Weiterhin hat der Corona-Virus die Menschheit weltweit im Griff. Die Nachrichten kennen zumeist nur noch dieses Thema und die Szenen, die wir aus gar nicht so fernen Ländern sehen, lassen uns erschauern. Als die ersten Nachrichten im Februar aus Wuhan kamen, waren sich alle sicher: „Das betrifft uns nicht“. Doch der Virus ist da. Überall. Rund um den Globus. Doch ist der Virus auch eine Chance?
Ein globales Phänomen
Nun zeigt ein mikroskopisch kleiner Virus, wie vernetzt unsere Welt doch geworden ist. Es ist normal, dass wir als Geschäftsleute um die halbe Welt fliegen. Es ist üblich, dass wir das eigene Heimatland kaum kennen und die Namen seiner Bundesländer nicht auswendig wissen… aber auf den karibischen Inseln kennen wir uns aus… selbstverständlich. Wir essen tropische Früchte, aber im Umkreis von 2o km kennen wir keinen Imker…
Egal, wie man das Kind nennt: Unser Leben ist von einem Tag auf den anderen nicht mehr so wie früher. Unser „Alltag“ wird fremdbestimmt. Wir müssen jetzt, wo der Frühling kommt und alle Menschen nach draußen streben, zuhause bleiben. Nix Eiscafé an der Uferpromenade. Nix Böotchenfahren auf dem See. Der Besuch des Frühlingsfestes, die Vernissage, die Hochzeit, der runde Geburtstag… alles das, was unser Zusammensein ausmacht, ist massiv beeinträchtigt – und das wird uns offenbar noch eine ganze Weile begleiten.

Existenzbedrohung
Gerade für Freiberufler, Freelancer, Fotografen, Künstler, Restaurants, Cafés, Frisöre, Nagelstudios und viele Andere mehr geht es um Existenzen. Die Kunden bleiben aus, lange im Voraus gebuchte Veranstaltungen werden storniert, die Umsätze brechen ein – aber die laufenden Kosten bleiben. Ein Kampf für Viele. Besonders Fotografen leben vielfach von der Hand in den Mund. So lange die Aufträge laufen, ist alles in Butter, aber Lohnfortzahlung bei Storno kennt die Branche nicht. Wie also soll der Virus eine Chance sein?
Break
Wer den Kopf in den Sand stecken möchte und soundso nach einem Grund gesucht hat, sein Business nicht weiter fortzuführen, der kann hier aufhören, weiterzulesen. Der Corona-Virus ist eine hervorragende Chance, sich von der Lethargie grosser Bevölkerungsgruppen einfach anstecken lassen und schlechte Laune verbreiten. Diejenigen, die das nicht wollen und weiterhin die Power besitzen, etwas zu bewegen, die dürfen weiterlesen. Müssen es aber nicht!

Öffnen wir unser Mindset mit einem Spiel
Wer Zukunft gestalten will und bereit ist, wirklich neue Dinge zu machen, der muss sich den Raum schaffen, aus seiner persönlichen Box (also den normalen Schranken unseres Handelns) herauszubewegen. Zugegeben, dies ist physisch besonders dann schwer, wenn Ausgangssperren gelten. Aber Denker und Visionäre können dies – auch während sie daheim auf der eigenen Couch sitzen. Also starten wir das Spiel.
2021
Unser Spielfeld zeigt die Jahreszahl 2021. Wir beginnen also mit der guten Botschaft: Wir haben Corona überlebt. Es war eine harte Zeit, die länger gedauert hat, als wir jemals für möglich gehalten haben, aber jetzt ist wieder Frühling. Frühling 2021.
Die Erlösung der Menschheit kam im Herbst 2020: Ein Forscherteam hatte ein Medikament entwickelt, dass wirksam und schnell den Corona-Virus abtöten konnte. Wochenlange Tests (zuerst an Tieren, später an infizierten Menschen und danach auch an gesunden Menschen) hatten keine Nebenwirkungen gezeigt, aber ein schnelles Absterben der Corona-Viren bewiesen. Die Herstellung des Medikaments war einfach und schnell umsetzbar.
