Am 18. April haben wir einen ersten Blogbeitrag zu Markus Schänzle, einem unserer Künstler in Ausgabe 03, veröffentlicht. Das Interview, welches wir zu diesem Zweck mit dem Headshot-Fotografen geführt haben, war so abwechslungsreich, dass wir es problemlos in zwei Teile aufteilen konnten. Und heute ist es nun endlich soweit: Der Teil des Zusatzinterviews geht auf unserem Webserver live. Auch er ergänzt natürlich das Hauptinterview in Ausgabe 03. Also steigen wir direkt ein.

Markus Schänzle: Mein Wunsch war es schon immer, mal in ein Altenheim zu gehen, mit diesen mir unbekannten Menschen einen Tag lang zu sprechen und zwischendurch ein paar Fotos von ihnen zu machen. Ich glaube, das werde ich jetzt irgendwann mal in die Tat umsetzen.
SWAN Magazine: Das hat Andreas Jorns ja gemacht und dann in seinem Buch „Diversity“ verarbeitet. Sehr spannend, mit solchen Stories zu arbeiten. Und unser Eindruck ist folgender: Wenn Fotografen solche Projekte realisieren, dann schenken sie nicht nur den Menschen „ein paar Fotos“. Nein, sie schenken den Menschen Mut, sie geben ihnen Kraft und schaffen Begeisterung. Und selbst für die Fotografen bringen solche eher soziale Themen etwas – menschlich betrachtet.
Markus Schänzle: Sowas finde ich irre spannend. Und auch darüber wird man vermutlich immer wieder berichten und damit auch bei seinen Zuhörern etwas bewegen. Viel mehr jedenfalls, als mit einem Foto, bei dem man auf Social Media 1.000 Likes bekommen hat.
SWAN Magazine: Das sehen wir ganz genauso. Gerade als Fotografen sind wir nicht nur „visuelle Typen“, sondern haben vielmals auch sehr feinfühlige emotionale Antennen. Wenn wir nur beim Beispiel Altersheim bleiben: Wir Fotografen neigen vermutlich dazu, für drei Stunden ins Altersheim zu gehen und unsere Fotos zu machen. Und das bewegt uns schon. Doch wenn wir nur eine Etage tiefer in das Thema eintauchen, bekommen wir vermutlich um Welten bessere Fotos.
Markus Schänzle: Wie meinst du das?
SWAN Magazine: Nun, stelle Dir vor, du hast ein Wochenende Zeit. Statt mit Facebook, Instagram, Lightroom und Photoshop verbringst Du Dein Wochenende im Altersheim. Komplett! Du schläfst dort in einem freien Zimmer, Du isst mit den Bewohnern zusammen und abends spielst Du mit ihnen Scrabble. Meinst Du nicht, Du bekommst ganz andere Fotos und eine viel intensivere Story, als wenn Du nur für zwei Stunden „zu Besuch“ kommst?
Markus Schänzle: Doch klar, ganz sicher sogar!
SWAN Magazine: Das ist doch bei Sebastiao Salgado nichts anderes: Er hat das Leid über Wochen und Monate miterlebt und kann so in seinen Fotos etwas ganz anderes transportieren, als wenn er „für ein paar Fotos“ mit dem Hubschrauber in ein Krisengebiet geflogen wäre und wenige Minuten später wieder in einer anderen Welt angekommen ist.

Markus Schänzle: Dann wundert es mich übrigens auch, dass so viele Fotografen so schreibfaul sind. Darüber sollten wir Fotografen viel mehr berichten. – Zurück zum Altersheim: Hier fände ich es auch spannend, die ganze Zeit eine Videokamera mitlaufen zu lassen. Da müssen doch Tonnen an Emotionen rüberkommen, wenn man nachher aus 48 Stunden Filmmaterial einen kurzen Clip zusammenstellt. Noch cooler (auch weil weniger Arbeit) wäre es natürlich, so ein Projekt zusammen mit einem Video-Profi zu machen, der nur bestimmte Momente filmt, aber den ganzen Tag dabei ist. – Aber viele Fotografen sind vermutlich zu sehr Solisten…
SWAN Magazine: Neben dem Thema Headshot machst Du ja auch Fashion, Street und Wedding. Wie passt das eigentlich zusammen?
