Düsseldorf, Kö-Galerie, Leica Store. Wer in diesen Tagen Düsseldorf besucht, wird vermutlich das Rheinufer anstreben, durch die Altstadt schlendern, auf der Schadowstrasse shoppen oder sich am „Sehen und gesehen werden“ auf der Königsallee beteiligen wollen.
Nach vielen Monaten mit strengen COVID-Regeln ist das mehr als nur verständlich. Alles drängt nach draussen und die Temperaturen laden dazu auch herrlich ein. Wir haben es genauso gemacht und waren am frühen Samstagmorgen zur Ladenöffnung in Düsseldorf. Zuerst waren wir etwas shoppen, dann haben wir einen leckeren Espresso an der Strassenbar getrunken und den Menschen zugeschaut, die von Minute zu Minute mehr geworden sind. Ein herrlich sonniger Frühsommersamstag eben.
Ein Espresso: Ohne Zucker, ohne Milch. Schwarz!
Während wir am frisch gebrühten Espresso nippen, wandert unser Blick zuerst auf die Menschen, die fröhlich und befreit durch die Strassen schlendern. Weniger hastig, als an typischen Wochentagen. Eher die neu gewonnene Freiheit geniessend. Wo noch vor wenigen Wochen alle Menschen geschlossen FFP2-Masken trugen, fallen Maskenträgerinnen und -träger heute wieder auf.
Uns fällt noch etwas anderes auf: Dort, wo Geschäfte umgebaut oder geschlossen sind, hängen vielfach grossformatige Portraits von jungen Menschen, um hässliche Bauzäune zu verdecken und Werbung zu machen für die Shops, die hier schon bald eröffnen sollen. Was viele davon eint: Die Werbeplakate sind fast alle in Schwarzweiss – und stechen so (zwischen den oft sommerlich bunt gekleideten Menschen) farblich hervor. Apropos Farbe! Ist schwarz überhaupt eine Farbe?
Is Black a Color?
Dieser Frage wollen wir nachgehen. Und uns fällt ein, dass es da mal einen Fotografen gab, der mitten in unserer bunten Welt (vor einigen Jahren) über Nacht seinen persönlichen Slogan „Black and White only“ auf seine Website schrieb und alle seine Farbbilder von allen von ihm verwalteten Online-Profilen und -Kanälen konsequent löschte. Der Mann, der auch für andere Slogans bekannt ist (z.B. „Schärfe gibt’s beim Inder„) ist (man glaubt es kaum) erst seit wenigen Monaten auf diversen Ausstellungen aktiv. Unsere Leser wissen es längst: Die Rede ist von einem von fünf Künstlern, die wir in unserer Ausgabe 13 vorgestellt haben: Andreas Jorns. In Fachkreisen auch nur kurz „AJ“ genannt.
Unterwegs ohne Farbe
Sieht man von eifrigen Sammlern und den im Marketingdeutsch „First Movern“ einmal ab, so war Andreas vermutlich einer der ersten Fotografen, die die erste Leica Monochrom gekauft haben. Einer Kamera, bei der man nicht einen simulierten Picture Style auf Schwarzweiss umstellen kann und dann auf dem Display nur noch Schwarzweiss sieht, sondern eine Kamera, bei der man im Sucher Farbe sieht, deren Sensor aber gar keine Farbwerte ausspucken kann.
Genau dieser Mann hat erst kürzlich seine binnen kürzester Zeit X-te Ausstellung eröffnet. In Düsseldorf finden wir die bisher einzige Einzelausstellung, die wirklich nah an seinem Wohnort liegt: In der Leica Galerie Düsseldorf. Hier zeigt er die Retrospektive seiner Arbeiten aus den letzten zehn Jahren. Und die waren eben vornehmlich schwarzweiss.