Zwangsimpfungen
Am ersten Advent war das Militär weltweit von Haus zu Haus gegangen und hatte Zwangsimpfungen auf Zuckerwürfeln durchgeführt. Es war ein komischer Moment, diese „heilbringende Pille“ zu schlucken, aber wir hatten keine Wahl. Die Neuinfektionen hatten sich in Wellen entwickelt. Mal stiegen sie stärker an, mal weniger stark. Alle Versuche, eine Begründung oder Erklärung zu finden, hatten nur kurze Halbwertszeiten gehabt: Kaum waren die Thesen ausgesprochen, hatten neue Zahlen sie widerlegt. Der Virus aus Chance? Im Gegenteil: Der Virus war nicht zu bremsen. Die Ausgangssperren hatten unser Gesundheitssystem vor dem Kollaps bewahrt, aber die Kontakte der Menschen über Berufsfelder, die auch in der Krise unverändert die Sicherheit und Stabilität der Weltordnung sicherstellen mussten, hatten die Verbreitung nie beendet. Nur dieses Gegenmittel konnte es.
Ein bis dato niemals existierendes Gremium aus allen Staatsspitzen dieser Erde hatte sich im Hochsommer 2020 gegründet und gemeinsam gegen den Virus gekämpft. Dieses Gremium hatte eine weltweite Impfung an einem Tag bestimmt. Die „freiwillige Wahlbeteiligung“ lag bei 100%. Es war ein gigantisches Projekt und der Ausgang war nicht 100%ig sicher, weil man nicht die Zeit hatte, die Wechselwirkungen mit allen anderen Medikamenten, die manche Menschen ja weiterhin nehmen mussten, zu prüfen. Aber es blieb keine andere Wahl.
Vier Wochen dauerte die weltweite Ausgangssperre ab dem Moment der kollektiven Massenimpfung noch. Man wollte sicherstellen, dass die Neuinfektionskurve nicht nur abflacht, sondern (mathematisch betrachtet) eine negative Steigung bekam. Und das dauerhaft. Und schon nach zwei Wochen war die Kurve derart abgeflacht, dass es an ein Wunder grenzte.

Und plötzlich: Euphorie
Der dritte Advent wurde zu einem Tag, an dem weltweit eine Euphorie entstand, die sich am besten an der Anzahl der beleuchteten Tannenbäume ablesen lies. Kein Haus, kein Balkon, kein Garten hatte keinen beleuchteten Tannenbaum. Selbst kleine Wohnungen und Garagen waren mit Tannenbäumen oder zumindest tannenbaumähnlichen Formen geschmückt.
An Heiligabend wurde weltweit die Ausgangssperre beendet und die Menschen konnten wieder das tun, was sie gewohnt waren zu tun, bevor der Corona-Virus ihr Leben verändert hatte. Doch es war irgendwie anders. Nicht so wie früher.
Die Menschen hatten in Monaten des harten Verzichts lernen müssen, sich neu aufzustellen. Gärten, die noch im Jahr vor Corona zu Steingärten umgebaut worden waren, waren nun Gemüsegärten. Frostresistente Wintergemüse standen rund um die beleuchteten Tannenbäume. Rote Bete, die viele Kinder vor der Corona-Krise gar nicht mehr kannten, zierten nun den Weihnachtsbraten.
Die Natur als Vorbild
Denn schon wenige Wochen nach dem Beginn der Corona-Zeit hatte die Natur uns vorgeführt, wie anpassungsfähig sie ist. Sie hatte uns einen Spiegel vorgehalten und ermahnt, selbst nicht mehr so stark an Ritualen festzuhalten und Neues zu entdecken. Denn schon im beginnenden Frühjahr waren Delfine dort entdeckt worden, wo sie seit 20 Jahren nicht mehr gesehen waren. Die schillernden Farben, die plötzlich in den Kanälen Venedigs zu sehen waren, sind weltweit für ihre Farbenprackt berühmt geworden. Fluglinien und Autohersteller mussten Insolvenz anmelden, aber das Wetter war irgendwie schöner geworden. Der Dunst, der sonst über den Städten lag, war deutlich reduziert. So reduziert, dass man selbst zuhause regelmäßig freie Sicht auf den Sternenhimmel bekam. Und Staus gab es auch weniger. Deutlich weniger.