Markus Schänzle: Ganz ehrlich? Mich hat es einfach gereizt, mal etwas anderes zu machen. Bei mir im Studio beherrsche ich jeden Handgriff. Ich kenne mein Equipment, weiss, wie ich mit Licht umgehen muss. Ich habe meine Standards und kann mich in den Kontext sicher bewegen und das gewünschte Ergebnis regelmäßig produzieren. Da ist also Routine und Erfahrung drin. – Auch euer Magazin hat mich dazu inspiriert, mal etwas Neues auszuprobieren und mich in andere Felder der Peoplefotografie zu bewegen. Begonnen habe ich, in dem ich z.B. ganz bewusst Portraits in schwarzweiss gemacht habe. Einige Male sogar mit Männern.
SWAN Magazine: Das klingt spannend. Aber das hört sich bisher noch alles nach „im Studio“ an…
Markus Schänzle: Ja richtig. So bin ich aber gestartet. Und dann kam plötzlich die Lust, auch mal outdoor ein paar Fotos mit Menschen zu schießen. Eine große Inspirationsquelle für mich war zu dem Zeitpunkt Kristian Schuller. Ich bin dann zusammen mit ein paar anderen Fotografen und einer handvoll Models in eine alte Gärtnerei gegangen und dort haben wir dann Fashion und Portrait gemacht. Aber leider wollte das Wetter nicht so mitspielen, wie gedacht. Also haben wir ein bisschen Material eingepackt. Also einen Studiohintergrund, einen Stuhl, etwas Blitzlicht und so. Das war eine super Abwechslung. Und ich denke, ich wollte einfach mal wissen, ob ich sowas auch kann.

SWAN Magazine: Und wie bewertest Du das Ergebnis? Liegt Dir Fashion? Macht Dir sowas Spass?
Markus Schänzle: Es hat einen riesigen Spass gemacht. Ich hatte mich bis dahin immer heimischer gefühlt, wenn ich im Studio fotografiert habe. Aber ich habe gemerkt, dass ich unheimlich gerne mit meiner Kamera draußen aktiv bin. Eine echt gute Idee war es auch, zu diesem initialen Shooting direkt einen Videofilmer mitzunehmen. Der hat aus dem Tag ein richtig tolles Video zusammengeschnitten und hat mir dieses exakt an meinem Geburtstag zugeschickt, der nur ein paar Tage nach dem Shooting war. Ein richtig tolles Geburtstagsgeschenk.
SWAN Magazine: Und wie man auf dem Video sieht, musstest Du Dich da das erste Mal vor Deinem Model auf den Boden werfen…
Markus Schänzle: Nee, das war nicht das erste Mal. Das mache ich bei mir im Studio auch regelmäßig. Bei Ganzkörperaufnahmen im Studio setze ich mich z.B. gerne hin. Hier in der alten Gärtnerei war das allein wegen der ganzen Glasscherben aber nicht ganz unkritisch…
SWAN Magazine: Was war denn der Reiz im letzten Jahr, statt alleine mal mit mehreren Fotografen loszuziehen?
Markus Schänzle: Nun die Neugierde war das Hauptmotiv. Dann wollte ich mein Portfolio natürlich auch etwas breiter aufstellen. Und auch der Austausch mit anderen Fotografen bringt einen selbst ja auch auf neue Ideen, wenn man einfach mal zuschaut, wie andere arbeiten. Auch die Suche nach neuen Spots in der alten Gärternei oder auch auf einem Photowalk, den ich in Stuttgart begleitet habe, hat mich stark inspiriert.
SWAN Magazine: Wie wichtig ist es in Deinen Augen, mit mehreren Fotografen unterwegs zu sein?
