Vor uns liegt „Schatten“. Nicht der Schatten der tiefstehenden Sonne hinter unserem Rücken. Aber auch nicht der Schatten, den Corona, in unser aller Leben geschaffen hat. „Schatten“ ist ein Taschenbuch.
Ein Taschenbuch?
Nun, den Begriff darf man beim neuesten Werk aus der Ideenschmiede von Krolop & Gerst nun wahrlich nicht wortwörtlich nehmen. Denn Schatten stellt irgendwie alle üblichen Lehrbücher zum Thema Fotografie sprichwörtlich in den Schatten. In einem Satz: Schatten ist 30 cm breit, 40 cm hoch, 448 Seiten stark und stolze 4,4 Kilogramm schwer.
Warum also „Taschenbuch“? Nun, es steckt einfach viele andere Bildbände in die Tasche! Und das nicht nur aufgrund von Format und Gewicht. Nur zum Vergleich: Ein durchschnittliches SWAN Magazine ist 32% kleiner und 73% leichter. Und das bezeichnet der eine oder andere Leser schon als gross und schwer.
Nicht nur aufgrund von Format und Gewicht
„Schatten“ ist -und diese Parallele ist tatsächlich reiner Zufall- ein Zwitter. Ein Zwitter, wie es auch das SWAN Magazine ist. Aber während das den meisten Lesern hier bekannte SWAN Magazine ein Zwitter aus einem Bildband und einer üblichen Fotozeitschrift ist, ist „Schatten“ ein ganz anderer Zwitter.
Auf der Website von Krolop & Gerst wird „Schatten“ als „Lehrband“ bezeichnet. Einer Wortkreation, die sich aus „Bildband“ und „Lehrbuch“ zusammensetzt. Das trifft es schon ganz gut, aber eben doch nicht genau. Und deswegen haben wir uns die Mühe gemacht, diesen „Brecher“ einmal näher zu analysieren und so einen tieferen Einblick in das Werk zu geben.
Der Ersteindruck
Die Haptik dieses Bildbandes unterstreicht es klar und deutlich: Dieser limitierte „Lehrband“ ist ein Statement. Das merkt man schon, bevor man ihn zu lesen beginnt: Die Suche nach einem geeigneten Platz zum Durchstöbern ist gar nicht so einfach. Wir geniessen Bildbände gerne beim ersten Review auf der Couch. Gemütlich in der Halbdiagonale lassen wir uns auf die unterschiedlichen Künstler ein und versuchen, aus dem Buch schon im ersten Durchgang ein gewisses Gesamtbild zu ziehen.
Um es kurz zu machen: Unsere Couch ist zu klein für dieses Vorhaben. Das aufrechte Sitzen an einem Tisch für den Erstgenuss erscheint uns nicht „artgerecht“ und so greifen wir auf einen gemütlichen Sessel zurück, werfen die Beine über Kreuz und legen den Bildband darauf. Ein schönes Fensterlicht von hinten sorgt für die optimale Beleuchtung des Kunstbandes, der übrigens auch im Offsetdruck erstellt wurde (wie jedes SWAN Magazine auch).
Das erste Blättern
Bildbände geniessen wir nur, wenn wir Zeit haben. Denn bei uns ist das Einsteigen in einen solchen Bildband ein iterativer, also mehrstufiger Prozess. Wir starten stets mit einem ersten, schnellen Durchblättern. Das mag unprofessionell sein, ist aber der schieren Neugierde geschuldet – und wir wissen (das war schon oft so), dass unser erster Eindruck schon schnell nach dem ersten Blättern das erste Mal revidiert werden musste. Warum? Weil die intensive Lektüre (der zweite Blick also) einfach ein ganz anderes Auseinandersetzen mit dem Bildband zutage fördert.
Was also war der erste Eindruck?
Nun, ungeschönt und nicht zensiert: „Mensch, die machen viel mehr nackte Frauen, als uns bewusst war.“
In der Tat, wir sind keine Erbsenzähler und haben deswegen weder die Fotokunstwerke mit, noch die ohne Brustwarzen gezählt, aber vermutlich sind es mehr Motive mit Brustwarzen als ohne. Hier können wir also das erste Zwischenfazit ziehen: Menschen, die Aktfotografie partout nicht mögen (und zwar weder zum Anschauen, noch zum Nachmachen), werden vermutlich immer etwas auf Kriegsfuss mit diesem „Lehrband“ stehen.