Die Natur hatte uns gezeigt, dass sie Freiräume sofort nutzt, sobald wir Menschen nicht versuchen, die Erde in die Knie zu zwingen. Die Klimaziele 2020 wurden weltweit problemlos erreicht. Sogar so massiv unterschritten, dass es den Menschen erst bewusst werden musste, wie lächerlich der Kampf um Nachkommastellen bei den CO2-Zielen zuvor gewesen war. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatten wir gelernt, auch ohne umfangreiche Autofahrten glücklich zu sein. Der Bäcker von nebenan (vor der Krise noch in der Überlegung war, den Laden zu schließen) hatte einen Lieferservice etabliert und insbesondere alte und kranke Menschen bevorzugt behandelt. Videokonferenzen (früher verpönt, lieber flog man in der Business Class um den Planeten) waren weltweit etabliert und die Digitalisierung unserer Prozesse war in diesen Krisenmonaten so explosionsartig angestiegen, dass Vieles einfach nicht mehr so war, wie zuvor.

Zurück zum Spiel
Auf dem Spielfeld liegt unser gesamtes Wissen, alle Tools, die wir schon vor der Krise hatten und auch die Erkenntnis, dass nichts mehr so sein wird, wie vor der Krise. Wir haben die Krise überlebt und können bis jetzt nicht begreifen, wie das finanziell geklappt hat. Aber wir leben. Nun gilt es die Zukunft zu gestalten. Was machen wir nun? Was machen wir nun anders? Womit beginnen wir und womit können wir Geld verdienen?
Als Fotografen denken wir zuerst an unser Werkzeug: Die Kamera. Was können wir damit nun machen? Jetzt, wo wieder gefeiert werden kann, wo Menschen sich wieder in den Armen liegen?
Wir brauchen eine Weile, um zu realisieren, dass wir mit unseren Kameras schon seit Jahren auch filmen können. Und es dauert noch länger, um zu bemerken, dass auf dem Spielfeld auch die Studioblitze liegen, die wir nach dem einen Workshop euphorisch gekauft hatten, dann einmal testeten und danach nie wieder benutzten. Können wir damit mehr machen? Wie können wir sie einsetzen, wenn wir nur bereit sind, mal etwas Neues auszuprobieren?
Jahrelang haben wir ausschließlich available light fotografiert. Das war einfach en vogue. Jeder hat es gemacht. Und der Blitz war schon immer nur Ballast. Hatte unsere Bequemlichkeit etwa dazu geführt, dass wir uns vom Licht abhängig gemacht haben, obwohl wir es hätten selbst in die Hand nehmen können?
Einige Fotografen mussten in der Krise von der Selbständigkeit ins Angestelltenverhältnis wechseln. Ob sie jemals zurückkommen, ist fraglich. Das ist schade um die kreativen Köpfe, die nun viel weniger die Social Media Kanäle bedienen und uns manchen spannenden Impuls gegeben haben.
Aber auf der anderen Seite ist es wie bei den Autoherstellern: Eine krisenbedingte Marktbereinigung reduziert nur die Auswahl. Die Qualität der Produkte und Dienstleistungen leidet nicht darunter. Denn eins hat uns die Krise nicht genommen: Unser Know How und unsere Erfahrung! Heisst: Gerade jetzt in der beginnenden Hochzeitssaison des Jahres 2021 könnte ein regelrechter Run auf die verbleibenden Fotografen entstehen. Wie kann ich mich darauf vorbereiten? Und wie gehe ich damit um, dass es viel mehr Hochzeiten geben wird als 2019 und (logisch!) deutlich mehr als 2020? Alle in 2020 ausgefallenen Hochzeiten werden doch nicht auf 2022 und 2023 aufgeschoben… Jetzt wo in 2021 der Virus besiegt ist, werden unzählige Hochzeiten nachgeholt werden.
Auch Familienfeiern werden vermutlich anders stattfinden, als je zuvor. Denn eins ist klar: Die Abstinenz in den Familien, das Besuchsverbot der Grosseltern führt doch zwangsläufig dazu, dass jedes Bild, was wir während der Krise geschossen haben, an Wert gewonnen hat. Denn es waren viel weniger Fotos und die wenigen Fotos hatten einen kompensierenden Charakter… sie hatten Enkel mit Grosseltern verbunden und manches persönliche Treffen substituiert.
