Bereits im Sommer 2019 kam unsere Ausgabe 04 auf den Markt. Mit dabei: Eine Künstlerin, die eigentlich Goldschmiedin werden wollte, dann Lehrerin wurde, um dann doch zurück in die Kunst zu schwenken: Noemi (Noe) Romano.
Die kesse Schweizerin hat uns eine Bildserie in Ausgabe 04 präsentiert, die Mensch und Tier in eine Symbiose bringt. Bilder, die Noemi zuvor bereits auf Ausstellungen gezeigt hatte. Nun sind 1,5 Jahre vergangen und wir treffen Noemi digital: Per Videokonferenz. Die Schweiz versinkt teilweise metertief im Schnee und wir sitzen im rheinischen Schneechaos (auch “Dauerregen” genannt) – aber das ist ein anderes Thema.
SWAN Magazine: Noemi, schön, dass wir beide uns heute digital kennenlernen. Als Schweizerin hast Du bisher in Kontakt gestanden mit meinen beiden Kollegen Adam und Marco. Nun habe ich die Ehre. Meinst Du, wir beide bekommen das Gespräch trotz Pandemie infektionsfrei hin?
Noemi Romano: (Lacht) Was ist das denn für eine Frage?
SWAN Magazine: Welche Sprachen sprichst Du – also ausserhalb von Schwitzerdütsch?
Noemi Romano: Also so richtig gut eigentlich keine. Mein Nachname ist ja italienischer Abstammung, aber tatsächlich bin ich nur zu einem Achtel Italienerin. Und die italienische Sprache habe ich leider nicht geerbt – dafür aber das Temperament.
Zurück zu den Sprachen: Für mich scheinen gute Englischkenntnisse mittlerweile unabdingbar. Schon nur die Vielfalt an coolen Tutorials auf YouTube beispielsweise zwingt mich, die im Gymnasium leider etwas verschlafenen Englischkurse mit „Netflix-Serien konsequent auf Englisch einverleiben“ zu kompensieren. Aber so macht lernen ja auch Spass.
SWAN Magazine: Hinter uns liegt ein spannendes Jahr. Wie war dieses Jahr 2020 für dich? Hattest Du die Gelegenheit, Dein tolles Projekt mit Menschen und Tieren fortzuführen?
Noemi Romano: 2020? Den Massnahmen entsprechend (lacht). Nein im Ernst. Die erste Welle war wirklich nicht einfach. Da damals noch nicht viel über das Virus bekannt und eine Pandemie in diesem globalen Ausmass auch neu war, gab es viel Verunsicherung. Das hat sich natürlich auch stark auf die Auftragslage ausgewirkt, was bei mir wiederum existenzielle Ängste ausgelöst hat. Das ging vielen so in unserer Branche. Ich hoffe wirklich, dass dies bei der aktuellen Situation nicht wieder so stark zu spüren sein wird. Im Moment sieht es aber auch nicht danach aus.
Ich habe tatsächlich im letzten Jahr noch zwei weitere Sujets umsetzen können – mit meinem Pferd und einer monströsen Ziege. Bei Letzterem bin ich mir noch nicht sicher, ob ich da etwas Brauchbares habe.
SWAN Magazine: Warum? Was hat nicht so funktioniert, wie Du es Dir vorgestellt hast?
Noemi Romano: Die Ziege war grösser als ich zuvor angenommen hatte. Und zudem war sie auch ziemlich ungestüm. Sie hat mein Model zweimal zu Boden geworfen, weil sie auf ihn draufgestiegen ist. Das Model ist übrigens unversehrt und hat mir versprochen, dass er nochmals dabei sein wird, wenn wir das Shooting wiederholen müssen. Dann wohl eher mit einer Zwergziege (schmunzelt).
SWAN Magazine: Und jetzt haben wir wieder “Corona-frei” und das Projekt ruht, oder?
Noemi Romano: Nein, ein weiteres Sujet mit einem Lamm habe ich gerade umgesetzt.
