Kurz nach Weihnachten ist es schwer, Kunden dazu zu begeistern, in Kunst zu investieren. Viele Galerien ziehen deswegen ihre Ausstellungen traditionell über den Januar hinweg und starten erst im Februar mit neuen Projekten. Ganz anders „The Photo Gallery Paffrath“ aus Düsseldorf. Die Gründerin, Ariane Schneider-Paffrath, versteht es, immer wieder auf’s Neue zu überraschen. Dieses Mal mit der russischen Profifotografin Olga Michi.
Corona-konform minimalistisch, aber exklusiv
Im ganz kleinen Kreis und nur auf persönliche Einladung fanden in dieser Woche zwei Veranstaltungen statt, die eher den Charakter von Wohnzimmergesprächen hatten. Olga Michi war zusammen mit ihrem russischen Kunsthistoriker und einer Dolmetscherin in der Stadt, um am zwei Abenden in Mini-Gruppe (also absolut Corona-konform) die neueste Ausstellung zu eröffnen.
Bereits am Mittwoch fand in extrem kleinem Kreis die inoffizielle Ausstellungseröffnung statt. Ariane Schneider-Paffrath hatte zum Dinner geladen, welches an grossen Tischen mit minimalster Besetzung und maximalem Abstand nicht serviert wurde, sondern tischeweise am Buffet abgeholt werden durfte. Am Tag darauf dann die offizielle Vernissage, die aber ebenfalls mit weit geöffneten Fenstern und mit handselektierten Gästen stattfinden musste, um die aktuellen Corona-Vorschriften einzuhalten.
Auf Augenhöhe
Die erfahrene Galeristin versteht es, spannende Gäste zusammenzubringen und so selbst bei Kleinstveranstaltungen die Exklusivität zu unterstreichen. In diesem Rahmen (und kaum vorhandenen Alternativkonzepten in der Kunstszene) konnte Ariane Schneider-Paffrath erneut die Ausnahmestellung ihrer Galerie am Düsseldorfer Carlsplatz hervorheben. Noch bis Dezember 2021 hatte sie Greg Gorman (Ausgabe 13) vorgestellt. Mit Olga Michi folgte eine junge Ausnahmekünstlerin, die mit ihrer kleinen Familie direkt von den Toren Moskaus lebt und für besondere Projekte bekannt ist.
Olga Michi
Die zweifache Mutter ist hierzulande noch nicht so sehr bekannt, fällt aber durch konsequent und professionell erarbeitete Projekte auf. Neben der Fotografie beschäftigt sie sich intensiv mit dem Medium Film und konnte schon zahlreiche Preise mit ihren Filmen gewinnen. Dabei widmet sie sich vor allem Themen, die in der Medienlandschaft entweder untergehen oder aber verzerrt dargestellt werden. Die Verletzlichkeit der Erde und ihrer Lebewesen zu zeigen, ist ihre Passion.
In ihrer Rede zur Ausstellungseröffnung in Düsseldorf hat sie den Film-Klassiker „Der weisse Hai“ als Beispiel dafür angeführt, wie mediale Vermarktung zu einer Fehlwahrnehmung führt. Ein Lebewesen, dass zweifelsfrei nicht ungefährlich ist, wird heute als Killermaschine wahrgenommen, obwohl dieses Tier für das Ökosystem der Weltmeere eine so essentielle Bedeutung hat. Auch die Anzahl menschlicher Schäden ist im Vergleich zu anderen Tieren, Umweltphänomenen oder Unfallarten so auffallend gering ist. Doch das Image des weissen Hais ist ein anderes: Der wichtige Beitrag, den dieses Tier für das Ökosystem Erde liefert, findet kaum Beachtung.
Lieber ein Zelt im Urwald, als ein Luxushotel in der Stadt
Im Dialog mit den Gästen berichtet Olga Michi, dass sie als Tochter eines Offiziers schon als Kind mitten im Wald in Zelten übernachtet hat. Auch wenn sie heute in feinem Zwirn vor den handselektierten Gästen steht, beginnen ihre Augen erst richtig zu funkeln, wenn sie von ihren Abenteuern berichtet. Sie schneidet nur kurz ihre Fotosafari zu Krokodilen an, doch noch am gleichen Abend finden wir diesen Film und verstehen die funkelnden Augen nun deutlich besser:
Extreme Photographer, Olga Michi
In der Photo Gallery Paffrath stehen keine Tiere im Vordergrund, sondern die Urvölker Afrikas. Menschen, die ein Grossteil der Menschen wohl nur aus dem Fernsehen oder aber von Ausnahmefotografen wie Olga Michi oder eben Hannes Schmid (Ausgabe 11) sehen, aber vermutlich nie erleben werden.