Denkbar ist auch, dass Unternehmen, die die Krise gemeistert haben, große Feste feiern, um ihren Mitarbeitern DANKE zu sagen für die treue in schwierigen Zeiten. Auch die wollen festgehalten werden in Bild und Ton. Was ist für diese Zielgruppe unser Angebot und wie finden uns die Eventagenturen, wenn sie heute nach uns suchen?
Wie positioniere ich mich also vor diesem Hintergrund?
Geschäftsmodelle zu hinterfragen ist nicht jedermanns Sache. Und solange alles läuft, gibt es auch nicht wirklich einen Handlungsdruck. Doch was ist mit dem Fotografen, der mit Hilfe gut besuchter Workshops über Jahre hinweg gut leben konnte, der aber in der Krise monatelang auf diese Einnahmequelle hat verzichten müssen? Konnte er das über den Verkauf seiner Fotobücher kompensieren? Vielleicht, wenn er noch gute Bücher im Keller hatte und seine Kunden statt Workshops nun Bücher konsumiert haben. Aber neues Material für neue Bücher zu produzieren, war während der Virus-Krise eher schwer. Heisst: Auf den geschaffenen Druckstücken kann man sich nur kurz ausruhen. Sind sie abverkauft, kann eine Nachproduktion vielleicht einen Überbrückungskredit liefern, aber manchmal ist der Markt auch gesättigt. – Doch viel wichtiger: Die Erkenntnis, dass man sich als Fotograf vielleicht nicht einseitig von Hochzeiten abhängig machen sollte, sondern „sein Portfolio diversifizieren“ sollte…
Bleiben wir beim Hochzeitsfotografen. Wenn jetzt, 2o21, die Auftragslage sprunghaft ansteigt… was mache ich dann? Bleibe ich dabei, dass ich weltweit zur Verfügung stehe oder schränke ich den Radius ein? Bleibt es dabei, dass ich die komplette Bildbearbeitung selbst durchführe? Wenn meine Auftragslage in 2021 explodiert, sind im Ausland sitzende Bildbearbeiter dann für mich die richtigen Partner, damit ich mehr produzieren kann und mehr Hochzeiten annehmen kann? Habe ich die Gelegenheit genutzt, diese während der Krise auf Herz und Nieren zu überprüfen?
Wie viel Spaß macht es mir, für meine Brautpaare Hochzeitsalben zu erstellen? Macht es mir vielleicht soviel Spaß, dass ich dies als Dienstleistung für andere Hochzeitsfotografen anbiete und mich aus dem Fotografenbusiness ganz zurückziehe? Welche lokalen Partnerschaften konnte ich während der Krise pflegen und ausbauen? Was lässt sich daraus machen? – Also im Ernst: Auch in der Krise brauchen Unternehmen Fotos von ihren Produkten. Gibt es vielleicht einen Konditor, der Deine Dienstleistung während der Krise hätte gebrauchen können, um selbige zu überleben und Kunden dazu zu bewegen, seine Kuchen zu kaufen? Und würde dieser Konditor Dich zum Dank in 2021 nicht tausendfach als Fotografen empfehlen? Für Hochzeiten, Taufen, Firmungen, Kommunion oder Familienfeiern?
Wo wir hinschauen, gibt es Ansätze! Und als Fotografen sind wir heute nicht so sehr betroffen, wie z.B. Frisöre oder Tattoostudios. Denn wir mussten unsere Fotostudios nur vergleichsweise kurz schließen! Denn Familienfotos waren in der Krise plötzlich viel mehr wert, als je zuvor. Haben wir diesen Trend rechtzeitig erkannt und uns in unserem lokalen Markt entsprechend positioniert? Zum richtigen Zeitpunkt? Oder waren andere schneller?

Erfolg kommt von machen
Wer erfolgreich sein will, muss handeln. In der Krise genauso wie danach. Einfach immer! Denn wer nicht handelt und nicht vorausdenkt, der verliert gegen die, die handeln. Denn die Wahrnehmung der Bevölkerung wird immer von denjenigen Menschen geprägt, die etwas bewegen. Diejenigen Unternehmer, die als erste Plexiglasscheiben an den Kassen ihrer Lebensmittelmärkte angebracht haben, um ihr Personal zu schützen, haben eins richtig gemacht: Sie haben Kunden und Mitarbeitern eine klare Botschaft gegeben: Wir wollen weiterhin für euch da sein!