SWAN Magazine: Das heisst: Die Serie geht weiter und wir können bald neue Motive erwarten?
Noemi Romano: Ja, ganz sicher. Dieses Projekt bietet eine schier unendliche Auswahl an Sujets und solange mir die Umsetzung Spass macht, werde ich dranbleiben. Also rein theoretisch bis zu meinem Tod.
SWAN Magazine: Denkst Du gerade schon an den Tod?
Noemi Romano: (Lacht) Nein, aber ich denke über das Thema Vorausplanen vermutlich anders, als andere Menschen. Da fällt mir dieser Spruch ein: „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, dann erzähl ihm von deinen Plänen.“ Abgesehen vom leicht religiös Angehauchten finde ich den super. Nichts anderes erleben wir doch gerade. Ein kleiner unsichtbarer Virus tritt in unser Leben und die ganze Welt gerät aus den Fugen…
Aus der Metaebene betrachtet hat der Corona-Schlamassel ja auch etwas Gutes: Er zeigt uns, wie schnell sich Bedingungen ändern und wie stark sie Auswirkungen auf unser gesamtes Leben haben können. Da wird man schon etwas demütig – und das ist auch gut so.
SWAN Magazine: Hast Du denn parallel auch andere fotografische Projekte gemacht?
Noemi Romano: (Überlegt lange, stockt dann nochmal) Also diesen Sommer habe ich mehr videotechnisch gearbeitet. In dieser Zeit habe ich ein paar private Projekte und auch ein paar Kundenaufträge realisiert. Ich habe neue Themen ausprobiert und einige Dinge begonnen, die gerade in der Umsetzung sind. Ich war also durchaus mit der Kamera unterwegs, aber mehr filmbasiert.
SWAN Magazine: Hast Du denn fotografische Projekte für 2021 geplant?
Noemi Romano: So, wie ich das im Interview von Ausgabe 04 auch gesagt habe, reifen bei mir die Projekte im Kopf.
Ich habe einige Ideen, die ich umsetzen möchte, aber manchmal muss man Geduld haben und den richtigen Zeitpunkt abwarten. Ich fotografiere ja nicht, damit ich fotografiert habe. Wenn andere Dinge Priorität haben, dann ist das halt so. Im Moment ist einfach alles etwas chaotisch. Auch bedingt durch meinen Umzug und den Jahresabschluss. Dafür ist die Motivation um so grösser, wenn die Zeit wieder reif ist.
SWAN Magazine: So gesehen ist ja jedes einzelne Shooting, das Du mit einem bestimmten Tier durchführst, ein eigenes, kleines Projekt. Wie dürfen wir uns das vorstellen? Ist erst die Idee da und dann suchst Du das menschliche Model, bevor das Tier gesucht wird? Oder ist es umgekehrt?
Noemi Romano: Das ist unterschiedlich. Ich wähle für diese Serie ja Amateur-Charakterköpfe, sprich Leute, die ich sozusagen auf der Strasse treffe. Manchmal inspiriert mich ein Mensch, welcher die Idee für ein passendes Tier liefert und manchmal habe ich bereits ein Tier im Kopf und suche explizit dafür den passenden Menschen. Zum Beispiel reizt mich das Sujet mit einem Goldfisch. Dem entsprechenden Pendant bin ich leider noch nicht begegnet.
SWAN Magazine: Also sind die Mensch-Tier-Paarungen nicht zufällig?
Noemi Romano: Keineswegs! Das sind bewusste Entscheidungen, die ich da treffe. Und, um die nächste Frage gleich vorwegzunehmen: Nein, die Models sind nicht die Besitzer der Tiere. Diese Frage wird oft gestellt.
SWAN Magazine: Nun kombinierst Du in Deinem Projekt ja stets den Mensch mit einem Tier. Hast Du auch einmal darüber nachgedacht, diesen Virus, über den wir nun schon gesprochen haben, mit zu visualisieren? In irgendeiner Form?