„Vulnerable“ heisst die Ausstellung von Olga Michi – wie ihr gleichnamiges Buch, das von der britischen Zeitschrift „Amateur Photographer“ zuletzt als „das beste Buch aus der Welt der Fotografie, das in letzter Zeit veröffentlicht wurde“ bezeichnet wurde.
In „Vulnerable“ (zu deutsch: „verletzlich“) zeigt Olga Michi Urvölker Afrikas, die verletzlich sind, weil sie von der Zivilisation immer mehr verdrängt werden. Doch auch ihr Körperschmuck, macht sie verletzlich, wie eine am Abend anwesende Ärztin berichtet: Mit Metallringen um den Hals werden nicht nur Wirbel künstlich gestreckt und dauerhaft in Mitleidenschaft gezogen, sondern auch eine Computertomographie ist im Ernstfall gar nicht möglich.
Stets der Suche nach besonderen Projekten
Mit strahlenden Augen berichtet die Fotokünstlerin von der Entstehung der ausgestellten Fotomotive. Mit einem lokalen Guide und einem kleinen Team habe sie sich auf die Suche gemacht und sei dank der lokalen Expertise schnell fündig geworden. Doch das Interesse der Urvölker in der staubigen Steppe sei gering, fotografiert zu werden. Sie sei vielmehr auf Interesse für die verwandte Technik gestossen und berichtete davon, dass ihr schwarzes Lichtzelt, welches sie einsetzt, um einen tiefschwarzen Hintergrund zu erzeugen, eigentlich jeden Abend hätte gewaschen werden müssen, weil die Einheimischen auffallend häufig den Stoff berühren mussten und dieser dadurch immer staubiger (und damit nicht mehr tiefschwarz) geworden sei.
Olga Michi berichtet auf unsere Nachfrage auch, wie sie mit zwei Dauerlichtquellen und zwei Assistenten fotografiert hat, weil die Ureinwohner einfach nicht still auf einer Stelle sitzen wollen, sondern die Fotografie als Zeremonie wahrgenommen haben. Für die beiden Lichtassistenten eine echte Herausforderung, weil der Einsatz von Stativen einfach nicht möglich war.
Sehr verwundert erfahren wir auch aus erster Hand, dass sich diese Menschen für die von Olga als Geschenk mitgebrachten Bildbände gar nicht interessieren. Auch der Blick auf das Kameradisplay sei in diesem Kulturkreis nicht von Interesse. Nicht einmal Prints vom eigenen Bild wollten die Protagonisten haben. Dafür aber haben sie sich eigens für Olga geschminkt – und einige seien sogar mit einem vollständig anderen Kostüm und einer komplett neuen Schminke ein zweites Mal wieder zu ihr gekommen, um dieses Erlebnis Fotografie noch einmal miterleben zu dürfen.
Ausstellung bis zum 28. Februar 2022
Noch gute sechs Wochen sind die einzigartigen Kunstwerke von Olga Michi in Düsseldorf zu sehen. Fotografische Kunstwerke, die Aufmerksamkeit erregen und den Dialog über Fotokunst fördern. Dazu tragen die teilweise massiven Arbeiten an der menschlichen Haut bei, die kriegerischen Waffen, die von diesen Völkern vor allem als Prestigeobjekt getragen werden, aber auch Zeugen menschlicher Zivilisation, wie eine Digitaluhr mit LCD-Display oder ein altes Smartphone, das Olga Michi (um die Gegensätze sichtbar zu machen) kurzerhand in den einen oder anderen Bilderrahmen integriert hat.
Neben den Fotokunstwerken selbst gibt es auch das Buch „Vulnerable“ in der Galerie zu kaufen. Letzteres wurde interessierten Gästen sogar persönlich signiert. Ganz Corona-konform kann die Besichtigung in begrenzter Personenanzahl während der regulären Öffnungszeiten der Galerie stattfinden. Doch auch individuelle Führungen bietet Ariane Schneider-Paffrath auf persönliche Anfrage gerne an. So wird Fotokunst erlebbar und Kulturgenuss auch in Tagen hoher Inzidenzen möglich gemacht.
Herzliche Einladung zum Besuch.