Die Detailanalyse
Es ist wunderbar, wenn man auf der Rückseite eines handelsüblichen Taschenbuchs in zwei Absätzen eine vollständige Zusammenfassung lesen kann. Das ist bei „Schatten“ nicht möglich. Die Analyse dieses Meisterwerkes bedarf einem mehrstufigen Ansatz. Also fangen wir vorne an.
Kapitelaufteilung
Das gesamte Team von Krolop & Gerst (denn es ist kein Buch, das nur die Arbeit der beiden Gründer widerspiegelt) hat auf ein Inhaltsverzeichnis verzichtet. So startet das Buch nach dem Vorwort von Thilo Vorderbrück mit einer leeren (weissen) Doppelseite, auf der Headline „Available light“ zusammen mit der Subhead „Licht sehen, erkennen und nutzen“ untergebracht ist. Sonst nichts. Und zugegeben: Hier hätten wir wenigstens einmal das Wort „Schatten“ erwartet. Doch selbst als „shadows“ taucht es hier nicht auf. Egal. Das genau ist künstlerische Freiheit! Denn wenn man genau das bekommt, was man erwartet, schmeckt es ja auch nicht neu oder gar anders… 😉 Und dann sind auch wieder alle enttäuscht.
Erst viele Seiten später stolpern wir erneut über eine weisse Doppelseite mit einer Headline und einer dazugehörigen Subhead. Spätestens hier wird uns klar, dass es Kapitel geben muss. Das klingt verrückt, liegt aber auch daran, dass diese Kapiteltrennseiten die gleiche Farbe (und fast die gleiche Grösse) besitzen, wie die Headlines der Einzelseiten. Denn: Auf nahezu jeder Doppelseite findet man eine Headline – auch im Krolop-Gerst-typischen Orangeton. Nur die Subhead wird auf den Einzelseiten eben durch etwas Text ersetzt.
Wer also denkt, die erste Headline „Available light“ wäre die Subhead des Buchtitels von „Schatten“ und würde sich durch das gesamte Buch durchziehen, der liegt falsch.
Alle Kapitel tragen logische Überschriften und gliedern den „Lehrband“ in logische Kapitel. Doch da die Kapitelanzahl auch auf der Website von Krolop & Gerst nicht genannt wird, haben wir jetzt auch nicht “mit dem Erbsen zählen” begonnen.
Was beinhaltet ein Kapitel?
Jedes Kapitel ist gefühlt so dick, wie die Erstausgabe des SWAN Magazines. Das wird seitentechnisch nicht stimmen, aber die viel grösseren Einzelseiten unterstützen diesen Eindruck.
Das Team von Krolop & Gerst zeigt in „Schatten“ auch nicht ausschliesslich vollformatige Fotokunstwerke, sondern nutzt den vorhandenen Raum, um auf den hochformatigen Seiten auch querformatige Bilder zu zeigen.
Erst beim aufmerksameren Betrachten wird klar, dass die zumeist in gross gezeigten Motive das schlussendliche Bildergebnis zeigen, während kleine (zumeist neben etwas Text untergebrachte) Thumbnails das Making of (also den Blick hinter die Kulissen) darstellen. Ergänzt wird das Ganze von Zeichnungen, die den Aufbau des Setups schematisch dokumentieren. Oft ist dabei eine Doppelseite ein in sich geschlossenes Thema, welches über den kurzen Text einen inhaltlichen Rahmen erhält.
Tesakrepp wohin das Auge reicht
Es gibt kaum eine Seite, die nicht mit Tesakrepp zugeklebt ist. – Was auf den ersten Blick komisch klingt, ist natürlich kein echtes Tesakrepp, sondern gedruckte Farbe, die zum einen ein bisschen wie eine moderne Interpretation von Foto-Klebeecken wirkt, auf der anderen Seite aber auch die Heimat technischer Daten ist.
Überwiegend an den finalen Kunstwerken befinden sich diese Klebestreifen, die vollgepackt mit technischen Daten sind. ISO, Blende, Verschlusszeit, Kameramodell und Objektiv sind die Standardangaben. Aber bei ganzseitigen Motiven wird darauf verzichtet, um den künstlerischen Teil des „Lehrbandes“ zu unterstreichen.
