In der Fotoszene, besonders in Deutschland, ist Thomas Gerwers bekannt, wie ein bunter Hund. Er geht bei den grossen Herstellern ein und aus und ist zusätzlich als Kurator bei Fotowettbewerben aktiv. Doch damit nicht genug: Thomas ist nicht nur Chefredakteur der renommierten Fachzeitschrift ProfiFoto, sondern zudem Vorsitzender der Technical Image Press Association – besser bekannt unter der Abkürzung TIPA. Weitaus weniger bekannt ist, dass Thomas Gerwers auch selbst fotografiert. Sein aktuelles Projekt: Musa Erato.
Seine grosse Fotostrecke, mit der er in der Ausgabe 09 des SWAN Magazines erstmals als Fotograf in die öffentliche Wahrnehmung drängte, hört auf den Namen „Musa Erato„. Zwischenzeitlich ist zu dieser Serie ein eigener (gleichnamiger) Bildband erschienen. Wir sprechen heute mit Thomas über seine fotografischen Projekte und schweifen dabei immer wieder in spannende Zusatzthemen ab…
SWAN Magazine: Thomas, herzlich Willkommen hier bei uns im Blog. Wir freuen uns sehr, heute mit Dir ein kleines Interview zu führen, das das unser Interview in Ausgabe 09 ergänzt und ein paar zusätzliche Informationen über Deine Kunst und Deine künstlerischen Ambitionen gibt.
Mit Musa Erato bist Du nicht nur im SWAN Magazine vertreten, sondern hast mit der PhotoPopupFair auch die öffentliche Bühne gesucht. Corona-bedingt konnte diese ganz besondere Veranstaltung noch nicht ihre Pforten öffnen. Das bedauern wir alle sehr. Doch das reichte Dir nicht: Du hast fast zeitgleich auch noch einen Bildband zur Serie auf den Markt gebracht. Bevor wir da inhaltlich einsteigen: Wie wichtig ist das gedruckte Bild im digitalen Zeitalter?
Thomas Gerwers: Fotografie ist ein Medium, dessen Aufstieg ganz eng verbunden war mit der Möglichkeit, Bilder auf Papier zu vervielfältigen. Heute ist das anders. Aber ich beobachte mit Freude, dass es immer mehr Fotografen gibt, die ihre Kunstwerke nicht mehr dem „Monster Internet“ quasi „zum Frass hinwerfen wollen“.
Das Problem ist ja: Wir gehen abends schlafen und erwarten morgens beim Aufstehen schon wieder neuen Content im Web. Und das jeden Tag. Nicht montags bis freitags, sondern 365 Tage im Jahr. Und am liebsten 24 Stunden pro Tag.
Ich nenne das Internet deswegen „Monster“, weil es irre gefrässig ist. Ich vermute, dass täglich weltweit Milliarden Bilder ins Internet hochgeladen werden. Das einzelne Bild hat also auf diesem Medium keinen echten Wert mehr. Das beste, was dir als Fotograf mit deinen Bildern passieren kann, ist also, dass dein Bild unter tausenden Anderen zum „Thumbstopper“ wird. Also dass der ständig scrollende Daumen für einen kurzen Moment inne hält, damit das Auge und der Kopf überhaupt die Gelegenheit bekommen, das einzelne Bild wahrzunehmen.
Was ich für mich entdeckt habe, ist, selbst zu drucken. Und ich meine damit nicht nur klassische Inkjet-Fotodrucker, sondern ich habe zuletzt ganz bewusst einzelne Motive im Platinum-Druckverfahren printen lassen. Aber nicht nur das. Auch mein kleiner Instax-Sofortbilddrucker ist ständig an meiner Seite. Ich nutze den FujiFilm Instax Square – ich mag das Format. Das ist eine wunderbare Reminiszenz an die alten Hasselblad, Rolleiflex und Co. Was ich bei den kleinen Instax-Druckern spannend finde, ist die Tatsache, dass man dann, wenn man ein Bild in die spezielle App zum Drucken hereinlädt, sich nochmal neu mit den Bildern beschäftigen muss, weil das Ausgangsmaterial einfach nie quadratisch ist. Man schaut auf die eigenen Werke mit ganz anderen Augen. Super finde ich auch, dass man dieses kleine Format zum Anlass nehmen kann, nur ganz besondere Ausschnitte eines Bildes zu drucken. Oder sogar aus einem Bild heraus mehrere Bildteile. So entsteht nochmal etwas ganz anderes!
Ich editiere zur Zeit auch viele alte Bilder komplett neu und drucke sie auf japanischem Washi-Papier. Sicherlich nicht alle – aber bestimmte Bilder verdienen es einfach, gedruckt zu werden.
Wie ich mit gedruckten Bildern spiele, zeigt vielleicht auch Folgendes: Ich habe mir Passepartouts in 30 x 40 cm machen lassen, die zwei Ausschnitte nebeneinander haben, in die ich meine quadratischen Instax-Fotos einsetzen kann. Irre spannend, welche neue Perspektive sich alleine dadurch ergeben kann. Ich überlege z.B. gerade, ob ich nicht einmal eine Ausstellung mit diesen Rahmen machen soll. Bilder in DIN A3 und DIN A2 macht ja heute jeder. Mit diesen kleinen Formaten zwinge ich den Betrachter, sich viel intensiver mit den Werken auseinanderzusetzen.
SWAN Magazine: Welchen Trend siehst Du da? Gibt es eine Rückbesinnung auf das analoge Bild oder werden digitale Medien das gedruckte Bild im Massenmarkt vollständig verdrängen?