Noemi Romano: Ja, zwar nicht in dieser Serie aber ich finde es durchaus spannend, wie man dieses Thema in einer Inszenierung aufgreifen könnte. Ich trage nämlich schon seit einigen Monaten so eine “Barbie und Ken Serie” in meinem Kopf spazieren. In der Grundidee geht es darum, Alltagssituation etwas überspitzt darzustellen. Ich finde, das passt recht gut zu dem, was wir derzeit erleben. Masken tragen und Social Distancing ist ja das „neue Normal“…
Aber ehrlich gesagt, geht mir dieses Thema im Moment „ziemlich auf den Sack“. Sagt man das auch so bei euch? Ich habe seit der letzten Massnahmenverschärfung offiziell den Corona-Koller. Was mir an dem Ganzen besonders Angst einjagt, ist die gesellschaftliche Spaltung. Es gibt zwei Lager. Ich nenne diese jetzt mal Massnahmenbefürworter und Verschwörungstheorektier. Mir scheint, als sei dazwischen nichts mehr möglich und das ist aus meiner Sicht problematisch. Die goldene Mitte ist in den Untiefen der Ängste – vor was auch immer – versunken.
SWAN Magazine: Vor 18 Monaten hast Du uns recht offen berichtet, dass Du die erste Million noch nicht auf dem Konto liegen hast. Wie schaut es nun aus?
Noemi Romano: (Lacht lange, aber leise) Das ist ein gutes Beispiel für Phasen, die kommen und gehen…
SWAN Magazine: Ich liebe diese diplomatischen Antworten der Schweizer(innen). Sie sind so schön unverbindlich und wirken immer sehr weise.
Noemi Romano: Weise? Das hör ich gerne! Wie soll ich es sagen? Ich bin nun wirklich nicht der Ultra-Kapitalist, aber ich sehe durchaus den Vorteil, wenn man sich nicht um das Geld sorgen muss. Was bedeutet das? Nun, wenn ich Millionärin wäre, würde ich vermutlich nur noch Kunst machen. Es geht mir mehr um die finanzielle Unabhängigkeit das zu tun, was ich möchte, als um den Porsche in der Garage. Und wer weiss, vielleicht habe ich mal Glück mit einem meiner Kunstprojekte und es geht etwas durch die Decke. Oder ich spiele in Zukunft einfach wieder etwas fleissiger Lotto (lacht).
SWAN Magazine: „Vegan is the new black” heisst eine Serie, die Du ebenfalls im SWAN Magazine gezeigt hast. Wie ging es mit dieser Serie 2019 und 2020 weiter?
Noemi Romano: Gar nicht. Im Gegensatz zu meiner Tierserie hatte ich in bei diesem Projekt immer nur drei Sujets vor Augen. Die Möglichkeiten an Variationen sind ja auch nicht vergleichbar. Es gibt also auch bei mir Projekte, die ihren Abschluss finden (lächelt).
SWAN Magazine: Eben haben wir über neue Videoprojekte gesprochen. Meinst Du, wir könnten davon auch etwas zeigen?
Noemi Romano: Ja, ich muss mal schauen, was sich schon zeigen lässt. Vieles ist noch mitten im Prozess – entweder erst in der Konzeptphase oder es gibt nur einzelne Takes, welche bereits aufgenommen wurden.
SWAN Magazine: Wie gehst Du denn an das Thema Video ran?
Noemi Romano: Oh, das kann ich pauschal gar nicht sagen. Ausser vielleicht: Bei Auftragsarbeiten etwas anders, als bei freien Projekten. Bei Kundenaufträgen sind die Grenzen viel enger abgesteckt. Die Visualität muss sich dem bestehenden Corporate Design unterordnen, der Tonalität und dem Stil der Unternehmensidentität. Bei freien Arbeiten führt mich entweder die Idee der Botschaft zu einem Ergebnis oder ich habe eine visuelle Vorstellung, welche ich dann in eine Story einbette. Optimal ist natürlich, wenn ich auch bei Auftragsarbeiten meine persönliche Handschrift einfliessen lassen kann.