Wenn an den kleinen Thumbnails ebenfalls Tesakrepp-Streifen hängen, dann beinhalten sie oft Informationen über das Model, das Entstehungsjahr oder die Location. Ein roter Faden, der sich übrigens über alle 448 Seiten hindurchzieht.
An wen oder was erinnert das spontan?
Nun, an wen oder was Dich dies erinnert, können wir natürlich nicht erahnen. Uns aber erinnert dies an die grossformatigen Koch-, Rezept- und Weinbücher, die Anfang der 2000er Jahre in verschiedenen Verlagen auf den Markt kamen und (anders als zuvor) ein kleines Rezept so schmackhaft illustriert haben, dass man selbst diejenigen Rezepte mal ausprobiert hat, die einen von Namen oder Zutaten her nicht spontan angesprochen haben.
Bei Schatten ist es ähnlich. Man kann nahezu jede Doppelseite als einzelnes Rezept für eine Bildidee verstehen und mit Hilfe der genannten Eckdaten einen möglichst perfekten Nachbau umsetzen. Klar: Je nach Licht und Model muss dann der eine oder andere Parameter dann doch nochmal angepasst werden, aber im Prinzip sind viele Seiten so aufgebaut, dass sie zum Nachmachen animieren.
Kapitelabhängige Umsetzbarkeit
Wie viele Bildideen der Leser selbst 1:1 nachbauen kann, hängt jedoch von zahlreichen Faktoren ab. Das Team von Krolop & Gerst ist bekannt für teilweise aufwändige Reisen und auch diese sind hier enthalten. Mal eben auf eine bestimmte, zu besonderer Uhrzeit stets neblige Strasse auf den Kanaren zu fahren, ist dann doch etwas mehr Aufwand, als eine andere Zutat in den Mixer zu stecken.
Ein weiterer Aspekt ist die Technik
In der Fotoszene kennt man das Haus Krolop & Gerst vor allem als Technikfreaks, die zu jeder Form von Kameraequipment umfangreiche Tests und Praxisberichte veröffentlichen. Wer sich also zum Ziel setzt, wirklich konsequent alle Rezeptvorschläge nachzubauen, muss viel in Gear investieren und wird vermutlich schnell die Lust verlieren: Denn der- oder diejenige muss ja nicht nur „Schatten“ (als Bedienungsanleitung) rund um den Globus schleppen, sondern neben der Kamera auch noch jede Menge zusätzliches Equipment.
Spätestens, wenn im zweiten Kapitel dann das Thema „Available light“ verlassen wird, stellt sich die Frage schnell, ob es überhaupt zielführend ist, jedes Equipment der Welt zu kaufen, nur weil Krolop & Gerst diese Geräte teilweise ja nur zu Testzwecken im Hause hatten und längst zurückgeschickt haben. Sich mit einer der grössten Testboutiquen Europas zu messen, könnte nämlich schnell den privaten Lagerplatz (aber auch das eigene Budget) sprengen.
Bis an die Grenzen des Machbaren
Die Kölner Fotoprofis ziehen in „Schatten“ alle möglichen Register und stellen damit den eigenen Vorgänger „Licht“ in allen Dimensionen in Schatten. Wir sprachen bei der Übergabe und Signierung dieses Bildbandes mit Martin Krolop selbst. Er berichtete, dass es immer wieder Anfragen dazu gibt, „Licht“ nachzudrucken. Aber genau das empfiehlt sich eben nicht, wenn man ein bestimmtes Werk als limitiert verkauft hat und sich zudem auch selbst um Meilen weiterentwickelt hat.
Wie sehr „Schatten“ an die Grenzen des Machbaren geht, zeigt sich nicht nur in extremen Lichtsituationen, sondern auch darin, mit wie vielen unterschiedlichen Kamera- und Objektivherstellern hier gearbeitet wurde.
Wir, die wir im SWAN Magazine wo eben möglich auf Techniktalk verzichten, erleben hier eine Perversion eben dieses Technikverzichts: Dadurch, dass quasi jedes einzelne Bild mit irgendwie anders (und zum Teil wirklich wild) zusammengewürfelten Equipment entstanden ist, braucht man diesen „Lehrband“ ganz sicher nicht bis zum Ende durchzulesen, um die 100.000 EUR Schallmauer zu durchbrechen, sollte etwa jedes einzelne und im Buch aufgelistete Equipment 1:1 nachgekauft werden.