Markus Schänzle: Das ist pauschal schwer zu sagen. Wenn man einen Shootingtag plant, wie wir ihn in der alten Gärtnerei durchgeführt haben, dann ist es in der Tat wichtig, nicht alleine unterwegs zu sein. Allein das Equipment wäre eine riesige Schlepperei gewesen, wenn ich das alles hätte alleine bewegen müssen. Doch wenn man produktiv sein möchte, dann kommt es auch darauf an, nicht zu viele Fotografen dabei zu haben. Photowalks z.B. sind lange nicht so produktiv, wie geplante Shootings mit einer begrenzten Anzahl an Fotografen und Models. Das sieht man auch am Output. Ein halber Tag Photowalk mit knapp hundert Teilnehmern liefert deutlich weniger Motive, als ein ein halber Tag Gärtnerei in einer Kleingruppe. Eigentlich sollte man ja denken, es sei umgekehrt. Aber dem ist nicht so. Bevor wir losfotografieren, wollen wir ja mit dem Menschen reden. Und das ist bei fünf Models schnell erledigt. Und ist es erledigt, kannst du immer wieder mit ihnen Neues auszuprobieren. – Wenn du für jede Idee erst ein neues Model vom Walk akquirieren musst, ein anderer Fotograf aber gerade auch mit dem Model arbeiten will, verlierst du viel Zeit. Zeit, in der man beobachten kann, aber eben nicht umsetzt, was einem selbst so vorschwebt.
SWAN Magazine: Was ist denn aus Deiner Sicht die optimale Gruppengröße für ein solches Shooting?
Markus Schänzle: Hauptsache nicht zu viele Menschen am Set! Ideal sind aus meiner Sicht drei Fotografen mit fünf Models. So können die Fotografen viel variieren und die Models haben auch mal Pause und können zwischendurch entspannt die Kleidung wechseln. Und wie gesagt: Ein Videofilmer als Ad-on ist echt ne Bereicherung…

SWAN Magazine: Wo liegen die Vorteile eines solchen Shootings und welche Nachteile siehst Du?
Markus Schänzle: Die Vorteile liegen beim Material, der Möglichkeit Ideen abzugucken und gerade für den Einsteiger in der Chance, das Set eines anderen Fotografen dann auch für das eigene Fotografieren nutzen zu können. Doch genau da liegt auch der Nachteil: Die drei Fotografen am Set werden vermutlich alle sehr ähnliche Motive haben. Auch aus Sicht der Modelle werden dabei vermutlich weniger unterschiedliche Motive herauskommen, als wenn die fünf Modelle nacheinander mit drei unterschiedlichen Fotografen an anderen Orten gewesen wären. Im Umkehrschluss: Eine große Location mit vielen unterschiedlichen Spots ist dann echt eine Bereicherung.
Vielleicht muss man sich in einer solchen Gruppe aber auch nur dazu zwingen, dass man nicht das gleiche Model am unveränderten Set ablichtet. Dann nehmen die Dopplungen vermutlich schon sehr ab. – Und viel wichtiger: Wenn man mit drei Fotografen und fünf Modellen arbeitet ist die Unterschiedlichkeit der Motive eh viel höher, als wenn man mit 10 Fotografen einen Workshop besucht, auf dem ein Model in einem immer gleichen Studio fotografiert. Hinzu kommt: Selbst wenn man nach dem Shooting alle Models auf eine Pizza einläd und nur ein Fotograf bezahlt, ist der Shootingtag vermutlich günstiger und effizienter gewesen, als ein typischer Fotoworkshop-Tag…

SWAN Magazine: Reden wir kurz über Equipment. Du sprachst eben davon, dass Ihr in der Gärtnerei auch mit Blitz gearbeitet habt. Was präferierst Du? Aufsteckblitze oder Porty?
Markus Schänzle: Ich habe mir tatsächlich einen Porty mit einem Blitzkopf gekauft, um auch Lichtformer verwenden zu können. Das ist je nach Set echt hilfreich – aber es bleibt eine Schlepperei. Ich arbeite on Location aber gerne mal mit einem Beauty Dish oder einer etwas größeren Softbox. Dazu braucht es dann aber auch ein standhaftes Stativ… oder einen Kollegen, der den Blitz hält… 😉
SWAN Magazine: Und Deinen Porty würdest Du auch mitnehmen, wenn Du alleine zu einem Shooting startest?
