Kennt Ihr „The Corsica Moods„? Und Ihr wollt mehr? Dann wollen wir Euch verraten, dass es seit einigen Wochen noch mehr Zoe gibt. Wo? – In „The Denmark Moods“. Natürlich aus der Hand von Hans-Jürgen Oertelt. Im Format ca. doppelt so gross, im Gewicht mindestens doppelt – wenn man den direkten Vergleich zu „The Corsica Moods“ sucht. Aber was sind sie schon wert, diese technischen Daten? Seitenzahlen gibt in „The Denmark Moods“ nicht. Apropos: Wer Seitenzahlen in einem Bildband sucht, der denkt vermutlich auch, dass mehr Seiten ein Zeichen von Qualität sind… so wie Megapixel und Serienbildgeschwindigkeit ja schliesslich auch über die Halbwertszeit von Kameras entscheiden. Doch wer ist Zoe? Zoe ist der Haupttitel des Bildbandes, um den es heute geht. Nur der Untertitel dieser Private Edition lautet „The Denmark Moods“. Und „Zoe“ ist ein Tagebuch. Ein Tagebuch über sechs Tage. Sechs Tage in Dänemark. In dem kleinen Örtchen Blokhus, das zuletzt knapp über 500 Einwohner zählte und so weit im Norden liegt, dass es näher an Norwegen heran liegt, als an Kiel.
Wer diesen Blogbeitrag bis hierhin gelesen hat, dem dürfen wir gratulieren. Warum? Nun, schon bis hier haben wir mehr Worte verbraucht, als Hans-Jürgen im gesamten Bildband verwendet. Aber gut, „Zoe“ wäre ja auch kein Bildband, sondern Belletristik, wenn Hans-Jürgen mehr schreiben würde, als er fotografiert. Doch bevor wir das wieder verwerfen: Hans-Jürgen schreibt dennoch Geschichten. Geschichten in Bildern. Sechs an der Zahl. In einer weiteren Monographie, also einem Bildband, den er mit Ausnahme einiger Behind-the-Scenes-Motive am Schluss des Buches ausschliesslich einer Dame widmet: Zoe.

„Day 1“ heisst das erste Kapitel
Gleich das erste Bild der Private Edition macht klar: Wir sind in der Sonne, wir sind am Strand, Urlaubsfeeling – auch wenn das erste Bild „nur ein Portrait“ ist und den Strand gar nicht zeigt. Bild 2 allerdings ist ein Bruch. Es zeigt Zoe (wie übrigens alle Bilder der sechs Kapitel – ein reines Landschaftsfoto gibt es nicht), jedoch vor einer Betonwand. Alle anderen Motive dieses Kapitels zeigen Zoe am Strand. So sehr am Strand, dass man den Sand und/oder den Horizont sieht. In Kapitel eins beschreibt Hans-Jürgen Oertelt die Geschichte „Der Strand ist mein Element“. Zoe läuft, sie sitzt im Strand, sie lehnt an einem Holzverschlag. Viele Motive sind in Bewegung und wirken sehr natürlich. Doch wenn Zoe steht, wechselt sie gekonnt den Gesichtsausdruck, ohne auf klassisches „Posing“ umzuschalten. Ihr gelingt es, Natürlichkeit zu bewahren. Das sieht man sofort.
„Day 2“ führt den „Leser“ in die Stadt
Die Fotografie wird Fashion-lastiger und Hans-Jürgen spielt wunderbar mit Licht und Schatten. Viele Motive könnten aus einer Zeitschriftenbeilage eines Modehauses stammen – es stehen halt nur keine Preisschilder neben dem Mantel, der die erste Hälfte der Strecke dominiert. Kulissen der Kleinstadt sorgen für Abwechslung. Danach geht es im gleichen Pullover (der sukzessive unter dem Mantel eine steigende Bedeutung bekommen hat) ins Café. Aber nur kurz. Denn dann geht es zurück an den Strand.