Diese Übertreibung führt dazu, dass die jeweilige Kamera wieder so sehr in den Hintergrund rückt, wie wir es im SWAN Magazine durch den Verzicht auch erreichen (wollen). Doch hier bleiben -und das ist ein zentraler Unterschied- ISO, Blende und Belichtungszeit als Essentials des jeweiligen Rezepts zurück.
Was ist die Message?
Nun, auf den ersten Blick könnte die Message natürlich folgende sein: „Kaufe dir dieses Equipment und du kannst exakt das gleiche Motiv nachbilden.“ – Soweit so gut. Doch falsch wäre die Antithese: „Nur wenn du dieses Equipment kaufst, wirst du jemals in die Lage kommen, ein solches Fotokunstwerk zu produzieren.“
Denn der Fachmann erkennt sofort: Auch wenn einzelne Motive mit hochlichtstarken und zudem sauteuren Objektiven entstanden sind, liegt die Kunst der hier gezeigten Motive eben nicht im Equipment, sondern in der Idee.
„Schatten“ ist auf irgendeine Art und Weise ein Rezeptbuch. Aber „Schatten“ beinhaltet durch die Perversion des Technikanhäufens noch viel mehr: Allen voran die klare Botschaft: „Beschäftige dich mit deinen Bildern. Nicht mit der Technik.“
Das muss man erst verstehen… ähhh, lernen!
Die enge Verbandelung der Marke Krolop & Gerst mit Kameratechnik, Vergleichtests und knacxkigen Videotutorials sorgt dafür, dass man dieses Haus vor allem mit technischen Daten in Verbindung bringt: „Suchst du eine neue Kamera, dann schau mal im Videokanal von Krolop & Gerst!“
Immer und immer wieder erwähnt Martin in seinen Videos, dass das Haus Krolop & Gerst vor allem von professionellen Aufträgen namhafter Firmen lebt, um daraus (querfinanziert) kostenlosen Content anbieten zu können. Doch eben diese Werbeaufträge sieht man bei Krolop & Gerst eben nicht, weil es reine Auftragsarbeiten sind, deren Inhalte auf den Social Media Kanälen von Krolop & Gerst eben nichts zu suchen haben.
Eine dritte (und vermutlich viel wichtigere) Dimension ist der Kunstanspruch. Krolop & Gerst beherrschen ihr Handwerk – das weiss in der deutschsprachigen Fotoszene einfach jeder. Aber, dass Krolop & Gerst (und übrigens auch die hochmotivierten Mitarbeiter des Unternehmens) alle selbst eine ausgeprägte Leidenschaft für die Fotografie mitbringen (und nicht nur professionelle Hammer-Tester sind), die vor allem künstlerische Wurzeln besitzt, gerät in der öffentlichen Wahrnehmung oft in Vergessenheit (wie wir vermuten).
Mehr als ein Rezeptbuch
„Schatten“ ist somit mehr als nur ein Rezeptbuch. „Schatten“ schreit es förmlich heraus: „Wir stehen auf Fotokunst“ und fügt ganz leise hinzu „und falls ihr es nicht wisst, wir können das auch“.
Auch wenn dies reine Interpretation ist, so liegt der Verdacht doch nahe, dass „Schatten“ zwischen den Zeilen eine versteckte Botschaft beinhaltet: „Gib uns irgendeine Kamera, irgendein Objektiv und irgendeine Lichtquelle und wir gehen so kreativ an die Aufgabenstellung heran, dass eben kein typisches Instagram-Bildchen herauskommt.“
Wir sehen „Schatten“ daher vor allem als eine Art „Glaubensbekenntnis“. Das Bekenntnis, dass man nur wollen muss, um auch mit einfachsten Mitteln aussergewöhnliche Fotokunstwerke zu erschaffen. Man muss auch kreativ sein, um so unterschiedliche Bildkonzepte überhaupt einmal zu entwickeln. „Schatten“ ist deswegen für uns vor allem ein künstlerischer Bildband.
Ein künstlerischer Bildband?
Vor lauter Technik könnte man meinen, „Schatten“ sei gar kein echter Bildband. Doch in unseren Augen ist „Schatten“ genau das! Warum? Zwei Hauptgründe haben wir identifiziert:
- Das Team rund um die beiden Gründer hat nicht nur hinsichtlich Locations und Models alle Register gezogen, sondern es ist den technikbegeisterten Kölnern gelungen, die technischen Daten und den Text auf ein Minimum zu reduzieren und die Bildflächen zugleich zu maximieren.