Markus Schänzle: Wenn ich einen nicht fotografierenden Assistenten dabei hätte, dann auf jeden Fall ja. Habe ich das nicht, würde ich eher auf das Blitzen generell verzichten. Ausnahme wäre, wenn ich eh nur einen bestimmten Spot nutzen will und da mit dem Auto bis vor die Türe fahren kann. Aber auch dann, wenn ich meinen Blitz dabei habe, fotografiere ich bestimmte Motive auch ganz bewusst ohne Blitz.
SWAN Magazine: Die oft verwandte Regel „im Studio immer mit Blitz, outdoor aber nie“ gilt damit für Dich nicht.
Markus Schänzle: Ja richtig. Ich mixe das. Kennst du zufälligerweise Peter McKinnon?
SWAN Magazine: Nein, spontan nicht. Warum?
Markus Schänzle: Das ist ein Fotograf mit einem Videoblog auf Youtube. Der hat in einem Video berichtet, dass er einen großen und schweren Gimbal mit auf einen Berg geschleppt hat, um ein bestimmtes Motiv festzuhalten. Er war am Ende derjenige, der die besten Aufnahmen hatte. Und dazu muss man manchmal auch Schlepperei auf sich nehmen.
SWAN Magazine: Wenn man eine bestimmte Idee hat, soll man sich also nicht „von der Extra-Meile“ aufhalten lassen?
Markus Schänzle: Absolut! Manchmal muss eben doch fleissig sein, eine besondere Idee haben und diese dann auch umsetzen – und nicht nur davon träumen.

SWAN Magazine: Aber denkst Du nicht, dass es immer schwieriger wird, etwas wirklich Neues zu fotografieren?
Markus Schänzle: Ja klar. Die Leistungsfähigkeit heutiger Handykameras und die jederzeitige Möglichkeit, die leistungsfähigen Geräte jederzeit aus der Hosentasche ziehen zu können, macht es schwerer. Es werden einfach viel viel mehr Fotos geschossen, als früher. Es gibt einfach keinen Ort der Erde mehr, wo nicht schon eine Kamera war. Trotzdem müssen Fotografen ein wenig wie Indianer sein. Sie müssen neue Routen aufspüren und auch mutige Wehe gehen.
SWAN Magazine: Das erinnert mich an einen Fotografen, den ich vor fast 20 Jahren kennengelernt habe. Lange bevor das Tiefschneefahren abseits der Piste modern wurde, hatte er keine Lust mehr auf überfüllte Skipisten. Also hat er sich Tourenski gekauft und ist nicht -wie heute üblich- morgens früh auf den Berg gelaufen, sondern erst gegen Mittag gestartet. Und anders als andere, ist er am liebsten dann gestartet, wenn das Wetter schlecht wurde. In seinem Rucksack waren deswegen nicht nur Proviant und Lawinenausrüstung, sondern zusätzlich ein Zelt, ein Schlafsack und seine Kamera. Er ist nämlich abends oben auf dem Berg geblieben und hat sich mit der Lawinenschaufel eine Hütte für die Nacht geschaufelt, um dort bei Nacht zu fotografieren und dann morgens durch frischen Pulverschnee und mit erholten Beinen wieder runterfahren zu können.
Markus Schänzle: Wow, Abenteuer pur.
SWAN Magazine: Ja genau. Und der hat das Ganze auf die Spitze getrieben, indem er für seine Astroaufnahmen auch noch einen motorgetriebenen Nachführschlitten gebaut hat, der ihn dabei unterstützt hat, ein Gesamtbild aus teilweise mehr als 100 Einzelfotos zusammenzuführen. – Am Ende ist das auch ein mutiger Weg. Ein Weg, der vielen anderen Menschen zu mühsam wäre. Und genau daraus entstehen Motive, die einfach nicht jeder mit dem Handy aufnehmen kann.
