Frühlingsanfang. Vier Grad Aussentemperatur und der Nieselregen fliegt waagerecht. Die Menschen tragen Schirme und werden dennoch nass. Sie blicken nach unten, um den Pfützen aus dem Weg zu gehen. Frühlingshafte Stimmung kommt aktuell wirklich nicht auf. Düstere Gesichter – passend zum Dauergrau da draussen. Da kommt „Truth is dead“ genau richtig…

Zu Besuch in Düsseldorf
Wir nutzen den grauen Tag für einen Besuch im NRW Forum. Schräg gegenüber, im Kunstpalast, stehen die Menschen im Regen an, um an diesem frühen Sonntagmorgen ins Innere des überwiegend verhüllten Gebäudes zu kommen. Warum? Refik Anadol ist heute persönlich im Kunstpalast und führt durch seine aktuelle Ausstellung Machine Hallucinations. Der Kunstpalast, der sonst überwiegend verstorbene Künstler zeigt, wird also auch jünger und das Publikum kommt. Denn Refik Anadol ist Baujahr 1985 – im Vergleich zu vielen anderen Künstlern also ein regelrechter Youngster.

Das NRW Forum
Grundsätzlich richtet sich das NRW Forum an ein jüngeres Publikum und setzt dazu vor allem auf Fotografie, Pop und digitale Kultur. Heute widmen wir uns der Ausstellung „Truth is dead“. Sie hat vor gut einer Woche ihre Pforten geöffnet und ist noch bis zum 14. Mai 2023 geöffnet. Die Ausstellung legt den Fokus auf das Thema, von dem viele Illustrierte (Zeitschriften) im letzten Jahrhundert wunderbar gelebt haben: Der Neugierde an dem, was Prominente so tun (oder tun lassen).

Truth is dead
Die 1960 ca. 120 km südwestlich vom Buckingham Palace geborene Alison Jackson hat bereits weltweit Skulpturen, Portraits und Videos ausgestellt. Und das in namhaften Häusern wie dem Pariser Centre Pompidou oder dem San Fransisco Museum of Modern Art.
Hier im NRW Forum zeigt Alison Jackson, wie Prominente aus aller Welt in den Medien dargestellt werden und weckt die eine oder andere aufmerksamkeitsstarke Erinnerung in uns. Viele Megastars zeigt Alison Jackson nur mit einem einzigen Bild. Aber der Megastar der Ausstellung ist und bleibt Donald Trump. Der Mann, der einst das mächtigste Land der Welt regierte, bietet mit alledem, womit er in die Öffentlichkeit drängte, einfach mit Abstand die grösste Projektionsfläche. Und so sorgen zahlreiche Motive des „Goldschopfes“ für ein breites Grinsen im Publikum, das das Dauergrau da draussen schnell vergessen werden lässt.
Mit Abstand auf Rang zwei, aber für eine gebürtige Engländerin gehört sich dies auch nicht anders, folgt die Royal Family.

Eine zentrale Rolle, wenn nicht gar den Dreh- und Angelpunkt der Ausstellung stellt die Dokumentation von Alison Jackson dar, die im Grossformat (aber auffallend leisem Ton) in der Mitte der Ausstellung gezeigt wird.
Doch schon vorher führt kein Weg vorbei an der täuschend echt wirkenden Donald Trump in einer Pose, die er vermutlich selbst gerne als Plakat drucken lassen würde, um seine Macht bestmöglich zu publizieren. Vor lauter Blick auf die Hauptszene dieser skulpturalen Darstellung bleibt vielen Besuchern vermutlich das spannende „Beinkleid“ des Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Denn dahinter lenkt eine riesige Videoinstallation minimal ab.

Nur wenige Meter weiter hängt überproportional gross eine „Bettszene“ von William und Kate. Sie beide sitzen Burger-essend im Bett, traditionelle Cord-Kissen hinter ihnen und mit dem Buch von Prince Harry in der Hand. Zwischen amüsiert und angewiedert sind die Gesichtsausdrücke der beiden Royals. Und natürlich handelt es sich um Doubles – aber eben diese inszenierten Bilder unterstützen das Kopfkino, das viele Menschen bei dem Trash, der gerade in der Royal Family passiert, tatsächlich täglich haben, wenn eine neue Episode der königlichen Familie in den Medien auftaucht.
Dass nur wenig daneben die erst kürzlich verstorbene Majestät dieses Königshauses von hinten dabei gezeigt wird, wie sie -begleitet von ihren Hunden- an einem Pferdegatter steht und dem Geschlechtsakt zweier Kaltblüter zuschaut, stösst hier nicht an, sondern passt zu dem Gesamtbild, dass Alison Jackson hier aufzeigt: Ist das, was wir in den Medien sehen, nicht alles Fake News?

Die Grenzen zwischen Realität und Wirklichkeit verschwimmen
Ja, diese Überschrift wirkt verwirrend. Keine Frage. Aber können wir noch unterscheiden, was Realität ist und was eine von Menschenhand erschaffene Wirklichkeit ist, die mit der Realität eben wenig zu tun hat?
Anders gefragt: Spielt es überhaupt eine Rolle, ob das Bild, das Lady Diana in Überlebensgrösse mit ihrem Stinkefinger vor dem Gesicht zeigt, tatsächlich sie selbst oder eben ein Double zeigt? Geht es nicht eh viel mehr um die Botschaft, die hinter diesem Bild steckt?
Und was heisst das alles überhaupt für die Fotografie? Wieviel Wahrheit steckt in ihr drin, wenn jedes Bild, bevor es irgendwo gezeigt wird, entweder von Menschenhand mit Photoshop oder aber von KI (künstlicher Intelligenz) algorithmusbasiert „optimiert“ wird. Wie realitätsnah ist die Fotografie im digitalen Zeitalter noch? Ist das Medium überhaupt noch dazu geeignet, den Anspruch einer wahrheitsgemässen Darstellung zu erfüllen?

Führe mich hinter’s Licht
Spannend ist der Vergleich zwischen Donald Trump und Barack Obama. Beide Präsidenten tauchen in der Ausstellung auf. Aber Barack Obama nur einmal, während Donald Trump unbestritten das Motiv Nr. 1 ist. Der Mann, der „Fake News“ nachrichtenfähig gemacht hat, sorgt hier für reichlich Lacher. Und so wird der graue Sonntag hier im NRW Forum zu einem wundervoll amüsanten Museumsbesuch. Eine optimale Tätigkeit für düstere Tage, die man mit dem herrlichen Kuchen, den es im NRW Forum stets gibt, nur noch weiter aufhellen kann. Herzliche Einladung zum Besuch.
Zusammenfassung in einem Video
Wer die Ausstellung „Truth is dead“ nicht selbst besuchen kann, aber die Kernbotschaft in 3:44 min zusammengefasst anschauen will, der braucht eigentlich nur (das übrigens im NRW Forum gezeigte) Video von Duran Duran mit dem Namen „Anniversary“ anzuschauen. Dieses Video drehte Alison Jackson zum 40jährigen Bandjubiläum im Jahr 2021. Sogar die Queen ist zu sehen…