Thomas Gerwers: Ich denke wir vermischen da zwei Fragen. Das gedruckte Bild ist ja nicht zwingend analog entstanden. Und die meisten digitalen Bilder enden im Datensumpf auf Speichermedien und werden nie das Licht der Welt erblicken – was schade ist, aber für viele Bilder sicherlich völlig ok. Denn die Digitalität hat vor allem die Masse an Bildern, die Fotografen produzieren, in die Höhe schnellen lassen.
Aber ich rate jedem Fotografen, von einem Shooting oder einer Serie eine sehr strenge Bildauswahl zu machen und die besten Bilder dann zu drucken. Denn wer die Bilder druckt, der beschäftigt sich viel intensiver mit den Bildern und wird Dinge entdecken, die er am Bildschirm gar nicht wahrgenommen hätte. Selbst die Einschätzung, welches Bild nun das Beste geworden ist, ändert sich of ganz deutlich, wenn sie dann gedruckt vor dir liegen. Ich sage immer: Jeder Fotograf sollte von 1.000 Bildern, die er macht, die besten 20 Fotos auch professionell drucken. Wer das nicht macht, macht einen grossen Fehler – in meinen Augen.
Der zweite Teil der Frage ging ja Richtung analog. Ich mag ja Bilder, denen man wirklich ansieht, dass sie analog entstanden sind. Aber: Bei den meisten Bildern, die heute analog geschossen werden, sieht man es nicht. Das gilt umgekehrt auch beim Druck. Ich habe selbst erlebt, dass ich sicher war, vor einem Silberhalogenid-Print zu stehen – aber ich lag falsch. Es war ein Tintenstrahldruck. Ich mag aber den Trend zum Analogen hin. Mich faszinieren ja unheimlich diese Kollodium-Nassplatten. Darüber habt ihr ja auch schon in Ausgabe 07 berichtet. Da ist jedes Bild ein Unikat. Einfach herrlich. Und dieser Look. Das ist einfach atemberaubend schön.
Ich mag auch die Bildwirkung, die dadurch entsteht, dass dass das Negativ ein Grossformat ist. Schau dir die Bilder von Jock Sturges an. Da sieht man, dass Kameratechnik doch nicht zu 100% austauschbar ist. Jock arbeitet mit 8 x 10 Inch Kameras. Bei der „Sensorgrösse“ ist ja nicht nur der Schärfebereich fantastisch gering, sondern vor allem der Bereich der Unschärfe geht so soft nach hinten weg, dass es aussieht, wie gemalt. Auch deshalb wirken seine Bilder so besonders. Das geht mit Kleinbildformat einfach nicht.
Es gibt also Gründe, wegen denen mich die analoge Fotografie fasziniert. Aber ich habe es selbst probiert. So sehr ich die Bilder mag, so wenig ist die analoge Fotografie etwas für mich. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich selbst nicht entwickele. Ich mag in meinen Bildern einfach ein tiefes Schwarz und ein strahlendes Weiss. Aber oft habe ich von Laboren nur Grautöne zurückbekommen.
SWAN Magazine: Gehen wir weg vom Massenmarkt, hin zur Kunst. Wie wichtig ist das gedruckte Bild -also die Fotografie- da? Hat sie langfristig eine realistische Chance neben der Malerei, der Bildhauerei und anderen Kunstformen? Keine andere Kunstform ist doch so stark von der Digitalität und damit von der einfachen Kopierbarkeit betroffen…
Thomas Gerwers: Also das ist ein superspannender Themenbereich. Danke für diese Frage!
Grundsätzlich ist es ja so, dass Fotografie im Kunstmarkt heute etabliert ist und keiner mehr die Frage nach der Existenzberechtigung stellt. Wenn man den Kunstmarkt näher betrachtet, dann muss man diesen Markt einfach in verschiedene Bereiche trennen. Es gibt nämlich einen Kunstmarkt, in dem es nicht um ästhetische Aspekte geht, sondern um Investments. Dort treten die Marktteilnehmer auch ganz anders auf, als das ein normaler Fotograf tut. Der Investor sucht nämlich nach Kunst, die relativ sicher einer Wertsteigerung unterliegt. Und da Angebot und Nachfrage über den Preis bestimmen, funktioniert der Kunstmarkt nach ähnlichen Prinzipien, wie der Aktienmarkt. Jedoch: Der Finanzmarkt ist streng reguliert. Der Kunstmarkt nicht.
Anders ausgedrückt: Wäre der Kunstmarkt so stark reguliert und kontrolliert, wie der Finanzmarkt, wären einige Kunsthändler und Galeristen hinter schwedischen Gardinen zu besichtigen. Aber das war nicht die Frage. Deswegen zurück zum Thema. Der Kunstmarkt, von dem ich hier spreche, beginnt bei rund 500.000 EUR für ein Foto und geht mit Leichtigkeit in die Millionen. Also sprechen wir über einen Investorenmarkt, also Sammler, die meist die Fotografie in Kombination mit Kunstformen sammeln – wie ein gut strukturiertes Investmentdepot eben auch nicht nur Aktien eines Anbieters beinhaltet, sondern auch Anleihen, etwas Cash und auch Rohstoffe.
Ich grenze diesen Bereich (dem besseren Verständnis wegen) gerne ganz brutal von dem ab, womit sich die meisten Fotografen beschäftigen. Ich nenne diesen Bereich ganz plastisch „Wanddekoration“. Nicht, weil ich Fotografen degradieren möchte oder ihre Werke mit Massenprodukten von Möbelhäusern in eine Ecke bringen will, sondern um deutlich zu machen, dass es zwischen Investment und Wanddeko einen riesigen Graben gibt.