„Day 3“ holt das zurück, was im ersten Bild schon angeteasert wurde
Den Sommer! Der dicke Mantel ist weg und der Rollkragenpullover auch. An seine Stelle kommen raffiniert gestreifte Sommerkleider und dazu passende Bademode in Kombination mit im Wind wehenden Tüchern – eine Hommage an Peter Lindbergh, auch wenn man das typische Lichtzelt genauso wenig findet, wie Stativfüsse am Bildrand. Dann in der Mitte des Kapitels folgt ein echter Höhepunkt des Bildbandes. Zoe mit schwarzem Mantel, Stiefeln und Hut. Und sonst nichts. Klar, wer die Bilder nicht sieht, denkt gleich, es wäre Akt. Doch das ist es nicht. Die Strecke weckt Interesse und zeigt pointiert Haut. Sie weckt die Neugierde, „legt das Essen aber nicht auf den Tisch“. Spannender als die prickelnde Erotik ist hier etwas ganz anderes: Während Zoe bis hier immer ganz klar als Zoe erkennbar war, schlüpft Zoe hier nicht nur in eine andere Rolle, sondern sie ist kaum wiederzuerkennen. Kurz vor dem Wechsel in andere Bademode als sie in Kapitel 2 gezeigt wurde, kommt ein einziges Bild, das unscharf ist. Vor einer ersten Seite, die ganz in weiss erstrahlt und nach so vielen Seiten ohne Leerseiten wie ein Fehler wirkt. Aber sie wird ihrer Funktion gerecht: Sie bremst die Lesegeschwindigkeit und ist die Überleitung zu mehr und mehr Strandidylle im Sinne von leichter Kleidung und zunehmender Nacktheit. Einer Intimität, die sukzessive stärker zur Schau gestellt wird, aber niemals billig. Allein dadurch, dass immer Kleidung im Spiel ist, bleibt es irgendwie eine Fashion-Strecke. Abwechslungsreich und spannend, diese Private Edition. Ein Ideenpool für jeden Fotografen.
„Day 4“ startet intim im Ferienhaus
Sensual-Strecken, die andere Fotografen in engen Hotelzimmern umsetzen, hat Hans-Jürgen Oertelt hier in seinem Ferienhaus in Blokhus umgesetzt. Er spielt mit Licht, Kissen und Decken. Mit einer Kaffeetasse bewegt Hans-Jürgen die Strecke aus dem Bett an verschiedene Locations im Haus. Genau richtig (nämlich bevor die Wiederholung einsetzt) kommt erneut eine weisse Seite. Das Zeichen für einen harten Break. Nun geht es raus, mit ungewohnt strenger Frisur erscheint Zoe in ganz anderem (Sonnen-) Licht. Schroffer Beton im Hintergrund wirkt hier wie verlassene Bunker. Dazu etwas Sand vom Strand. Hier wiederholt sich nichts. Mit einer kleinen Ausnahme: Zoe’s Stiefel kennen wir schon von Day 3. Wenn sie dann ganz frech und flippig am Strand posiert, muss man echt zweimal hinschauen: Ist das noch Zoe? Für ein wenig Verwirrung (vielleicht ist es aber auch nur ein Stilmittel, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu erwecken) schaffen die letzten vier Motive des 4. Tages: Neben Zoe posiert plötzlich eine weitere Dame – allerdings recht maskulin gekleidet.

