaround. Zeit verschwendet Christian mit seinen “Do-it-yourself-Ansätzen” jedenfalls nicht. Schnelle Problemlösung steht im Vordergrund – ganz damit er sich kurz darauf wieder auf die Fotografie stürzen kann.
Gerade in seinem Metier spielt das Licht eine besondere Rolle, da man Industriemaschinen nicht “mal eben” ins rechte Licht rücken kann. Gerade bei Fließbändern muss mit dem Licht gearbeitet werden, welches vor Ort zur Verfügung steht – oder mit kleinen Helferlein. Dickes Studiolicht passt nämlich in der Regel nicht zu Sicherheitsvorschriften der Unternehmen, für die Christian arbeitet. Im Text bietet Christian auch einen Blick in seine Kameratasche – die nicht nur Fuji-Produkte beinhaltet. Dass es Menschen gibt, die an ihrem Arbeitsplatz in einem Werk stets eine Sonnenbrille tragen, haben wir in seinen Bildern erstmals entdeckt.
Verbesserungsvorschläge
Alle sechs X-Photographer würdigen Fuji’s Kamerawelt kritisch. Es gibt nicht nur Lob, sondern durchaus auch Tadel. Fasst man die Kritikpunkte zusammen, so könnte problemlos ein Lastenheft für die Entwicklung von Nachfolgekameras und -objektive entstehen. Sicherlich lohnenswert für Fuji selbst, hier einmal zwischen den Zeilen zu lesen.
Fazit
Fujifilm X-Photographers ist natürlich in erster Linie für Liebhaber der Kameramarke gedacht und liefert mit technischen Daten und Informationen zum verwendeten Equipment in erster Linie dem Fuji-Fan Input. Doch es würde dem Buch nicht gerecht, es nur für Fuji-Fans zu empfehlen. Gerade wenn man bedenkt, dass die in dem Buch gezeigte Kamera- und Objektivtechnik schon in wenigen Jahren “altes Eisen” ist, so bleiben am Ende interessante und abwechslungsreiche Interviews mit Fotografen, die nicht nur zum Spaß fotografieren. Allein das bietet Inspiration auch für Nutzer anderer Systeme. Die beschriebenen Sichtweisen der Fotografen sind nicht nur für das Fuji-System anwendbar, sondern auch für jeden anderen Fotografen von Interesse. Und auch wenn die gezeigten Kameras optisch in den Vordergrund fallen (nur Produktfotos von Fujifilm werden ganzseitig gezeigt, alle anderen Fotos haben stets einen Rahmen, der zumindest die technischen Daten zeigt), so ist dieses Buch definitiv kein Produktkatalog. Definitiv schade ist, dass das Buch keinen einzigen weiblichen X-Photographer beinhaltet. Das würden wir uns für eine Folgeausgabe/Neuauflage wünschen.
Abgrenzung
Dennoch: Ein klassisches Fotobuch, wie man es von namhaften Fotografen erwartet, ist dieses Buch ebenfalls nicht. Denn mit sechs Fotografen, einem Kamerasystem, Aufnahmen in Farbe und schwarz-weiss, People- und Sachfotografie versucht das Buch verschiedene Zielgruppen zu erreichen. Das ist besonders spannend für diejenigen Menschen, die man nach Forrester Research als “Explorer” bzw. als “Entdecker” bezeichnet und stets über den Tellerrand hinaus blicken wollen, um neue Inspiration zu gewinnen. Und für den aktuellen Sonderpreis sicherlich mehr wert, als normale Fotomagazine, die monatlich erscheinen mehr als die Hälfte des aktuellen Sonderpreises kosten, nahezu nur die neueste Technik vorstellen und üblicherweise schnell wieder in der Altpapiertonne landen.
Keinesfalls ist dieses Buch jedoch heute schon “nicht mehr aktuell”, auch wenn die neusten Produkte von Fujifilm selbstverständlich noch nicht im Buch zu sehen sind. Doch wer einen Produktkatalog erwartet, ist mit diesem Buch eh falsch beraten.
Und wer ein weniger breites Angebot schätzt, sich der Peoplefotografie verschrieen hat und keine Lust auf Werbung hat, für den gibt es ja noch das SWAN Magazine. Dort gibt es ja auch Fotografen, die mit dem Fuji-System arbeiten. Aber eben nicht nur solche…
Zitat: Russell James
I have learned a great life lesson: Women are inarguably the most compelling, complex and wonderful beings in the universe who will not be defined by any one-dimensional view. Especially mine.