Vielleicht sollte ich das noch etwas deutlicher machen. Es gibt ja einen Bereich der Fotografie, wo ein einzelnes Bild durchaus weit über 1.000 EUR liegt, ja sogar 25.000 EUR übersteigt. Das sind durchaus auch schon Motive, die mehr als nur gefallen müssen. Da geht es um Selbstverwirklichung. Da wollen die Besitzer etwas haben, was der Nachbar eben nicht im Haus hängen hat. Aber selbst bei Preisen von um die 10.000 EUR pro Bild ist der Kaufgrund zumeist nicht dadurch gegeben, dass sich der Käufer eine Wertsteigerung ausmalt und das Bild später verkaufen oder gar von Ausstellung zu Ausstellung auf Tournee schicken will. Das ist im echten Kunstbereich anders.
Gerade dieses mittlere Segment ist ja durchaus für Fotografen attraktiv, weil es immer Menschen gibt, die an ihrer Wand etwas besonderes hängen haben wollen. Und ich kenne einige Fotografen, bei denen das als Geschäftsmodell auch funktioniert. Aber schon in diesem Bereich ist es wichtig, über eine Limitierung der Bilder nachzudenken – auch wenn sie im Zweifelsfall keiner prüfen kann.
Für den echten Kunstmarkt entwickelt sich gerade etwas, was mich total fasziniert. Das nennt man NFT – also „non-fungible token“ – auf deutsch „nicht austauschbare Token“. Dabei wird einer Bilddatei ein einzigartiges Zertifikat hinzugefügt, das sich aus der Datei nicht mehr lösen lässt und über die Blockchain verwaltet wird. Wenn sich das durchsetzt -und davon gehe ich im High End Bereich aus- dann werden auf Kunstauktionen künftig keine Fotoprints mehr gehandelt, sondern mit Dateien. Was heisst das? Man erklärt eine Datei mit Hilfe dieser Technologie zum Original und kann sofort jede Kopie als Plagiat identifizieren.
Ob Anbieter von Kunsteditionen ein Bild mehr oder eins weniger drucken, kann doch schlussendlich niemand prüfen. Das ist eine Vertrauensfrage. Mit der NFT-Technologie brauchen die Menschen nicht mehr blind vertrauen, sondern bekommen Sicherheit.
Ein gutes Beispiel ist ja Éric Pfrunder. Er war bei den Shootings von Karl Lagerfeld stets dabei. Als „Directeur de l’Image“ hat er Lagerfeld’s Modeshootings vorbereitet und begleitet. 36 Jahre lang als sein persönlicher Fotoassistent. Éric ist heute verantwortlich für die Fotos von Karl Lagerfeld und verwaltet das fotografische Erbe des Chanel Designers.
Éric Pfrunder digitalisiert derzeit nicht nur mehr als 80.000 Negative, sondern er registriert jedes einzelne Bild von Lagerfeld in der Blockchain. Wie sehr sich die Welt an dieser Stelle gerade verändert, zeigt auch eine Auktion bei Christie’s: Erstmals wurde für irrsinnig viel Geld ein JPG versteigert, das es als Print gar nicht gibt. Und davon gibt es schon jetzt mehrere Beispiele. Wir sind also an einem Punkt angekommen, wo man für Kunst in Form von Dateien Geld ausgibt. – Momentan ist es noch recht aufwändig, ein Bild in der Blockchain zu registrieren. Aber auch das wird einfacher werden. Und zwar schneller, als wir denken.
Dazu abschliessend noch ein Gedankenanstoss: Auch ich werde meine Bilder in Zukunft in der Blockchain registrieren lassen, sobald das einfacher und günstiger möglich ist. Nicht, weil ich glaube, dass ich dadurch reich werde oder meine Bilder mehr Käufer finden. Nein! Ich werde das machen, weil ich so eineindeutig dokumentieren kann, wem diese Bilder gehören. Da geht es nur um künstlerisches Eigentum. Und klar, das muss man nicht mit jedem Foto machen. Aber mit den 20 guten von 1.000, die man auch drucken wird, sollte man das schon bald tun.
SWAN Magazine: Kommen wir zu Deinem Buch. Ist Musa Erato Dein erster Bildband?
Thomas Gerwers: Musa Erato ist mein erster Bildband, der sich mit Peoplefotografie beschäftigt. Wer mich kennt, weiss ja, dass meine zweite Leidenschaft Oldtimer sind. Zu dem Thema habe ich vor rund fünf Jahren schon ein Buch publiziert. Das Buch hört auf den spannenden Namen „Classic Car Porn“ und ist in Zusammenarbeit mit meiner Frau Petra entstanden. In dem Buch sind die meisten Fotos von Petra. Bei Musa Erato sind alle Fotos von mir.
SWAN Magazine: Deine Popularität in der Fotoszene ist riesig und manch ein Fotograf wäre froh, wenn er nur halb so bekannt wäre, wie Du. Auf der anderen Seite verband man Deinen Namen bisher nicht mit Fotokunst, sondern eher mit Fototechnik. Hilft Dir die Bekanntheit in der Technikecke, um in der Kunstecke erfolgreich Dein Buch zu vermarkten?
Thomas Gerwers: Das ist vor allem eine Frage, wie sehr man bestehende Beziehungen nutzt oder eben nicht. Logisch hätte ich die Möglichkeit, die ProfiFoto und mein langjähriges Netzwerk dazu zu nutzen, um mit meinem Buch grosse Umsätze zu machen. Doch man muss immer auch die Kehrseite sehen. Wie würde das auf die ProfiFoto-Leser, aber auch die Unternehmen wirken, die ProfiFoto als Werbeplattform für ihre Produkte nutzen?