Wandel muss nicht wehtun
Oh Gott, Veränderung! Wie hasse ich Veränderungen. „Bei mir gibt es jedes Jahr zu Weihnachten Ente. Schon immer. Und das wird auch so bleiben!“
Wirklich? Du willst die Magenkrämpfe in der Nacht auf den ersten Weihnachtstag auf ewig konservieren? Nichts, aber auch wirklich gar nichts, muss gleich bleiben nach einer Krise. Krisen sind der Grundstock für einen Neuanfang. Der zweite Weltkrieg ist so ein Beispiel: Als alles am Boden lag, gab es nur noch eine Richtung: Aufschwung! Über 70 Jahre lang gab es nur Aufschwung. Heute, 2021, wissen wir, dass das Jahr 2020 eine Krise war, die mit dem zweiten Weltkrieg in irgendeiner Weise doch vergleichbar ist. Wir mussten zuschauen, wie unsere Liebsten sterben. Kein Arzt hatte Zeit, kein Krankenhausbett war frei. Aber wir, die wir diesen Text lesen, haben bis heute (2021) überlebt.
Fashion Photography
Wechseln wir vom Hochzeitsfotografen zum Fashion Fotografen. Mode ist Luxus! Und das, woran in Krisen am ehesten gespart wird, ist Luxus. Wenn hinzu kommt, dass Geschäfte wochenlang schließen mussten, dann hat der Fashion Fotograf mit Weitsicht direkt nach Absage der ersten Aufträge im März 2020 nach Alternativen gesucht. Und da er (mit Hilfe modernster Medien) früh erkannt hat, dass die Corona-Krise keine Eintagsfliege sein würde, hat er schnell nach Alternativen gesucht. Der lokale Kleidungshändler, der schließen musste, aber eine treue Fanbase hat. Wie kann man ihm helfen? Ist er in lokalen Social Media-Gruppen aktiv und bereit einen lokalen Lieferservice einzurichten? Dann nichts wie hin. Denn dann braucht er Fotos! Für Social Media, für seine Website. Ohne Deine Fotos kann er dichtmachen… er muss sein Geschäftsmodell neu denken, vielleicht schließt er den Laden dauerhaft und liefert aus dem Auto aus. Er könnte sogar vor der Haustüre der Kunden im Auto warten, bis die Anprobe vorbei ist und dann nur das abrechnen, was der Kunde tatsächlich kauft. Denn: Ein Einzelhändler, der den Kunden zuhause besucht und ihm anbietet, verschiedene Kleidungsstücke zuhause anprobieren zu können, der schickt den Einzelhändler nicht zurück, ohne etwas gekauft zu haben! Zumindest ein T-Shirt geht dann immer… also hat dieser Einzelhändler immer T-Shirts in verschiedenen Größen dabei… bei jedem Kundenbesuch… und da er ein geschickter Verkäufer ist, hat er sogar ein Spezial-T-Shirt drucken lassen: Ein T-Shirt mit seinem Logo drauf mit dem Hashtag drunter #ichlieferezudirnachhause. Jeder Kunde, der für mehr als 100 EUR bei ihm einkauft, bekommt dieses T-Shirt geschenkt. Zusammen mit einem kleinen Zettel. Auf dem Zettel steht der Auftrag: „Poste ein Selfie von Dir mit diesem T-Shirt in der örtlichen Facebookgruppe und weise darauf hin…. ab 100 EUR Einkaufswert gibt es ein T-Shirt gratis dazu…“ – Gehe viral und sei anders… sei mutig!
Ideen sind keine Mangelware
Ideen sind kostenlos. Sie sprudeln aus manchen Menschen nur so heraus. Sie sind keine Mangelware, sondern zuhauf vorhanden. Nur war es vor der Krise so, dass Viele sich gar nicht getraut haben, ihre Ideen umzusetzen. Dann (während der Krise) haben sich die Ersten getraut und haben Applaus geerntet. Heute (nach der Krise) sind daraus neue Geschäftsmodelle entstanden.
