Vielleicht ist es ein Wahrnehmungsfehler, aber Ende 2017 sprach alle Welt über die analoge Fotografie. Das hielt rund ein Jahr lang an und nun ist es wieder etwas ruhiger geworden, um die „Patronen, die es früher an jedem Kiosk gab“.
Die schwarze Filmdose fällt heute auf
Früher gehörten die kleinen schwarzen Filmdosen in den Alltag. Spätestens, wenn die Urlaubszeit begann, tauchten die schwarzen Plastikdosen wieder überall auf. Klar, bei den Massenentwicklern (wie z.B. Schlecker damals) haben sie dafür gesorgt, dass überhaupt Männer in die Drogerie gingen.
Auch im Straßenbild hatten diese Filmdosen -auch bei Menschen, die selbst nicht fotografieren- eine laufende Verwendung. Die einen verwandten sie bei Radtouren als Behälter für einen eisernen Notgroschen (damals gab es ja noch kein Handy), die anderen nutzten sie (z.B. auf der Kölner Domplatte) als Pylonen, um darum mit den damals neuartigen Rollerskates Parcours zu stecken und diese abzufahren.
Nicht Besonderes
Überhaupt, diese Filmdosen waren damals nichts Besonderes. Sie hatten einen festen Platz im Alltag. Im Wohnzimmer, im Büro (um Büroklammern aufzubewahren), im Urlaub, selbst im Kühlschrank (dem nach wie vor besten Aufbewahrungsort).
Ganze Regale waren gefüllt mit diesen Kistchen und Tüten, die man bekam, wenn ein Film aus der Entwicklung abholte.
Doch dann kam der Siegeszug der Digitalfotografie. Während im Jahr 2000 noch das Jahr war, in dem die meisten analogen Filme weltweit verkauft wurden, war bereits vier Jahre später eine deutliche Trendwende zu verspüren. Die IXUS-Serie von Canon (sie ist nur ein Beispiel, aber vermutlich das Bekannteste) war schon zu analogen Zeiten ein Erfolg und hat auch bei APS-Filmen (die die Möglichkeit boten, verschiedene Fotoformate mit ein und dem gleichen Film zu schießen) einen Trend gesetzt. Doch der richtige Durchbruch kam erst mit der Digitalfotografie.
Und heute? Nach Millionenverkäufen in den ersten 10 Jahren des neuen Jahrtausends, spielt dieses Kamerasegment seit 2010 eine sinkende Rolle. Heute ist eine Ixus im Straßenbild fast retro. Das Smartphone hat in der Bildqualität so deutlich aufgeholt, dass das Segment der handlichen Kompaktkameras fast gänzlich vom Markt verschwunden ist.
Inflation des Bildes
Was beim Geld als Geldentwertung bezeichnet wird, lässt sich auch auf die Fotografie übertragen. Mit inflationär steigender Anzahl an Bilder ist der Wert des einzelnen Bildes deutlich gesunken. Auch ist die Anzahl der Fotografen exponential gestiegen. Solche Effekte führen meist zu einer Rückbesinnung auf alte Tugenden.
Alte Autos aus den 60er und 70er Jahren üben bereits heute einen großen Reiz aus. Und so ist es auch mit analogen Kameras. Schließlich gilt für die meisten unserer Kinder heute, dass sie sich gar nicht mehr vorstellen können, dass man ein Bild, das gerade geschossen wurde, gar nicht direkt auf einem Display anschauen kann, sondern erst in die Entwicklung geben muss…
Rückbesinnung auf die analoge Fotografie
Die Rückbesinnung auf die analoge Fotografie ist dabei nicht nur ein Trend unter Retrofans, sondern vor allem unter erfahreneren Fotografen. Jahre nach der Einführung digitaler Kameras werden immer mehr analoge Schätzchen auf den Gebrauchtmarkt gespült, die voll funktionstüchtig sind, aber kaum mehr einen angemessenen Preis erzielen können (Ausnahme: Rare Sammlerobjekte).