Was ich sehr spannend finde, ist, dass ich für dieses Buch gerade ein sehr tolles Feedback bekomme. Auch von Menschen, von denen ich das gar nicht erwartet hätte. Ich weiss aber auch, dass es Menschen gibt, die sich darüber eher das Maul zerreissen. Kunst -und auch der Künstler selbst- darf ja polarisieren und das funktioniert sehr gut. Doch zurück zur Frage: Ich glaube schon, dass es für einen unbekannten Fotografen viel schwieriger ist, eine ähnliche Publicity zu erreichen, als ich die recht schnell bekommen habe. Ich freue mich zum Beispiel sehr darüber, dass FotoTV Interesse an einem Interview mit Petra und mir hatte und dieses direkt nach der Veröffentlichung auch zu Bestellungen geführt hat. Und natürlich ist es mir bewusst, dass das Interesse von FotoTV auch etwas damit zu tun hat, dass Marc Ludwig mich schon seit langer Zeit kennt, wir uns immer wieder auf Fotoveranstaltungen treffen. Das gibt mir sicherlich eine einfachere Ausgangslage, als anderen Fotografen. Aber dafür bin ich nahezu nicht auf Social Media aktiv mit meinem Bildband.
Viel wichtiger ist vermutlich, dass mir mein Name hier und da die Türen zu Locations öffnet, an die ich sonst nicht herankommen könnte. Gerade weil ich in meiner Fotografie besonderen Wert auf Locations lege und einzigartige Architektur und besondere Lichtsituationen bevorzuge, profitiere ich da natürlich von meiner Bekanntheit. Aber jede Tür öffnet sich dennoch noch lange nicht für mich.
SWAN Magazine: Auch wenn Musa Erato noch nicht lange auf dem Markt ist: Welche Tipps kannst Du anderen Fotografen mitgeben, die ebenfalls über einen Bildband nachdenken?
Thomas Gerwers: Jeder Fotograf sollte Bildbände machen! Man sollte dabei aber unterscheiden: Einen Bildband zu machen ist nämlich nicht das Gleiche, wie einen Bildband zu veröffentlichen! Ich empfehle, dass jeder Fotograf selbst Bildbände machen sollte. Warum? Weil man dann als Fotograf gezwungen ist, sich ganz anders -nämlich viel intensiver- mit den Fotografien auseinanderzusetzen.
Solange man nur am Rechner sitzt und einzelne Bilder bearbeitet, sind das eben einzelne Bilder. Erst wenn man sie für ein Buch zusammenstellt, kommt man an den Punkt, dass man sich über das Zusammenspiel der Bilder untereinander und den roten Faden Gedanken machen muss. Man wechselt förmlich die Perspektive und entscheidet nicht mehr, welche Bilder einem persönlich am besten gefallen, sondern man muss sich der Frage stellen, welche Bilder (und auch welche Reihenfolge) für einen Leser spannend wäre, der bei den Shootings nicht dabei war und der deswegen auch keine Hintergrundgeschichte zu den Bildern im Kopf hat.
Ein Buch aber kommerziell erfolgreich zu machen, ist extrem schwer. Und das wissen vermutlich auch die Meisten. Bei Menschen, die sich über die Jahre eine grosse Community aufgebaut haben, kann das durchaus funktionieren. Aber ohne Community und ohne Sponsor bleiben das oft Träume. Vor allem, wenn auch auf die Haptik (Papierart, Druckart, Format, Einband, Bindung, etc.) besonderer Wert gelegt wird, kommen solche Projekte schnell in den Bereich von Liebhaberei. Und dennoch: Wer das Geld dazu hat, sollte es machen. Für alle, die das Geld nicht haben, sind kleine Auflagen im Digitaldruck in Standardformaten oder auch Print on Demand eine Option, um den Markt und die Marktreife eines Bildbandes zu testen, bevor fünfstellige Beträge zu bezahlen sind und der Keller schnell voll wird.
Ich empfehle aber vor allem zu Beginn, einen Bildband nicht mit einer kommerziellen Hoffnung zu verbinden. Die Zielgruppe per se ist klein und es gibt so viele Publikationen grosser Fotografen, dass es einfach schwer ist, über einen Bildband zum Millionär zu werden. Selbst die laufenden Lebenshaltungskosten davon zu decken, ist nicht einfach.
SWAN Magazine: Das heisst, Deine nächste Publikation wird vielleicht gar kein Buch sein?
Thomas Gerwers: Das nächste Projekt könnte durchaus wieder ein Buch werden. Aber ich denke auch über andere Formate nach. Ich sprach ja schon über meine Passepartouts und die Instax-Fotos. Vielleicht will ich das Thema ja kreativer angehen.
SWAN Magazine: Gerade bei Bildbänden leben viele Künstler ja ihre Leidenschaft aus. Das wirkt sich in der Grösse, in der Grammatur, in der Papierbeschaffenheit, dem Cover und oft auch speziellen Gimmicks aus. Worauf hast Du bei Musa Erato besonderen Wert gelegt?
Thomas Gerwers: Diese Themen haben eine ganz zentrale Rolle bei mir gespielt. Ich habe auch gelernt, dass man sich nicht auf die erste Empfehlung des Druckers verlassen sollte. Das ist kein Ergebnis schlechter Erfahrung, sondern liegt in der Sache begründet: Eine Druckerei ist ein Bauchladen. Die haben verschiedene Papierarten, können verschiedene Einbände mit dem Buchbinder zusammen realisieren. Die Kombinationsmöglichkeiten sind sehr sehr gross. Aber das hat natürlich auch mit einem nicht ganz unumstrittenen Begriff zu tun: Geschmack. Du brauchst Geschmack, damit ein Bildband am Ende in sich rund wirkt.