SWAN Magazine: Wenn wir weibliche Künstler interviewen, erleben wir oft, dass sie einen anderen Blick auf die Fotografie und auf die Kunst haben, als ihre männlichen Kollegen. Lass uns das Thema mal näher beleuchten. Teilst du diese Auffassung grundsätzlich?
Noemi Romano: Das glaube ich sofort – wir haben ja auch eine andere Hirnstruktur. Würde mich interessieren, was ihr da genau beobachtet habt. Auf welche Unterschiede beziehst du dich?
SWAN Magazine: Wenn wir unsere Gespräche mit Fotografinnen und Fotografen vergleichen, dann sind die Unterschiede (natürlich ist das pauschalisiert und nicht auf jeden/jede zutreffend) doch recht einfach zu erkennen. Viele männliche Fotografen verfolgen ein Ziel, organisieren dafür eine Menge und dann geht’s los. Und wenn am Ende etwas ganz anderes herauskommt, als eigentlich geplant, dann ist das solange egal, wie die Ergebnisse gut geworden sind. Dann ist das Projekt trotzdem abgeschlossen und das Ziel gilt als erreicht.
Bei Frauen erleben wir oft eine viel detailliertere Herangehensweise. Da wird minutiös geplant, die Accessoires müssen stimmen und es ist gar nicht so wichtig, an dem Tag fertig zu werden. Denn wenn man die Idee nicht so umgesetzt bekommt, wie man sich die vorgestellt hat, dann nimmt man lieber einen weiteren Shootingtag hinzu, als es dabei zu belassen. Das ist natürlich nicht so bei einem einfachen Portrait, aber bei einem Projekt schon. Da soll das Optimum erreicht werden und darunter ist Frau mit dem Ergebnis auch nicht zufrieden.
Noemi Romano: Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Männer gehen wohl einige Dinge pragmatischer an. Ich habe beide Teile in mir. Gerade bei Auftragsarbeiten lebe ich folglich meine maskuline Seite. Das Ergebnis muss stimmen, die Wirtschaftlichkeit auch. Das liegt aber in der Natur der Sache denn vom Kunden wird genau das erwartet.
Bei freien Arbeiten habe ich die Möglichkeit, mir Zeit zu lassen – für die Konzeption und schlussendlich auch für die Umsetzung. Beispielsweise steht für mich bei der Tierserie das Wohl des Tieres im Vordergrund. Da kann es sein, dass ein Tier etwas nicht mag und es liegt mir fern in diesem Zusammenhang etwas zu erzwingen. Oft bieten mir die Tiere dann etwas anderes an. Und das sind – wenn man das erkennt, wertschätzt und sich darauf einlässt – geradezu magische Momente.
SWAN Magazine: Wir haben manchmal den Eindruck, dass es einen weiteren Grund gibt: Während Männer gerne über Kameratechnik fachsimpeln, tun Frauen dies überwiegend nicht. Meinst Du, die Frauen könnten sich deswegen besser auf das Wesentliche in der Fotografie konzentrieren?
Noemi Romano: Das würde ich so nicht behaupten. Ich bin mir nicht mal sicher, ob das Eine wirklich mit dem Anderen zu tun hat. Was ich aber unterschreiben kann ist, dass ich keinen blassen Schimmer davon habe, wie meine Kamera technisch gesehen funktioniert – es ist aber sicher hilfreich zu wissen, wie man sie bedient (schmunzelt).
Das Interview mit Noemi hat Dir, lieber Leser, Freude bereitet? Dann hast Du nun zwei Möglichkeiten: Du wartest, bis morgen Teil 2 dieses Interviews auf unserem Blog erscheint oder Du vertreibst Dir zwischenzeitlich mit Ausgabe 04 die Zeit und entdeckst dort weitere Kunstwerke von Noemi. In Ausgabe 04 berichtet sie auch über die Bedeutung von Ausstellungen in ihrem Leben als Vollblut-Fotografin.