- Krolop und Gerst pappen nicht einfach wahllos und unsortiert ein paar künstlerisch anmutende Bilder in den Bildband, sondern die Tesakrepp-Streifen, die zum einen zum Transport technischer Daten dienen, dienen zum anderen auch als moderne Form der Rahmung. Überall und ständig anders werden die hochwertigen Motive anders auf die Seiten montiert, um zu unterstreichen: „Schaut her, wir können auch Kunst.“
Warum so viel nackte Haut?
Hier können wir nur spekulieren. Wir hatten vor dem Kauf keine Gelegenheit, das Werk vorab zu sichten und haben Martin bei unserem Besuch unweit des „Henkelmännchens“ dazu auch keine Frage zu gestellt.
Wenn man die Malerei als legitimen Vorgänger der Fotografie ansieht, so ist die Aktfotografie ein klassisches Genre der Kunst. Hier bewusst (wenn auch nicht ausschliesslich) auf Akt zu setzen, kann also auch als Stilmittel gewertet werden, um als Techniknerds im Kunstkontext überhaupt wahrgenommen zu werden.
Ein weiterer Aspekt ist natürlich auch der Umstand, dass sich nackte Haut ideal dazu eignet, die unterschiedliche Wirksamkeit von verschiedenen Lichtquellen sichtbar zu machen. Gerade leicht eingecremte Haut macht die Vor- und Nachteile einzelner Lichtformer besser sichtbar, als z.B. licht-absorbierende Stoffe.
Akt = Playboy?
Nein! In „Schatten“ geht es nicht um Glamour oder anzügliche Motive. In „Schatten“ zeigt das Team rund um Martin Krolop und Marc Gerst ästhetische Fotokunstwerke, die wohnzimmertauglich sind und gut und gerne auch bei Lumas oder Yellow Korner angeboten werden könnten. Aber genausogut auch im K&G-Shop.
Natürlich ist das Portfolio auf 448 Seiten und mit deutlich mehr als 1.000 Fotokunstwerken stattlich und braucht keinen Vergleich zu scheuen. Und ganz klar: Wer mit so vielen unterschiedlichen Lichtquellen arbeitet, der wird auch einzelne Doppelseiten haben, die nicht jedem Leser zu 100% gefallen. Doch genau das ist Kunst. Kunst darf provozieren und ist es nur ehrlich, das „Ekel-Licht“ (wenn es denn schon so im Team Krolop & Gerst so genannt wird) auch im Buch konsequent so zu benennen. Denn damit sagen die Künstler zugleich: Als Leser entscheidest Du selbst, was Dir gut gefällt und was weniger. Und die Künstler bleiben transparent und ehrlich. Genau das macht die Kölner ja so sympathisch.
Ein bisschen Lehrbuch
Ja, „Schatten“ ist auch in gewisser Hinsicht ein Lehrbuch. Aber nach drei Tagen mit dem Bildband und einem ständigen Auf- und Wiederzumachen ist „Schatten“ vor allem eins: Ein Arschtritt!
Das möchten wir gerne kurz erläutern, damit dieser Kraftausdruck nicht falsch verstanden wird: Wir sind sicher, dass ein Grossteil aller Fotografen jede Menge Equipment zuhause rumfliegen hat, dass seit Jahren nicht mehr genutzt wurde. „Schatten“ ist die lebendige Aufforderung, selektiv einzelne Teile von ihrer Staubschicht zu befreien und selbst kreativ an das Thema Licht (aber eben auch das an das Thema Schatten) heranzugehen und mutiger zu werden.
Denn, wer soviel Equipment aufzählt, wie Krolop & Gerst das hier tun, und dabei so viele unterschiedliche Motive zeigt, obwohl fast alle Frauen nackt sind (und sich allein daraus nach 200 Seiten eine gewisse Langeweile breitmachen könnte), der sagt auch: „Arbeite an Deinen eigenen Ideen. Die Möglichkeiten sind schier unendlich.“
Für wen ist dieser Lehrband geeignet?
Nun, nicht geeignet ist dieser Lehrband für reine Landschaftsfotografen (wenn man von Spezialisten für Körperlandschaften mal absieht). Ebenfalls nicht geeignet ist dieser Bildband für Menschen, die mit Aktfotografie nichts anfangen können (aber das sagten wir zu Beginn ja schon). Aber geeignet ist er vor allem für Fotografen, die sich aus dem Einheitsbrei von Social Media befreien wollen und nach kreativen Impulsen suchen.