Markus Schänzle: Am Ende geht es doch um das Besondere. Calvin Hollywood ist ja auch so ein Beispiel. Der Calvinize-Stil war damals seiner Zeit voraus. Heute beherrschen ihn viele – und damit ist er out. Alles, was inflationär angeboten wird, ist eben nichts Besonderes.
SWAN Magazine: Das klassische biometrische Passbild bietest Du in Deinem Studio aber nicht an, oder?
Markus Schänzle: Nein. Das sind einfach -sorry für die harte Ausdrucksweise- Scheissbilder. Ich möchte nicht auf solche Fotos reduziert werden. Klar habe ich auch zu Beginn bei Studioöffnung solche Fotos angeboten, um die Menschen auf mein Studio aufmerksam zu machen. Bei mir ist das Problem aber folgendes: Mein Hauptjob und mein Studio liegen rund 80 km auseinander. Für ein Passbild kann ich nicht „mal eben“ zum Studio kommen. Das rechnet sich einfach nicht. Und als ich dann einmal wirklich umsonst hingefahren bin… also umsonst, weil mir die Kundin abgesagt hat, als ich gerade im Studio angekommen war, habe ich sofort entschieden: Ab heute keine Passbilder mehr! – Klar, wenn ein Kunde heute einen Headshot bei mir bucht und beim Shooting sagt „hey, ich brauche auch noch ein biometrisches Passbild“, dann mache ich das gleich mit. Aber das bekommt der Kunde dann nur digital und kann es ausdrucken, wo immer er will. Biometrische Passbilder sollen einfach gar nicht mit mir und meinem individuellen Angebot in Verbindung gebracht werden.
SWAN Magazine: Thema Studio: Du hast ein eigenes Fotostudio. Gehst Du auch in fremde Fotostudios, um einen Locationwechsel zu realisieren?
Markus Schänzle: Nein. Es gibt zwar interessante und toll eingerichtete Mietstudios – selbst bei mir in der Nähe – aber wenn ich auf Social Media Bilder aus diesen Studios sehe, dann schauen sie alle sehr ähnlich aus. Das liegt natürlich daran, dass sich die Ausstattung der Studios nicht täglich ändern kann. Aber genau dadurch ist der Reiz für mich sehr gering. Mein Studio nutzt niemand außer mir. Damit habe ich sichergestellt, dass meine Bilder keiner einfach so 1:1 nachstellen kann. Und das ist auch der Grund, warum ich für mein Studio Miete zahle – und nicht zusätzlich in Mietstudios Geld ausgebe. Wenn ich einen Tapetenwechsel brauche, kann ich problemlos rausgehen und on location meine Fotos machen. Aber auch mein Studio baue ich nicht ständig um. Ich bin einfach nicht so der Handwerker und stehe auf einfache und schlichte Hintergründe, die man ja doch schnell mal gewechselt hat.
SWAN Magazine: Wie sind denn Deine Pläne hinsichtlich Fashion?
Markus Schänzle: Ich will das in diesem Jahr auf jeden Fall nochmal machen. Starten wollte ich gleich im Frühjahr, aber seit das Wetter besser ist, haben wir dank Corona andere Umstände. Ich habe aber letztes Jahr im Oktober mit Fashion einen harten Cut gemacht.
SWAN Magazine: Wieso das? Eben klang das noch sehr motiviert in diese Richtung…
Markus Schänzle: Das lag größtenteils an den Models. Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass die Models immer undankbarer wurden. Diese Shootings habe ich meist als TFP-Shootings gemacht. Wenn die Models dann zu spät kommen, kurzfristig absagen, am Ersatztermin nur die Hälfte der Zeit haben und dann nach dem Shooting mehr bearbeitete Fotos wollen, an jedem Foto aber jedes noch so kleine Fältchen retuschiert haben wollen, dann ist das einfach nicht das, was mir Spass macht. Darum habe ich im Oktober auch den Hashtag #keinTFPmehr eingesetzt.
SWAN Magazine: Und wie willst Du das Thema Fashion dann dieses Jahr angehen?