Ihr kennt vielleicht das Buch „Hotel Noir“ von J. Konrad Schmid. Der hat eine ganz tolle Sache in seinem Buch umgesetzt: Er hat den Schnitt der einzelnen Seiten schwarz bedrucken lassen. Also so, wie wir das in Gold vom Gebetbuch in der Kirche kennen.
SWAN Magazine: Gerade mit der Gestaltung -aber auch mit der Bildauswahl- tun sich viele Künstler schwer, wenn sie ihre erste Publikation vorbereiten. Hast Du Dir denn erfahrene Supporter mit an Board geholt? Was sind Deine Erfahrungen und was würdest Du gerne als Tipp an andere Künstler mit Publikationsinteresse weitergeben?
Thomas Gerwers: Die Frage hat sich für mich nicht so gestellt. Das liegt aber vor allem daran, dass ich seit 30 Jahren Printpublikationen erstelle und vertreibe. Aber ich empfehle jedem, der solche Erfahrungen noch nie sammeln konnte, ganz unbedingt mit einem erfahrenen Partner zusammenzuarbeiten. Auch hier gibt es ja wieder zwei Hauptthemenblöcke: Gestaltung und Design auf der einen Seite und die Kuration und das Storyboard auf der anderen Seite. Ein Sparringspartner, der sich da auskennt, ist selbst für einen Profi keine Schande, sondern eine Bereicherung. Wer sowas übrigens super kann, ist Wolfgang Zurborn. Er bietet ab und an auch Workshops an, wo es nur um das Editing geht. Da habe auch ich noch etwas dazulernen können. Er sagt zum Beispiel: „Je paradoxer die Zusammenstellung der beiden Bilder einer Doppelseite ist, desto besser.“ Das ist etwas, was man erst einmal ausprobieren muss, um es zu verstehen. Gedruckt versteht sich. Nicht am Rechner.
SWAN Magazine: In Ausgabe 09 hast Du berichtet, dass die Idee zu Musa Erato lange in Deinem Kopf war. Sie ist förmlich gereift, dann umgesetzt worden und gleich anschliessend sehr konzertiert in der Fotoszene angekommen. Das liegt sicherlich mit an unserem Interview, aber auch an der Publicity rund um die PhotoPopUpFair, das Interview bei FotoTV und auch an Deinem Buch. Du bist also auch ein konzeptioneller Denker. Wie gehst Du jetzt an neue künstlerische Projekte heran? Mit einem konkreten Plan oder einer Strategie oder bist Du eher der Typ Mensch, der sich gerade im Kunstkontext auch einmal spontan inspirieren lässt?
Thomas Gerwers: Ja und nein. Erstmal: Musa Erato ist Teil einer Serie, die fortgesetzt wird. Das Konzept dahinter ist die „Inszenierung im Raum“. Es geht dabei nicht um die Nacktheit. Bei Musa Erato ging es vor allem um die Intimität. Bei dem eher sakralen Gebäude unten, hatten wir eine ganz andere Stimmung am Set. Die Verbindung zwischen Model und Location stellt einen unheimlichen Spannungsbogen dar, den ich für meine Fotokunst nutze. Ich möchte jetzt, wenn die Temperaturen wieder steigen, auch eine Strecke im Aussenbereich eines Gebäudes nutzen. Denn auch das -gerade wenn es Mauern oder Hecken ringsherum gibt- ist ja ein Raum. Nur eben ein Raum ohne greifbare Decke. Ich nutze also die unterschiedlichen Energien, die verschiedene Ort mitbringen.
SWAN Magazine: Uns fällt auf, dass Du ein besonderes Faible für aussergewöhnliche Locations hast. Wie wichtig ist die Location für Dich? Sind sie während einer Produktion eine Inspirationsquelle oder startest Du, wenn Du ein neues Projekt realisieren möchtest, mit der Location und überlegst Dir dann, was Du dort umsetzen könntest?
Thomas Gerwers: Nun, bei der Peoplefotografie haben die Menschen immer den wesentlichen Anteil an einer Bildstrecke. Das steht ausser Frage. Aber in meinen Augen werden die Räumlichkeiten oft zu wenig beachtet. Wir sprachen ja schon über die spezielle Energie, die manche Räume haben und andere nicht. Auch die Stimmung der Menschen ist von Land zu Land doch sehr unterschiedlich. All das fliesst in meine Projekte zu bestimmt 25% ein. Und deswegen ist die Wahl der Location neben dem Model ein ganz zentrales Element des kreativen Prozesses, das auch die Kreativität in meinem Kopf anreichert. Und trotz aller Konzeption: Bestimmt die Hälfte der Motive entsteht dann vor Ort total spontan. Weil sich ja auch der Spirit der Location auf mich überträgt und ich auch gerne etwas geschehen lasse und dies dann -beinahe voyeuristisch- dokumentiere.
Ich habe zum Beispiel gerade einen Fotografen entdeckt, der mich total inspiriert. Der ist nicht neu im Business, aber irgendwie ziehen mich seine Fotokunstwerke gerade magisch an. Schaut mal bei ihm rein. Die Rede ist von Thomas Hauser aus Berlin. Der macht eine richtig trashige und authentische Fotografie. Aber das wäre dann ein anderes Projekt.
SWAN Magazine: Deine Muse in beiden hier gezeigten Serien ist Deine eigene Frau, Petra. Arbeitest Du ausschliesslich mit Petra als Model?
Thomas Gerwers: In meinem Projekt „Musa Erato“ ist Petra das einzige Model. Sie ist Teil des Projektes und weitere Locations sind schon fest in meinem Kopf verankert.
SWAN Magazine: Bei Musa Erato handelst Du also ganz streng nach dem Motto von Peter Lindbergh: „Fotografiere nur, was du liebst“?