Ebenfalls geeignet ist „Schatten“ auch für diejenigen, die unbedingt neues Equipment kaufen wollen. Denn es gibt kaum einen künstlerisch wertvollen Bildband, der zugleich als Einkaufskatalog dienen kann. – Doch wir warnen zur Vorsicht: Selbst die unter Wasser einsetzbaren farbigen Lichtquellen machen das Bild nicht von alleine. Es bedarf eines Teams, eine Models und jeder Menge Spass, um das zu erreichen, was Krolop & Gerst hier zeigen.
Last but not least: Der Preis
Wer den Vorweihnachtssonderpreis (120 EUR) verpasst hat, der sollte nun zum Schnäppchenpreis von 143 EUR schnell zugreifen!
Das mag auf den ersten Blick so klingen, als würden wir unsere Leser auf den Arm nehmen wollen, zumal „Schatten“ damit teurer ist, als ein Jahresabo vom SWAN Magazine. Aber in der Tat meinen wir das Ernst, eben weil wir diesen Bildband bis ins letzte Detail studiert haben. Weil wir selbst Druckerzeugnisse dieser Qualität erstellen. Und weil wir wissen, dass die Papierpreise in den letzten Monaten explodiert sind. Und auch weil wir wissen, dass dieser Preis nur die Produktionskosten reflektiert, nicht aber einen auch nur halbwegs angemessenen Preis für die Arbeit, die in der Erstellung dieses Werkes steckt. Und schon gar keinen Cent für die investierte Zeit und das kreative Invest, um einen solchen Bildband überhaupt realisieren zu können.
So bleiben zum Schluss nur zwei Probleme:
- Wer tatsächlich in ein intensiveres Studium dieses Bildbandes mit verschrenkten Beinen einsteigt, der wird wohl oder übel blaue Flecken an den Druckstellen bekommen (spätestens nach einer Stunde tut das Gewicht wirklich weh und Du wirst nicht die Hälfte der Seitenzahl erreicht haben)
- Wie zuletzt die Bildbände „Naomi“ oder auch „Dior“ fehlt es an Regalen und Schränken, die solche Formate problemlos unterbringen.
Was bleibt nach dem ausführlichen Studium hängen?
Nun, drei intensive Tage mit „Schatten“ machen klar: Es braucht Licht, um Schatten sichtbar zu machen. Auch deswegen beschäftigt sich „Schatten“ viel mehr mit unterschiedlichsten Lichtquellen, als dies der Titel des Buches vermuten liesse.
Schattenfetischisten, die aus Überzeugung nur mit Available light arbeiten und jede künstliche Lichtquelle vermeiden, werden vermutlich nur am ersten Kapitel ihre Freude haben. Aber diejenigen Leser, die sich dafür interessieren, Neues zu entdecken und „den Weg als das Ziel“ identifizieren, die werden mit „Schatten“ ihre wahre Freude haben und diesen Bildband vermutlich in vorderster Regalfront unterbringen wollen, weil er zu jedem Anlass als kreativer Ideengeber dienen kann.
Apropos…
Den künsterlischen Anspruch von Schatten erkennt man nicht nur am pittoresken Einband des Buches (siehe Titelbild dieses Beitrages), sondern auch am aufwändig handselektierten Papier (recycletes Ökopapier aus 100% Altpapier). Details, die die künstlerische Ausrichtung mehr als deutlich unterstreichen.
Wer noch mehr Kunst will, der kann Schatten auch als nochmal strenger limitierte “Collector’s Edition” erwerben. Das oben gezeigte Panorama-Foto mit Ausklappseiten zum Beispiel, gibt es nur in der Collector’s Edition. Dort gibt es auch transparente Seiten zu sehen, die bis an die Grenze des buchbinderisch Machbaren gehen. Die Collector’s Edition bietet zusätzliche 148 Seiten, einen edlen Schuber in schwarz und kommt dann auf stolze 7,7 Kilogramm Gewicht. Der Preis mag auf den ersten Blick erschrecken und es ist komplex, den Mehraufwand zu beschreiben. Aber jeder, der sich mit dem Buchdruck und der Buchbinderei ein wenig auskennt, dem wird vermutlich das Wasser im Mund zusammenlaufen…
Viel Spass bei der Lektüre!