Leica Store Düsseldorf
Vergleicht man den Düsseldorfer Leica Store mit seinen Namensvettern in München, Berlin, Zürich oder Wien, so besticht der „Leica-Pilgerort“ durch vornehme Sachlichkeit. So vornehm, dass die Zurückhaltung auch als „unscheinbar“ beschrieben werden kann. In der Kö-Galerie gelegen, ragt kein Hinweisschild aus der Wand heraus und auch kein Aufsteller steht Aufsehen-erweckend im Gang. Wir wissen, dass dies am Reglement des Mall-Betreibers liegt – schade ist es trotzdem.
Jedes Mal, wenn wir die Kö-Galerie Wir werden das Gefühl nicht los, dass man entweder gezielt diesem Store einen Besuch abstattet oder aber unbeachtet an ihm vorbeigeht. Das alles wird vom Headquarter in Wetzlar alles minutiös geplant sein, aber wir denken spontan, dass dieser Store etwas „lauter“ auftreten könnte und dennoch die Düsseldorfer Klientel nicht verschrecken würde.
Als wir den Store betreten, fühlen wir uns direkt heimisch. Der Leica-typische Style wurde auch hier konsequent umgesetzt. Uns schauen hier und da Kamerabodies und Objektive an, aber alles hält sich dezent im Hintergrund und Farben werden akzentuiert eingesetzt. Es ist ca. 11.30 Uhr, als wir den Store betreten und wir werden gewohnt freundlich vom Personal empfangen. Mit unserem SWAN-Poloshirt hat man uns direkt erkannt und zeigt uns den Weg zur Leica Galerie.
Leica Galerie Düsseldorf
Nur wenige Stufen tiefer sind wir in der Leica Galerie angekommen. Der wunderschöne Morgen und das herrliche Wetter draussen bescheren uns eine Galerie für uns alleine. Eine Traum-Ausgangslage für jeden Kunstliebhaber, der sich intensiv mit den ausgestellten Motiven beschäftigen möchte. Denn nichts und niemand lenkt ab.
Die Galerie selbst, die uns mit ihren stets besonderen Ausstellungen schon einige Male angelockt hat, kommt uns mittlerweile vertraut vor. Und auch einige der Motive, die uns direkt ins Auge stechen, sind eben doch typisch Andreas Jorns und trotzdem nicht alle bekannt, sondern teilweise neu (bzw. erstmals veröffentlicht). So wird unser Blick zuerst auf den grossen Bildschirm gelenkt, auf dem ein Film ohne Ton läuft: Andreas am Strand, im Studio. Mal mit Model, mal ohne. Und immer wieder mit seiner geliebten Leica M in der Hand. – Den Händen, in denen jede Leica winzig ausschaut… 😉
Uns lenkt der Film zu Beginn von den Motiven an der Wand ab. Weil bewegte Bilder eben um Aufmerksamkeit haschen. Aber auch, weil dort eine uns wohl bekannte Person die Hauptrolle spielt: Andreas selbst. Der Effekt des Bewegtbilder in der Ausstellung ist verblüffend. Er macht den Künstler nahbar und lässt begreifen, wie die Kunst entstanden ist, die rundherum zu sehen ist.
Natürlich hat der Film auch Ton. Doch obwohl wir ihn mit der Fernbedienung selbst einschalten könnten, verzichten wir bewusst darauf. Denn auch bei Führungen durch die Ausstellung wird der Ton reduziert oder gar ganz ausgeschaltet. Und das ist gut so.
Fotokunst in Fine Art Qualität
Nachdem diese Flatscreen-Ablenkung verpufft ist, befinden wir uns längst mitten in der Ausstellung drin und merken, wie uns nun die fotografischen Highlights ansprechen. Ungewöhnliche Schnitte, intime Blicke, besondere Posen, seltene Accessoires. Andreas‘ Bilder zeichnen eine klare Handschrift und ergänzen, was in Ausgabe 13 schon zu sehen war. Doch hier, auf Silbergelatineprints, entfalten die fotografischen Kunstwerke eine ganz besondere Wirkung. Sie ziehen den Betrachter in ihren Bann und schaffen etwas Einzigartiges: Wir erwischen uns dabei, wie wir versuchen, in die Ebene hinter dem Bild (also die gezeigten Personen selbst und ihre Gedanken) einzutauchen.