Thomas Gerwers: Ja, bei diesem Projekt ist das auf jeden Fall so! Dieses Projekt ist ja auch unser gemeinsames Projekt. Petra beteiligt sich auch auf der konzeptionellen Seite und so entstehen ganz tolle Dinge.
SWAN Magazine: Während andere Fotografen immer wieder Stress mit ihren Frauen bekommen, weil sie stets mit attraktiven Damen am Set sind, hast Du den Verdrängungswettbewerbs einfach ausgeschaltet. Doch man kann jede Medaille ja bekanntlich von zwei Seiten sehen. Denn Deine Frau ist ja selbst Fotografin – wenn auch hauptsächlich in einem anderen Genre. Ergänzt Ihr Euch am Set gut, inspiriert Ihr Euch gegenseitig oder gibt es auch Situationen, in denen Deine Ideen bei Deiner Frau nicht so gut ankommen?
Thomas Gerwers: Alles und nichts davon. Vor allem ist es erstmal eine Erleichterung, wenn man ein Model vor der Kamera hat, das man kennt, mit dem man vertraut ist. Ich glaube nicht, dass die Ergebnisse die Gleichen wären, wenn ich ein mir unbekanntes Model fotografiert hätte. Und ich weiss es sehr zu schätzen, dass Petra dank ihrer Erfahrung hinter der Kamera direkt weiss, worauf es ankommt. Aber klar, zwischendurch kracht es auch einmal. Aber auch da hilft die Rollenaufteilung. Sie ist das Model, ich bin der Fotograf. Wie ich Bilder schneide zum Beispiel, überrascht sie häufig. Aber in diesem Projekt ist das eigentlich kein Problem. Viel schlimmer finde ich Situationen, wo du gerade selbst etwas fotografierst und dann neben dir jemand steht, der dir laufend sagt, was du anders oder besser machen solltest.
SWAN Magazine: Beide Bildserien, die wir hier zeigen dürfen, nutzen als Stilmittel Bewegungsunschärfe. Doch das ist nicht alles. Hinzu kommen Doppelbelichtungen und Reflektionen…
Thomas Gerwers: Ja, das ist richtig. Ich finde, dass Bilder stets Bilderrätsel sein sollten. Also es soll Bildelemente geben, die neugierig machen, Fragen aufwerfen und den Entdeckergeist im Betrachter wecken sollen. Oft sind Fotografien, bei denen man nicht nachdenken muss, sondern gleich alles auf Anhieb versteht, langweilige Bilder. Wenn ich solche Stilmittel einsetze, dann tue ich das ganz bewusst, um Aufmerksamkeit zu wecken. Ich mag es auch, mit Hilfe von Spiegelungen andere Ebenen ins Bild zu bringen. Solche Elemente sind eine Herausforderung für den Betrachter. Ich sehe diese Herausforderungen als Einladung, sich intensiver mit dem Bild zu beschäftigen.
SWAN Magazine: Wie gehst Du ran? Baust Du Dir am Set ein Bild und wenn es fertig komponiert ist, drückst Du nicht auf den Auslöser, sondern überlegst zuerst, wie Du das Motiv noch spannender gestalten kannst, wenn Du Sondereffekte hinein nimmst?
Thomas Gerwers: Nein. Ganz anders. In den 80er Jahren hat mir meine Chefredakteurin geraten, einen Artikel, der mir besonders gut gefällt, immer und immer wieder neu zu lesen. Und zwar so lange, bis ich beantworten kann, warum mir gerade dieser Artikel so besonders gut gefällt. Dieses Lernprinzip des Wiederholens ist ja die Basis für viele Handwerksberufe. Genauso funktioniert das für mich in der Fotografie. Bei Bildern, bei denen ich hängen bleibe, stelle ich mir also die Frage, wieso ich ausgerechnet an dem Bild hängen bleibe.
Wenn du das eine Zeit lang gemacht hast, dann entwickelt sich die Lust darauf, dem Betrachter deiner Bilder nicht gleich alles klar und transparent ins Gesicht zu schlagen. Dann gehst du also schon bei der Konzeption so heran, dass du dir überlegst, wie aus dem Motiv von Beginn an ein spannendes Motiv entstehen kann.
Ich sage immer: Wenn du Storytelling mit deinen Bildern machen möchtest, dann musst du dem Betrachter auch Raum geben, um die Geschichte zu Ende zu denken. Darum arbeite ich gerne mit Anschnitten von eigentlich wichtigen Bildelementen. Bei mir laufen die Modelle teilweise auch aus dem Bild heraus und ich zeige sie nur halb. – Aber all das habe ich nicht erfunden. Das ist im Prinzip die allgemeine Werkzeugkiste der Fotografie. Und bei dieser Werkzeugpalette kommt es darauf an, nicht gleichzeitig mit Zange, Hammer, Schraubenzieher und Dübeln eine Lampe aufhängen zu wollen. Das pointierte Einsetzen der Techniken führt dann zum Erfolg.
Die Wurzeln dazu liegen ja im frühen 20. Jahrhundert begründet, als Fotografen um die Anerkennung der Fotografie als Kunstform gekämpft haben. Edward Steichen war Piktorialist. Sein Schlüssel für die Anerkennung seiner Fotokunst waren unscharfe Konturen, wie sie in der Malerei auch eingesetzt werden. In der Malerei spricht man da von Sfumato, als dessen Erfinder Leonardo da Vinci gilt.