Doch Ideen entstehen nicht auf der Couch! Die Couch versetzt uns alle in einen Chill-Modus. Im Chill-Modus verfallen wir in Konsumlaune, essen Chips und trinken Wein, doch wir reden nur und tun nichts. Wer Ideen entwickeln und umsetzen will, der muss sich hinsetzen (oder noch besser: aufstehen!), Stift und Blatt in die Hand nehmen und einfach mutig starten. Viele Ideen stellen sich schnell als Irrweg heraus. Andere sind nicht so einfach realisierbar, aber noch andere Ideen lohnt es sich zu verfolgen!

Der kleine Bäcker im Ort
Der kleine Bäcker bei mir um die Ecke hat jahrelang geächzt. Schon 2015 lag er am Boden und hat eigentlich nur für treue Kunden durchgehalten. Kostendeckend war das nicht. Aber er wollte die Kunden nicht im Stich lassen. Gleichzeitig war der Druck der großen Ketten (vor der Corona-Krise in jeden Supermarkt integriert) viel zu groß. Sie waren dort, wo der Kunde eh war. Sie konnten in Masse günstiger produzieren und dabei mehr Vielfalt bieten. Ohne ein Spezialgebiet konnte der kleine Bäcker im Ort nur so lange durchhalten, wie das Finanzamt nicht mit „Liebhaberei“ gekommen ist. Doch dann kam die Corona-Krise. Und nachdem der Virus zuerst für spezielle Ladenöffnungszeiten für Senioren gesorgt hatte, änderte sich das, als die Ausgangssperren nach ersten Lockerungen doch nochmal erweitert werden mussten. Junge Familien haben sich Brotbackmaschinen gekauft, um nicht so oft einkaufen gehen zu müssen. Aber eben dieser eine kleine Bäcker hat eine schwere Entscheidung getroffen: Nach 70 Jahren im Familienbesitz hat er sein Ladengeschäft aufgegeben und einen VW-Bus gekauft. Er hat einen jungen (durch die Krise arbeitslos gewordenen) Webdesigner engagiert, in wenigen Tagen eine Website aufgebaut, einen jungen Menschen als Fahrer einstellen können, der aufgrund von Kurzarbeit seinen Job verloren hatte und zusammen mit diesem jungen Fahrer fährt der Bäcker jetzt tagein tagaus durch den Ort und verkauft Brot und andere Backwaren. Selbst teilweise rares Mehl und Hefe hat er stets dabei. – Er fährt die Straßen ab, wie die Schrotthändler früher (die während der Krise nicht mehr kamen, weil sie alle in ihrem Heimatland bleiben mussten und nicht einreisen konnten). Doch dafür kommt der Bäcker aus dem eigenen Ort jetzt. – Stellt sich eigentlich nur die Frage, warum der Bäcker eine Website braucht, wenn er doch überwiegend Senioren bedient… doch auch diese Überlegung war kein Fehler, sondern eine strategisch sinnvolle Entscheidung! Der Webdesigner hatte dem Bäcker nämlich verraten, dass er -um seinen Lieferservice bekannt zu machen- in lokalen Social Media Gruppen aktiv werden müsse. Und da der Bäcker das gar nicht kann, hat dies der Webdesigner für den Bäcker übernommen. Jeden Morgen war (und ist bis heute) das „Sonderangebot des Tages“ zu sehen. Also jeden Tag etwas anderes. Schnell hatte die junge Generation die Grosseltern über diesen neuen Lieferservice informiert… und als Überraschung zum Hochzeitstag eine Hochzeitstorte anliefern lassen…
Doch es ging noch mehr: Die Social Media-Nutzer und Follower des Dorfbäckers haben ihn gefragt, warum er keinen Onlineshop einrichten würde. Denn zusammen mit seinem lokalen Lieferservice war es doch gar kein Problem, online (=kontaktlos) eine Bezahlung abzuwickeln und dann das Paket zuhause vor die Türe zu legen… wie früher… in den 70ern… als morgens die Brötchen vor der Türe lagen… Dieser innovative Bäcker verkauft bis heute Brötchenabos und hat längst einen zweiten Fahrer eingestellt. Der beliefert nicht mehr nur Privatpersonen, sondern auch die Firmen vor Ort, damit die Mitarbeiter in der Pause nicht mehr das Büro verlassen müssen… der Unternehmenschef subventioniert seit der Krise die Mittagsstullen vom lokalen Bäcker, um die Ansteckungsgefahr seiner Mitarbeiter zu reduzieren. Und der alte Bäckermeister nahm sogar seine alte Brotbackmaschinen wieder in Betrieb, die jahrelang nicht mehr in Betrieb waren… er bildet wieder Lehrlinge aus und hat nun eine Kooperation mit einem Konditor begonnen. Sonntags brummt nämlich bereits seit Jahren sein Kuchen-Lieferservice. Kuchen bietet er aber nur auf Online-Bestellung an. Denn so kann er den Kuchen zuhause packen und viel schneller ausliefern und damit auch mehr Kunden erreichen… Gleichzeitig macht er Kuchenkäufer zu Online-Kunden. Cross Selling nannte man das vor der Krise. Unser Bäcker nennt es einfach nur noch den Corona-Effekt. Er hat sogar ein spezielles Brötchen neu entwickelt, das nun den Namen „Corona-Semmel“ trägt. Ohne den Virus hätte der Laden 2020 geschlossen. Heute beschäftigt er 20 Personen.