„Day 5“ beginnt wieder allein mit Zoe
Und zwar so, wie man sie von Bildern aus dem Hause Oertelt bereits kennt: Leicht rockig gekleidet, lockige Haarpracht und dieses souveräne Lächeln, das nicht gestellt ausschaut, sondern natürlich und ungestellt. Tolle Portraits vor unterschiedlichen Kulissen wechseln sich hier ab und zwischendurch springt Zoe mal eben von einem Podest auf den Steg, bevor wieder eher fashionlastige Motive folgen.
„Day 6“ führt uns zurück an den Strand
Doch wer Wiederholung erahnt, liegt falsch. Nur die schon zuvor angesprochenen Stiefel schaffen eine Verbindung. Frisur, Makeup und Styling ist so neu, dass erneut erst einmal der Eindruck entsteht, es handele sich um eine andere Muse von Hans-Jürgen. Mit strengem Blick, ungewöhnlichen Gesichtsausdrücken und von Zoe eher nicht bekannten Posen entsteht am Tag 6 ein völlig neues Bild von der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Fotograf und Model. Auch freizügiger wird die Strecke noch einmal, bevor sie erneut hochverschlossen daher kommt. Als vorletztes Bild des Tagesbuches folgt dann das erste reine Landschaftsfoto: Strand, der düsterer kaum sein könnte. Rechts daneben dann „ein alter Bekannter“: Das Titelbild des Buches. Leicht unscharf und mit ebenso leichter Reminiszenz an das Titelbild zum Ausstellungskatalog von Untold Stories.

The Color Section
Ungewöhnlich für ein rein in schwarzweiss gehaltenes Buch, was mit nur vier Motiven die Bezeichnung als Monographie riskiert, kommen dann zwei weitere Kapitel. „Zugaben“ könnte man sagen. In wunderschönen Farbfotos zeigt Hans-Jürgen Oertelt hier einen Querschnitt über die sechs Tage mit Zoe. Eine wundervolle Erinnerung an die einzelnen Kapitel der Private Edition ohne dabei zu wiederholen.
Behind the Scenes
Der wirkliche Abspann des Buches zeigt das Dreamteam dieses Bildbandes: Zoe, Stefanie (Hair & Makeup Artist) und sogar Hans-Jürgen. Ungewohnt, den einzigen Mann im Dreamteam einmal mit Kopftuch zu sehen… vermutlich eine Szene, in der Hans-Jürgen seinem Model zeigt, wie sie das Tuch für das Bild halten soll…

Fazit
„Zoe – The Denmark Moods“ ist ein weiteres Druckwerk aus dem Hause Oertelt. Uns liegt die „Private Edition“ vor, die es nicht in den Shop von Hans-Jürgen schaffen wird, weil sie nur einem handverlesenen Leserkreis zur Verfügung gestellt wird. Wir begrüssen die Initiative des Künstlers, mit verschiedenen Buchformaten und Druckereien zusammenzuarbeiten und hoffen, dass es schon bald einen offiziellen Nachfolger von „One“ geben könnte. One ist für uns immer noch die Messlatte dafür, wie abwechslungsreich ein Mensch und damit auch eine Monographie sein kann. In „Zoe – The Denmark Moods“ zeigt Hans-Jürgen, welches Potential in seiner neuen Muse steckt. Facettenreich und überraschend sind die Motive, ohne jemals langweilig zu wirken. Und doch ist die von Hans-Jürgen selbst gesteckte Messlatte mit dieser Private Edition noch nicht erreicht. Zu hoch hat Hans-Jürgen die Latte mit „One“ gelegt, als dass er sie hier „mal eben“ überspringen könnte. Jedoch muss man auch Folgendes sehen: Für One stand Louisa hunderte Male vor der Kamera. „The Denmark Moods“ hingegen zeigt aus nur sechs Tagen ein ganzes Buch!
Nun bleibt zu hoffen, dass es bald zu einer Nachfrage bei Hans-Jürgen kommt, die ihn dazu bewegt, doch über eine Kleinauflage nachzudenken. Es wäre schade, wenn dieses Werk wirklich nur einem handverlesenen Kreis vorbehalten bliebe. Und seine andere Private Edition zeigt ja, wie schnell kleine Auflagen vergriffen sein können. Gottseidank sind wenigstens von One und von der Ausgabe 06 noch ein paar Exemplare vorrätig.