Ich rate Fotografen, die mit Bewegungsunschärfe arbeiten wollen, immer, dass es auch Bildelemente geben muss, die scharf abgebildet sind. Klar, man kann auch alles unscharf abbilden. Aber das ist ganz grosses Kino und das wird nur von wenigen Künstlern beherrscht. Einen ähnlichen Effekt kann man mit Spiegelungen erzielen. Deswegen sage ich ja auch stets, dass eine Strecke durchaus Spiegelungen und Unbewegungsunschärfe beinhalten darf. Aber ich warne davor, beides in ein Bild zu pressen. Diese Techniken sind wie die Gewürze beim Kochen einzusetzen: Mal mehr, mal weniger, aber niemals zu viel – und vor allem nicht alle Gewürze auf einmal.
In der Fotografie denke ich manches Mal, dass einer der grösste Fehler der letzten zehn Jahre ist: Knackige Schärfe. Es ist ja wirklich atemberaubend, welche Schärfe aktuelle und neu gerechnete Objektive heute zu leisten im Stande sind. Das sind Dimensionen, die früher unvorstellbar waren, die wir heute schon mit Kit-Objektiven erreichen. Und jetzt haben wir so einen Punkt erreicht, wo die Menschen merken, dass „nur scharf“ auch irgendwie blöd ist. Deswegen fotografieren immer mehr Bildermacher jetzt mit Vintage-Objektiven an neuesten Kameras. Oder kleine Nischenanbieter kommen mit Neuinterpretationen alter Kultobjektive auf den Markt, die einen „speziellen Look“ offerieren sollen. Da kauft man mit ein, dass eben nicht alles knackscharf wird. Da geht es um das Thema Bokeh und vor allem den Schärfeverlauf. Ein sehr spannender Trend, wie ich finde.
SWAN Magazine: Kürzlich haben wir entdeckt, dass Du im Sommer zusammen mit Deiner Frau einen Workshop gibst. Das Spannende dabei ist nicht nur, dass Deine Frau und Du zusammen den Workshop leitest, sondern vor allem, dass dieser Workshop an dem Ort stattfindet, wo die Strecke Musa Erato entstanden ist: In einem alten Weingut, mitten in Südtirol. Eine malerische Kulisse, mit Vintage-Ambiente und Wänden, die über die Jahre Patina angesetzt haben. An wen richtet sich dieser Workshop?
Thomas Gerwers: Das habt ihr schön zusammengefasst. In der Tat liefert dieser Workshop Zugang zu einem ganz einmaligen Ambiente: Der Location, die eure Leser aus der Ausgabe 09 kennen. Aber das wird kein Aktworkshop sein.
SWAN Magazine: Euer Workshop beschäftigt sich im Kern mit der Peoplefotografie. Dabei wollt Ihr Euch in besonderem Masse mit der Bewegungsunschäfe beschäftigen. Das erinnert uns ganz spontan an den geschätzten Kollegen Andreas Jorns, der vor ein paar Jahren den Satz prägte „Schärfe gibt’s beim Inder…„. Dieser Satz hat aus seinem Mund wahrlich keinerlei rassistische Hintergründe, sondern er soll den Fotografen die Augen öffnen, dass Schärfe in der Fotografie nicht alles ist. Die international bekannte Fotokünstlerin Esther Haase drückte es zuletzt noch deutlicher aus: „Unschärfte wird unterbewertet!„. Da passt Euer Thema ja hervorragend…
Thomas Gerwers: Ja, das stimmt. Wir nehmen die Teilnehmer mit auf eine Reise. Wir zeigen ihnen unsere Fotografie, arbeiten mit besonderen Techniken aus unserem Werkzeugkasten und trotzdem ist das alles nur ein Angebot. Wenn ein Teilnehmer nur Portraits machen möchte und auf das Ambiente keinen Wert legt, so kann er das machen. Nur Papier- oder Stoffhintergründe werden wir ganz bestimmt nicht aufbauen, da wir das morbide Ambiente der Location nutzen wollen.
SWAN Magazine: Habt Ihr schon festgelegt, wer das Model für den Workshop sein wird?
Thomas Gerwers: Ja, natürlich: Petra wird nicht Model stehen, weil sie mit mir zusammen den Workshop leitet. Es wird „Modern Dancers“ als Modelle geben, die eine wunderbare Körperbeherrschung haben und tolle Figuren vor der Kamera abgeben. Solche Ausdruckstänzer können sich auch ohne strenge Regieanweisung bewegen, sodass sich die Teilnehmer sehr gut auf die Bildkomposition konzentrieren können und dennoch auch Einfluss auf die Modelle nehmen können.
Auch das Thema Modelführung werden wir in Margreid deutlich thematisieren. Zum einen tun sich einige Fotografen schwer damit. Zum anderen ist Kommunikation ganz essentiell, wenn sich ein Model z.B. aus einem vorher definierten Bildausschnitt herausbewegen soll. Wenn der Fotograf da nichts sagt, bleibt das Model vermutlich stehen… Und am Ende der Sommeracademy werden einzelne Bilder aller Teilnehmer auch professionell gedruckt und in einer PopUp-Ausstellung präsentiert, den verschiedenen Teilnehmern zu zeigen und auch aus den Ergebnissen anderer Teilnehmer zu lernen.
SWAN Magazine: Der Workshop findet im Rahmen der Sommerakademie der IF Academy statt. Das viertägige Event an diesem Ort ist unter Branchenkennern eine Institution. Claudia Brose ist der kreative Kopf hinter diesem Event, zu dem einige namhafte Dozenten schon in die Nähe von Bozen angereist sind. Ein spannendes Konzept…
Thomas Gerwers: In der Tat! Ich kann natürlich zu den anderen Dozenten und deren Programm wenig sagen. Aber was das Konzept so spannend macht, ist die Tatsache, dass sich kein Teilnehmer wochenlang vorher festlegen muss, welchen Workshop er besuchen will, sondern das kann alles recht spontan vor Ort entschieden werden. Wir werden den Workshop im Rahmen der Sommerakademie nämlich mehrfach durchführen – und das tun die anderen Dozenten auch. So gibt es also die Möglichkeit, über einen Workshop ganz unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen und sehr gezielt die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten auszubauen.