Markus Schänzle: Ich überlege aktuell, ein eigentlich doch recht aufwändiges Fashion-Shooting als preislich attraktives Payshooting anzubieten. Wenn ich ein vierstündiges Shooting für 200 EUR anbiete und vorher klar kommuniziere, wie viele bearbeitete Bilder es gibt, ist es am Ende so, dass das Model für extrem günstiges Geld die eigene Sedcard aufwerten kann und ich einen lächerlichen Stundenlohn habe. Aber für beide Seiten ergibt sich eine klare Regelung von der ersten Minute an. Das Model gibt sich wirklich Mühe (ich hatte teilweise auch völlig verknitterte Blusen beim Shooting) und beide profitieren vom Shooting.
SWAN Magazine: Das heisst, TFP-Shootings wirst Du gar nicht mehr anbieten?
Markus Schänzle: Doch, klar. Aber das sind für mich Shootings bei denen ich etwas ausprobieren will, sicherlich auch ein paar brauchbare Bilder rauskommen, ich aber weniger Bilder anbiete, als bei meinem 200-EUR-Fashionshooting und die ich gar nicht so häufig brauche. Auch werde ich mir für TFP-Shootings bewusst meine Models selbst aussuchen und nicht mehr auf Anfragen von diversen Hobbymodels antworten. Auch das ist ja Arbeitszeit, die viele Fotografen oft vergessen – Zeit jedoch, die für Familie oder Auftragsshootings dann eben nicht mehr zur Verfügung steht. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel: Wenn sich ein Model bei mir bewirbt, wo ich anhand vorhandener Motive erkenne, dass ein Shooting mit der Person eine Bereicherung für mein Portfolio ist, dann bin ich weiterhin bereit zu investieren.

SWAN Magazine: Hast Du unter Deinen TFP-Shootings auch ein echtes Highlight?
Markus Schänzle: Ja klar. Das war eine etwas komische Ausgangslage. Ein Model fragt für ein anderes Model an. Das Model, um das es geht, war eine Zeit lang in einer Fernsehshow. Aus diesem Möchte-gern-Celebrity entwickelte sich der Anspruch, Unmengen an Fotos aus einem zeitlich eng getakteten Shooting erhalten zu wollen und zeitgleich wollte man mir vorschreiben, dass ich die Fotos nur eine begrenzte Zeit nutzen kann und sie anschließend löschen müsste. Nicht nur auf meiner Festplatte, sondern auch alle Veröffentlichungen. Das sind Rahmendaten, bei denen ich keine Win-Win-Situation mehr erkennen kann. Das ist bewusste Ausnutzung und der Versuch der Knebelung zugleich. Sowas biete ich gerne für 2.000 EUR am Tag an und gebe die Nutzungsrechte vom ersten Tag an alleine an den Auftraggeber ab. Das ist eben nicht mehr TFP. Und das Argument, ich würde danach tausende Anfragen und Aufträge erhalten, zählt auch nicht.
Dazu ein Beispiel: Ich habe vor gut zwei Jahren ein Shooting mit einer Influencerin gehabt. Wirklich nettes Mädel. Als sie ein Bild aus dem Shooting mit mir auf Instagram veröffentlicht hat, hatte dieses Bild nach 20 Minuten sage und schreibe 60.000 Likes. Und heute, also nach mehr als zwei Jahren, sind es mehr als 100.000 Likes. Doch bei mir gab es in der ersten Woche des Postings tatsächlich einen Zuwachs an Followern, aber eben keine Aufträge, die mir Umsatz beschert hätten. Also habe ich mir meine Instagram-Statistik einmal näher angeschaut. Und siehe da: Die zusätzlichen Follower stammten alle aus der Altersklasse 14-17 Jahre. Klar, dass diese Zielgruppe bei mir keinen Headshot buchen. Die Frage, die man sich als Fotograf stellen muss, ist an der Stelle doch vielmehr: Wer hat von diesem Shooting profitiert? – Ich war es jedenfalls nicht…
SWAN Magazine: Das, was Du hier beschreibst, sind ja doch eher klassische Modelträume, weniger professionelle Models. Wie sähe es bei professionellen Models aus?