Eine digitale Spiegelreflexkamera mit Objektiv für 50 EUR? Kein Problem bei ebay und Co. Klar, ganz seltene Schätze werden weiterhin hoch gehandelt, aber manche Kamera wird definitiv unter Wert verkauft.
Gerade diejenigen Kamerabodies, die kurz vor dem Siegeszug der Digitalkameratechnik auf den Markt kamen, sind durchaus interessante Youngtimer. Wenig benutzt, oft in tadellosem Zustand und für kleines Geld zu haben. Dabei bieten sie schon moderne Technik (mehrere Fokusfelder oder sogar Eye-Tracking) und sind voll kompatibel mit den aktuellen Objektiven. Gut, mit der neuesten Generation (z.B. Nikon Z, Canon RF, L-Mount-Alliance) an Objektiven dann nicht mehr, aber auch dieser Trend zu neuen Bajonetten verspricht, dass es bald sehr günstig exzellente Objektive gibt, die noch vor einem Jahr State-of-the-Art waren und zudem mit nach wie vor (auf dem Zweitmarkt) erhältlichen Analogkameras kompatibel sind.
Warum analog?
Warum man analog fotografieren sollte, lässt sich wohl kaum pauschal sagen. Schon das Wörtchen „sollte“ passt ja gar nicht. Doch es gibt Gründe, die für die analoge Fotografie sprechen. Die Überraschung (ist das Bild nun etwas geworden oder nicht) allein ist es sicher nicht. Und z.B. in der Hochzeitsfotografie ist die Digitalfotografie ein Segen! Ist nämlich ein Bild nichts geworden, kann man meist recht schnell ein neues Bild machen – während es vermutlich schwierig wäre, die Hochzeitsgesellschaft nach Entwicklung der unterbelichteten Filme noch einmal komplett zusammenzubringen…
Doch was spricht für analoge Fotografie?
Nun, die Bildanmutung ist eine andere. Darüber lässt sich vortrefflich streiten, aber das was Digitalfotografen Presets nennen, das war früher ein anderer Film, den man einsetzen konnte (wenn denn der ganze Film vollständig belichtet war oder man eine mobile Dunkelkammer zum Wechseln dabei hatte).
Analogfotografie ist aber auch die Wiederentdeckung der Langsamkeit. Mit der Digitalfotografie und den neuerlichen Serienbildgeschwindigkeiten ist es heute ein Leichtes, einen auf dem See startenden Vogel in spannender Perspektive abzubilden. Einfach draufhalten und das beste Bild nehmen. Zu analogen Zeiten, gerade dann, wenn der Film an der Kamera manuell weitergedreht werden muss, ist der Vogel weg, bevor man das zweite Mal fokussiert hat.
Das macht Analogfotografen langsamer. Aber auch überlegter! Sie müssen vorhersehen, wann der spannendste Moment ist, um den startenden Vogel abzulichten, da sie nicht mit jeder Kamera mehrere Bilder pro Sekunde machen können.
Das analoge Fotografieren macht aber auch selektiver. Man drückt nicht einfach wahllos ab und macht hunderte Fotos, sondern man setzt den Auslöseknopf viel bewusster ein. Am Ende führt dies zu weniger Bildern. Aber auch dazu, dass ich der Fotograf an jedes einzelne Bild (und den Moment der Entstehung) besser erinnern kann.
Ein bißchen wie Angeln
Analoge Fotografie ist ein bißchen wie Angeln. Man fotografiert bewusster. Man nimmt sich mehr Zeit für die Fotografie. Und man lässt auch etwas geschehen, bevor man überhaupt die Kamera aus der Tasche nimmt oder auslöst.
Vielleicht ist analoge Fotografie auch ein wenig wie eine Taufe, bei der der Tisch feierlich geschmückt wird und jedes Accessoire sorgfältig positioniert wird, bevor die Gäste kommen.