SWAN Magazine: Die IF Academy ist vor allem dafür bekannt, dass über Tage hinweg in Kleinstgruppen eng zusammengearbeitet wird. Schon Jahre vor Corona lag die Teilnehmerzahl pro Workshop bei maximal sechs Personen. Wie plant Ihr das dieses Jahr? Teilt ihr die Sechsergruppe in zwei Untergruppen auf und ein Dreierteam wird von Petra und das andere Dreierteam von Dir betreut? Räumlichkeiten bietet das Weingut ja genug…
Thomas Gerwers: Wir werden schon -so es uns gestattet ist- zu sechst den Workshop durchführen, stehen aber beide allen Teilnehmern für Fragen zur Verfügung. Uns ist es wichtig, kein Rudelshooting aller Teilnehmer gleichzeitig zu realisieren, sondern jedem Teilnehmer den Raum zu geben, eigene Bildkonzepte umzusetzen. Es geht dabei ja auch um Perspektiven, Fluchten, Lichteinfall und vieles mehr. Der Fokus liegt zudem auf der Verwendung von natürlichem Licht.
Das Besondere an der Sommeracademy ist ja, dass die Location und die Möglichkeit, immer wieder einen leckeren Wein zu geniessen, eine ganz besondere Gesamtatmosphäre schafft, von der unser Workshop nur ein Teil ist – aber ein Teil, der sich da wunderbar einfügt und den Spirit aufgreift. Deswegen geht es auch nicht darum, dass die Teilnehmer unsere Fotografie erlernen, sondern dass sie eine Anleitung finden, selbst Ideen zu entwickeln. Wir ermutigen auch dazu, mal mit längeren Belichtungszeiten zu arbeiten.
SWAN Magazine: Was empfehlt Ihr den Teilnehmern im Hinblick auf die Technik?
Thomas Gerwers: Um alles das, was wir dort gemeinsam erarbeiten, wirklich selbst nachvollziehen zu können, empfehlen wir ein Dreibeinstativ und lichtstarke Festbrennweiten im leicht weitwinkligen Bereich. 24 mm, 28 mm und 35 mm sind erste Wahl. Wir empfehlen den Teilnehmern auch, sich auf eine Brennweite festzulegen. Zum einen reduziert das den Druck, alle Brennweiten einsetzen zu müssen. Doch viel wichtiger ist etwas anderes: Erst wenn man mit einer Brennweite dauerhaft arbeitet, festigt sich der serielle Charakter, der bei den Aufnahmen ja entstehen soll. Aber: Es wird niemand gezwungen. Wenn ein Teilnehmer lieber zoomen möchte, so ist das nicht verboten. Im Gegenteil. Erlaubt ist, was Spass macht. Auch ein Teleobjektiv ist nicht verboten – es wird dann aber schwer, die räumliche Wirkung optimal einzufangen und die besondere Location für die Bildsprache zu nutzen.
SWAN Magazine: Alle Welt lechzt danach, wieder kreativ zusammenarbeiten zu können. Gibt es für interessierte Teilnehmer denn noch eine Chance, einen Workshopplatz zu ergattern?
Thomas Gerwers: Ja, gibt es. Aber dazu muss etwas erklären. Die Sommeracademy ist ein Gesamtkonzept. Niemand kann einen einzelnen Workshop herauspicken und nur den buchen. Wer also die Sommeracademy bucht und dort live dabei ist, der kann vor Ort aussuchen, welche Workshops er besuchen will. Damit das möglichst spannend ist, gibt es drei Workshoptage, an denen die einzelnen Dozenten ihre thematisch abgegrenzten Themen den Kleinstgruppen vorstellen und mit ihnen arbeiten. Unser Workshop findet an zwei der drei Tage statt. Wir haben morgens ein anderes Model als nachmittags, da ganztägige Workshops für die Modelle einfach sehr anstrengend sind. Damit die Teilnehmer abwechslungsreiche Motive bekommen, wechseln wir die Räume und das Model. Bei der Sommeracademy können die Teilnehmer also z.B. den Workshop von uns mit einem anderen Thema kombinieren, was sie ebenfalls fasziniert.
So entsteht unter den maximal 30 Teilnehmern der Academy auch eine ganz besondere Verbindung. Denn man ist natürlich nicht alle drei Tage im gleichen Team unterwegs. Ich sage immer „Margreid ist wie ein Buffet. Es steht dir alles zur Verfügung, du musst aber nicht pausenlos essen.“
SWAN Magazine: Wird es eine Wiederholung in der Nähe Deines Wohnortes in Nordrhein Westfalen geben?
Thomas Gerwers: Nein. Ich bin ja in der Sommeracademy nicht der Veranstalter. Als Veranstalter trete ich hier in Deutschland mit der ProfiFoto auf, dann aber nicht parallel als Referent. Das sind zwei unterschiedliche Aufgabenprofile, die ich nicht mische. Insofern ist Margreid schon eine recht einmalige Gelegenheit. Aber wenn mich Veranstalter ansprechen würden, um Petra und mich als Referenten zu gewinnen, dann würden wir sicherlich darüber nachdenken.
Lieber Thomas. Wir sagen DANKE für Deine Zeit und freuen uns sehr, mit Dir einen so umtriebigen Künstler im SWAN Magazine zu haben, von dem wir vermutlich nicht nur fotografisch noch eine Menge hören werden. Wir sind gespannt auf die Zukunft. Lass uns gerne in Kontakt bleiben.