Markus Schänzle: Bei einem professionellen Model, das von seinem Beruf als Model lebt, ist der Business Case ein ganz anderer. Wenn ich die Gelegenheit bekomme, ein international gefragtes Model vor die Linse zu bekommen, dann biete ich natürlich gerne TFP an, denn dann bin ich derjenige, der die Chance erhält, dass eins meiner Fotos bei einer Modelagentur landet. Und ich bekomme wenigstens die Möglichkeit, für ein Auftragsshooting angefragt zu werden. Da wäre ich doof, wenn ich die Gelegenheit nicht nutzen würde. Als Fotograf bin ich auch Unternehmer. Ich muss immer auch Risiken eingehen. Aber hinter jeder riskanten Investition sollte wenigstens die Chance auf Umsatz stehen. Sonst ist es doch Verschwendung.
SWAN Magazine: Hast Du denn ein Traumthema, das Du dieses Jahr im Fashion-Bereich umsetzen möchtest?
Markus Schänzle: Eine konkrete Planung habe ich auch aufgrund der Corona-Krise gerade nicht. Aber da ich die Skyline von Frankfurt sehr schätze, würde ich dort gerne ein Fashion Shooting outdoor machen. Auch Paris steht noch auf meiner persönlichen Wishlist. Mit zwei oder drei Models fände ich das super…

SWAN Magazine: Wie sieht es denn mit dem Thema Ausstellungen aus? Reizt Dich das Thema überhaupt?
Markus Schänzle: Tja, das habe ich noch nie gemacht. Ich denke aber, dass es ein tolles Gefühl ist, sowas einmal mitzumachen. Klar, zum einen ist das klasse, die eigenen Bilder an der Wand zu sehen. Doch noch mehr würde es mich reizen, die Gesichter und Reaktionen der Besucher einer Ausstellung zu sehen und dann mit den Gästen ins Gespräch zu kommen. Darauf hätte ich auf jeden Fall Lust. Vor allem, weil dort ein ganz anderes Publikum anzutreffen ist, als in Social Media.
SWAN Magazine: Und welche Fotos von Dir würdest Du ausstellen wollen?
Markus Schänzle: Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Aber vermutlich würde ich ganz stark auf Schwarzweiss setzen. Das wirkt in einer Galerie einfach am Besten. Am liebsten würde ich sowas mit ein paar anderen Fotografen zusammen machen. Nicht mit hunderten Fotografen eine Sammelausstellung, aber eine kleine aber feine Ausstellung, wo mehrere Fotografen zusammen eine Ausstellung machen, fände ich schon spannend. Auch wegen des persönlichen Austausches mit anderen Fotografen.
SWAN Magazine: Blicken wir einmal in Dein Bücherregal. Welche Fotobücher finden wir dort?
Markus Schänzle: Oh, da wirst du nicht viele Bücher finden. Ich muss mich gerade mal umdrehen… Moment. Ich glaube, da ist nichts zum Thema Fotografie drin. Weder ein künstlerischer Bildband, noch ein Tutorial in Buchform.
SWAN Magazine: Übertragen auf Deine freien Projekte: Woher nimmst Du dann Deine Inspiration?
Markus Schänzle: Tatsächlich inspirieren mich Bilder, die ich irgendwo sehe. Sie liefern mir Ideen und mit denen beschäftige ich mich dann in meinem Kopf. Auch wenn sich ein Model bei mir bewirbt, schaue ich mir die Bilder vom Model an und überlege mir dann, was zu der Person passen würde. Das ist ein kreativer Prozess. Ich nutze auch gerne Pinterest als Plattform für Ideen. Fotografie ist für mich vor allem ein kreativer Prozess, bei dem ich zu Beginn nicht weiss, wo ich am Ende auskomme. Bei meinen Headshots ist das natürlich etwas anderes.
SWAN Magazine: Hast Du denn ein Traummodel, mit dem Du schon immer gerne zusammenarbeiten wolltest?
Markus Schänzle: Ja klar. Das ist immer noch -seit vielen Jahren- Heidi Klum… (lacht herzhaft).