Die Limitierung der Bildanzahl sorgt für eine bewusstere Motivsuche. Und der höhere Preis pro Bild unterstreicht diesen Effekt.
Tipp für analoge Wiedereinsteiger
Jeder, der Lust darauf hat, in die Analogfotografie einzusteigen, stellt sich sicherlich einige Fragen. Doch es gibt im Prinzip zwei, die von ganz zentraler Bedeutung sind, damit die analoge Fotografie Spaß machen kann.
Erstens: Welche Kamera kaufen?
Damit die analoge Fotografie das Portemonnaie nicht übermässig belastet, ist der einfachste Tipp für jeden, der selbst eine digitale Spiegelreflexkamera besitzt, einen Kamerabody zu kaufen, der mit den eigenen Objektiven kombinierbar ist. So bleibt der finanzielle Aufwand gering und die geliebten eigenen Objektive können gleich auf beiden Kamerabodies zum Einsatz kommen.
Zweitens: Welche Filme kaufen?
Filme sind eine Wissenschaft für sich. Ob es klassische Filme sein sollen oder Diafilme ist sicherlich eine Frage. Ob Farbe oder schwarzweiss die nächste Frage. Und die Dritte Frage geht sicherlich nach dem Hersteller. Wobei die vierte Frage dann zum konkreten Film des Herstellers führt.
Wir empfehlen etwas anderes: Starte mit kleinen Filmen! Art und Hersteller sind erstmal egal. Wichtiger ist, dass Du 12er Filme kaufst und nicht denkst, Du hättest mit einem 36er Film einen Vorteil. Das Gegenteil ist nämlich der Fall. Die meisten Fotografen nehmen nämlich ihre neue Analogkamera nur als Zusatzbody mit zum Shooting und machen die meisten Bilder digital. Wer so handelt, läuft Gefahr, am Ende des Shootings einen 36er Analogfilm nicht befüllt zu haben. Und dann bleibt er womöglich ewig teilbelichtet in der Kamera. Kein guter Plan, da man so den Spaß an der analogen Fotografie nicht gewinnen kann. Der 12er Film zwingt den Fotografen dazu, zwölf exzellente Motive (unterschiedliche) zu finden. Dies ist auch für mittelprächtig kreative Menschen realisierbar. Bei 36 Motiven wird es schon schwieriger…
Batterie nicht vergessen
Der Digitalfotograf geht klassischerweise nicht ohne geladene Akkus und geleerte Speicherkarten aus dem Haus. Ein Glück, dass man darauf bei der Analogfotografie nicht achten muss. – Weit gefehlt! Da kein Display da ist, brauchen die analogen Kameras nicht so viel Strom… aber eine Knopfzelle haben doch fast alle. Und die bekommt man leider nicht mehr an jeder Ecke. Von daher gilt hier: Vorher die Batterie wechseln. Und auch wenn wir von früher wissen, dass eine solche Batterie gut und gerne zwei Jahre halten kann, so ist es doch sinnvoll, bei einer neu erworbenen (gebrauchten) Analogkamera als erstes die Batterie zu wechseln und auch eine Ersatzbatterie in die Kameratasche zu stecken.
Und dann?
Ja und dann muss man einfach loslegen. Einfach hemmungslos mit dem „guten alten Schätzchen“ fotografieren. Am besten sogar, ohne die digitale Kamera als Backup in der Fototasche zu haben. Denn dann wird die Fototasche schwer und man glaubt, es sei die analoge Kamera schuld… Doch das Gegenteil ist der Fall: Das mangelnde Vertrauen in die analoge Technik sorgt dafür, dass wir die digitale Technik zusätzlich mitnehmen. Und das allein sorgt für Zusatzgewicht…
Zitat: Unbekannter Autor
Der Film ist nicht tot, er riecht eben nur etwas komisch.