Gekonnt akzentuiertes Licht
Erst bei unserem zweiten Rundgang fällt uns auf, wie sehr doch das extrem feinsinnig justierte Licht die Wirkung der Fotos verstärkt. Auf den Punkt genau sitzt jede Lampe so, dass das Hauptmotiv hervorgehoben und das Drumherum in der Dunkelheit verschwindet.
Mehr und mehr fällt uns auf, wie viele Kleinstserien in dieser Ausstellung versteckt sind. Und uns fällt ebenfalls auf, wie gekonnt die sympathische Galeristin Ulla Born zusammen mit „AJ“ zwischen einzelne Serien Motive eingebaut hat, die wie eine Trennseite wirken, aber dennoch die Ausstellung nicht in einzelne Teile zerreissen. Die Kuration der Ausstellung gefällt uns besonders gut. Sie nutzt die Besonderheiten der Räumlichkeiten geschickt aus und lädt uns dazu ein, eine dritte und vierte Runde zu machen. Und tatsächlich: Auch wenn die Ausstellungsfläche nicht riesig ist, entdecken wir in den Motiven doch immer wieder etwas Neues.
Is Black really a Color?
Zugegeben: Auch wir wissen, dass Schwarz wissenschaftlich betrachtet nicht als Farbe gilt. Doch hier in der Ausstellung „Black is the Color“ wird das Schwarze und das Weisse zum Leben erweckt. Wir sehen zeitlose Fotokunst, die Emotionen weckt und selbst für eingefleischte Andreas Jorns-Fans noch die eine oder andere Überraschung bereithält.
Wer die Ausstellung intensiv betrachtet, der wird sich nicht die Frage stellen, ob Schwarz überhaupt eine Farbe ist. Im Gegenteil: Wer sich in der Leica Galerie länger als 30 Minuten aufgehalten hat, wird sich vermutlich eher fragen, ob es neben Schwarz überhaupt noch anderer Farben bedarf…
Zwei Bänke laden zum Verweilen ein
Ist es ein Geniestreich oder ist es ein Trick? – Wie dem auch sei: Wie auch schon bei früheren Ausstellungen, die wir hier besucht haben, entdecken wir uns selbst plötzlich auf einer der beiden Bänke. Erst wandert unser Blick noch einmal aus anderer Perspektive auf die an der Wand akribisch positionierten Fotomotive. Und dann wechselt unser Blick zuerst zum Bildband „Black is the Color“ und später dann zur ledernen schwarzen Leica-Mappe, die am Rande des Designerbänkchens liegt.
Hier finden wir alle ausgestellten Motive mit Informationen zum Druckverfahren, den Formaten und auch den Preisen der fotografischen Kunstwerke. Direkt neben der Kö gelegen, wo sich Edelboutiquen aneinanderreihen und im Keller eines Kameraherstellers, der zu den vermutlich hochpreisigsten Herstellern am Markt gehört, entdecken wir Preise, die uns überraschen. Mit nur 990 EUR starten die ersten Motive und schon bei 4.500 EUR ist das obere Ende der Fahnenstange erreicht. Klar, auch das ist Geld. Aber die hier gezeigten Kunstwerke sind eben keine Massenproduktionen, sondern allesamt auf zehn Stück limitierte Editionen.
Sammlereditionen
Hochwertige Silbergelatineprints, eine zeitlose Holzrahmung und ein entspiegeltes Glas sorgen für ein faires Preis-Leistungsverhältnis. Mehr noch: Wer befürchtet hat, die Fotokunst im Keller sei hochpreisiger als die Produkte im Erdgeschoss, wird eines besseren belehrt: Für den Betrag, den ein aktuelles M-Modell oben kostet, bekommt man unten in etwa drei fotografische Kunstwerke, die vermutlich ebenso zeitlos und wertstabil sind, wie Kameras und Objektive der Traditionsmarke Leica. Und wer das für sich persönlich realisiert, könnte geneigt sein, statt in Technik und Feinmechanik einfach zur Abwechslung mal in Kunst zu investieren.