SWAN Magazine: Warum Heidi Klum? Was reizt Dich an ihr? Sie ist doch eigentlich totfotografiert?
Markus Schänzle: Die Frau reizt und fasziniert mich irgendwie. Es geht mir bei ihr nichtmal darum, dass ich denken würde, sie wäre hübscher als andere. Nein, da könnte ich mir auch andere Models vorstellen. Aber die Frau an und für sich, das was sie erreicht hat und dass sie auch heute noch aktiv ist, mag ich einfach. Für mich ist sie ein Symphatieträger.
SWAN Magazine: Gibt es andere Menschen außerhalb der Modelszene, die Du auch gerne vor Deine Kamera bekommen würdest?
Markus Schänzle: Angela Merkel.
SWAN Magazine: Als Plakatmotiv für die nächste Kandidatur?
Markus Schänzle: Nein. Von ihr würde ich gerne ein zeitloses Portrait in schwarzweiss anfertigen wollen. Und vielleicht eins mit ihrer typischen Handpose.
SWAN Magazine: Und sonst? Hast Du noch einen Joker-Kandidaten in der Hand?
Markus Schänzle: Ja, aber das geht leider nicht mehr: Steve Jobs wäre mein Traumkandidat. Aber ihn würde ich nicht nur fotografieren wollen. Bei ihm ginge es mir mehr um die Zeit, die ich beim Fotografieren mit ihm verbringen könnte.

SWAN Magazine: Wenn ich alle drei mal zusammenfasse, dann fällt mir auf, dass es Dir bei Deinen Traumkandidaten gar nicht um die Schönheit geht, sondern um die Menschen und vermutlich das, was sie in ihrem Leben geleistet haben. Es sind Symphatieträger, die Du einfach mal kennenlernen möchtest?
Markus Schänzle: Ja, die Kamera ist dabei gar nicht so wichtig. Ich bewundere ihr Lebenswerk. Und klar, auch bei ihnen finde ich nicht alles klasse. Viele schimpfen ja auf Angela Merkel. Ich schimpfe auch – aber nicht nur. Und dennoch hat sie Großartiges geleistet. Mir geht es um die Story der Menschen. Beim Fotografieren erfährt man eben so viel über andere Menschen. Das ist es, was mich reizt.
SWAN Magazine: Würdest Du sagen, dass Fotos von Menschen immer dann besser werden, wenn Du mit ihnen ein gemeinsames Thema findest, zu dem ihr zusammen sprechen könntet während des Shootings?
Markus Schänzle: Definitiv! Die gemeinsame Ebene und ähnliche Interessen beflügeln die Wirkung von Fotos unheimlich, weil die Menschen dann automatisch eine Mimik aufsetzen, bei denen sie positiv rüberkommen. Sophia Thomalla fällt mir übrigens gerade noch ein. Die fehlt auch noch in meiner persönlichen Hall of Fame… ich mag sie, weil sie ein bisschen Querulant ist, hier und da gerne mal aneckt, aber damit auch etwas bewegt…
SWAN Magazine: Inspiration findest Du also eigentlich außerhalb der Fotografie…
Markus Schänzle: Ja genau. Ich mag z.B. The Voice Kids unheimlich. Das, was die Jury da leistet, wie authentisch die reagieren und wie kindgerecht dazu, finde ich bombastisch. Das berührt mich teilweise mehr, als der Gesang der Kinder – und der ist teilweise schon ganz großes Kino. Wenn ich sehe, wie Lena Meyer-Landrut auf die Kinder zugeht oder wie Mark Forster da als Lausbub in der Jury sitzt… das sind einfach Stories, die mich bewegen. Und wenn das erreicht ist, dann möchte ich diese Menschen auch vor meine Kamera bekommen.
SWAN Magazine: Markus, wir sagen von Herzen Dankeschön! Es war wie immer eine Freude, mit Dir zusammenzuarbeiten. Und wir sind schon gespannt, was wir als Nächstes von Dir zu sehen bekommen. Bleib so, wie Du bist. Und vor allem gesund!