Der kleine Bio-Bauer
Der kleine Bio-Bauer hat den Bäcker im Ort lange belächelt. Er hatte nicht den Mut, etwas zu ändern. Bis der Webdesigner auf die Idee kam, die Leerfahrten des Bäcker-VW-Bus besser zu nutzen, wenn der Bäcker für eine zeitlich begrenzte Zeit die neue Kartoffelernte mit in seinen Bäcker-Online-Shop aufnähme… die Idee schlug wie eine Bombe ein. Statt Eismann und BoFrost sieht man heute den Bäcker und den Bio-Bauern in der Straße stehen. Dank Umsatzexplosion konnten sie die Preise sukzessive senken und liefern heute frischere Produkte als jeder Supermarkt – und das direkt zum Kunden nach Hause. Frei Haus. Und wer hat die Fotos für den Webshop gemacht? Der Fotograf vor Ort… der, der als erstes den kleinen Klamottenladen unterstützt hat… der Fashion Fotograf also… warum? Er war dem Besitzer des Kleidungsladens entgegengekommen und hatte sich nicht die Fotoerstellung bezahlen lassen, sondern pro Euro Umsatz eine Umsatzbeteiligung auszahlen lassen… heute bekommt er für jedes Brötchen 1 Cent als Umsatzbeteiligung… bei Möhren und Kartoffeln ist das nicht anders. Der querdenkende Fotograf hat also schon Umsatz gemacht, bevor sein Wecker überhaupt geklingelt hat. Jeden Tag! Auch sonntags…
Think different
Ein alter Apple Slogan klingt auf der einen Seite abgedroschen, wird aber dennoch immer wieder gerne verwendet. Doch ein Rückblick lohnt: „Think different“ war der Slogan von Apple, als Apple am Boden lag. Als der pure Kampf ums Überleben längst begonnen hatte, war endlich die Bereitschaft da, sich vom Wettbewerb abzuheben und etwas Neues zu wagen…
Der Virus als Chance
So ist auch der Corona-Virus eine riesige Chance gewesen, die (genauso wie am Ende des zweiten Weltkrieges) nur wenige erkannt und für sich genutzt haben. Aber diejenigen, die 2020 den Mut hatten, neu und anders zu denken, die haben es überwiegend geschafft. Nicht nur finanziell haben sie überlebt, sondern sie haben Firmen aufgebaut, die es ohne die Krise heute nicht geben würde.

Übrigens: Tannenbäume sind in 2021 zum Symbol der Solidarität geworden. Viele Menschen haben den Baum im Vorgarten nie mehr abgeschmückt und zeigen noch heute mit dem Licht, welches sie jeden Abend entzünden: Ich unterstütze die lokale Wirtschaft.
Viele Künstler des SWAN Magazines zeichnen sich übrigens dadurch aus, dass sie etwas anders machen, als andere. Mehr über die persönliche Story unserer Künstler gibt es im ausführlichen Interview. Fünf an der Zahl gibt es davon pro Ausgabe.
April 19, 2020 @ 1:17 pm
Utopisch, Visionärinnen schön!
Hoffentlich kommt es so…