Wer dazu gerade nicht das passende Kleingeld zur Hand hat, dem empfehlen wir „Black is the Color“ als Bildband. Diesen gibt es direkt in der Leica Galerie zu kaufen und ergänzt die einmalige Serie dieser Ausstellung um weitere Motive.
Der Bildband „Black is the Color“ ist im Gegensatz zu vielen Monografien aus dem Hause AJ auf der einen Seite sehr abwechslungsreich, auf der anderen Seite aber auch sehr fokussiert auf seine eigene Handschrift. Doch dazu in einem späteren Blogbeitrag mehr.
Unser Tipp
Wir empfehlen unseren Lesern gerne, die Leica Galerie noch während der Ausstellungsdauer (bis 20.08.2022) zu besuchen, um einzutauchen in die Fotokunst des bekennenden Leica-Fans. Wir empfehlen unseren Gästen aber, zuerst in die Leica Galerie zu gehen und dann zum Shopping durch die Stadt zu ziehen. Denn es könnte durchaus sein, dass der Besuch bei „Black is the Color“ ein Shopping-Prioritäten verändern könnte. Und es wäre doch ausgesprochen schade, wenn man ein geringwertiges Wirtschaftsgut käuflich erworben hat, wenn es doch auch eins von steigendem und bleibendem Wert sein könnte…
Doch auch für die Leica Galerie möchten wir einen ganz persönlichen Tipp platzieren: Nutzt die gute Beziehung des Hauses zu Mathieu Bitton und bittet ihn, AJ’s Hände mit einer M Monochrom in der Hand auf seine typische Art und Weise zu fotografieren und zeigt dieses Motiv grossformatig im Gang der Kö-Galerie direkt vor dem Eingang. Dieses Motiv wird dafür sorgen,
- dass mehr Menschen die Leica Galerie besuchen werden,
- dass mehr Menschen von dem besonderen haptischen Erlebnis einer Leica Kamera erfahren und
- dieses Motiv wird eine Brücke schlagen vom Handwerk Fotografie über den Film auf dem Flatscreen zur einzigartigen Fotokunst an der Wand.
Ja, wir wissen, dass dies vom Mall-Betreiber her nicht gestattet ist – doch wie sagte Henry Ford einst so schön? „Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.“ – So betrachtet hat Leica hier einfach alles richtig gemacht: Denn immer wieder gibt es Führungen mit Andreas Jorns und andere Programmpunkte, die die Ausstellung ergänzen und ein echter Publikumsmagnet sind. In welcher anderen Galerie bekommt man so oft die Gelegenheit, den Künstler persönlich vor Ort anzutreffen? – Und wenn er dann noch vor Ort seinen Bildband signiert, dann wir aus einem Ausstellungsbesuch gleich ein bleibendes Erlebnis.
Alle Termine mit Andreas Jorns werden übrigens im grossen Leica-Newsletter (Anmeldung über den Footer auf der Leica-Website) kommuniziert. Ulla Born, die engagierte Galeristin, ist fast jeden Tag vor Ort. Sie bietet auch individuelle Führungen an. Irre spannend zu beobachten, wie hier mit Hilfe kleiner Events die Aufmerksamkeit auf die Fotokunst gelegt wird. Ein Konzept zum Nachahmen.
Fazit
Unbedingt besuchen! Ob in der Mittagspause, bei einer Geschäftsreise, am Shopping-Samstag oder auch auf der Durchreise in den Urlaub. Diese Ausstellung wird jeden, der sich für Peoplefotografie in Schwarzweiss interessiert, berühren und inspirieren. Versprochen!