Sebastian Trägner ist Lesern dieses Blogs kein Fremder. „Trägi“, wie ihn seine Freunde nennen, ist nicht nur Künstler der beinahe ausverkauften Ausgabe 08, sondern vor allem durch und durch Künstler. Für die Kunst tut er alles und nimmt auch grösste Strapazen auf sich. So war er zuletzt auf Island, um dort einen neuen Kamerabody zu testen.
Wir trafen ihn gestern -zusammen mit zahlreichen Gleichgesinnten- im Süden Köln’s. Zur Ausstellungseröffnung von „True Colors„. Doch bevor wir über die Vernissage an sich berichten, richten wir den Blick auf die Location mit dem Namen Ektra: Unweit der Autobahn A59 zwischen Köln und Bonn, also genauer gesagt keine 500 Meter von der Autobahnabfahrt entfernt, liegt der kleine Ort „Lind„. Ein Kleinod, wo sich vor allem mittelständische Industrie in infrastrukturiell guter Lage angesiedelt hat. Dort an der ersten Querstrasse zur Bundesstrasse B8 liegt das Offspace.
Offspace Ektra
Das „Signor Rossi Ektra Offspace“ (wie es mit vollständigem Namen heisst) ist -und das muss man vorweg schieben- einfach cool, gemütlich und einzigartig in seiner Art. Etwas ausführlicher lautet die Beschreibung: „Eine etwas versteckt liegende Tankstelle mit einem liebevoll gestalteten Interieur im Tankstellenbereich und einem angebauten Veranstaltungskleinod, das früher einmal eine Waschstrasse war, durch die auch LKW fahren konnten.“
Zugegeben, diese Beschreibung ist etwas sperrig. Und sie beschreibt vor allem nicht, mit welcher Hingabe dieser Kleinod gestaltet und restauriert wurde. Wie sehr strategisch Eigner und Mastermind Negerito Mario Schöngeist bei der Gestaltung agiert hat, wird spätestens transparent, wenn man nach oben schaut und an der Wand einen knallgelben Rennwagen der Formel 3 entdeckt. Schweift das Auge weiter, fällt eine kleine Empore auf, auf der während der heutigen Vernissage der DJ steht. Genauso gut könnte hier aber auch ein Lehnsessel stehen, von wo aus Lesungen für das unten sitzende Volk stattfinden.
Viele Accessoires hier im Ektra Offspace sind mit Liebe ausgesucht und handverlesen zusammengestellt. Wir erfahren, dass einige davon aus dem Leo Leo stammen und sogar den Shopbereich der Tankstellen vom nüchternen Flair grosskonzerniger Mineralölgiganten unterscheiden. Dass die eine grosse Spiegelkugeln noch während des Events (aber natürlich nach dem offiziellen Teil) von Hand repariert und ans Laufen gebracht wird, unterstreicht, mit wie viel Liebe für’s Detail hier gearbeitet wird. Das zeigen auch die Motorräder, die teilweise mitten im Raum stehen und mehr Kunstwerk und Schmuckstück sind, die dieses Kleinod bereichern und einzigartig machen.
Die Führung
Bereits eine Stunde vor dem offiziellen Beginn der Vernissage startet die Führung des ausstellenden Künstlers, Sebastian Trägner. Wir selbst konnten diese nicht begleiten, erfahren aber von den Gästen, mit welcher Hingabe „Traegi“ das Publikum über die einzelnen Arbeiten informiert hat. Später, als der offizielle Teil beendet ist, berichtet Sebastian selbst, dass das Interesse so gross war, dass sie die Teilnehmeranzahl (auch vor dem Hintergrund wieder zurückgegangener Corona-Zahlen) kurzfristig noch einmal erhöhen konnten.
Der offizielle Teil
Pünktlich um 20 Uhr füllt sich der „Saal“, der wie für eine Waschstrasse üblich, länger als breit ist und auf beiden Seiten eine gute Lüftung erlaubt. Vor einer langen Seite, schön sauber in Reih und Glied stellen sich die Redner des Abends auf. Kurz nachdem sie mit Mikrofon vorgestellt wird, ergreift Elfi-Scho Antwerpes (Vorsitzende des Kulturausschuss der Stadt Köln) das Wort. Doch statt über Politik zu berichten, widmet sie ihre Rede der Bedeutung von Kunst und Künstlern in der Stadt. Sie berichtet über den seit Jahren existierenden Mangel an Offspaces und anderen Räumlichkeiten, die den Künstlern (auch nur zeitweise) zur Verfügung gestellt werden können und die Hemmungen, die von Seiten der Wirtschaft immer wieder bestehen. So richtet sich ein Teil ihrer Laudatio dem Ektra Offspace, das heute mit dieser Vernissage das erste Mal für eine solche öffentliche Veranstaltung genutzt wird und in Zukunft viel häufiger in dieser Form eingesetzt werden soll.
Den zweiten Teil Ihrer Rede widmet sie der Kunst. Sie spricht über Sebastian Trägner, seine Kunstwerke, sein Denken und Handeln, aber auch über die Notwendigkeit, Künstler durch Events wie dieses (aber auch durch den Kauf von Kunst) zu unterstützen, weil genau diese Menschen unseren teilweise tristen Alltag bereichern. Sebastian selbst steht im stylischen Anzug mit moderner Kurzhose und herausblinzelnden Socken daneben. Als er als ehemaliger Sportler, Influenzer, Fashionspezialist und als Fotokünstler persönlich vorgestellt wird, bekommen wir den Eindruck, er wolle sich am liebsten unter seiner zum Markenzeichen avancierten Mütze verstecken, statt hier im Mittelpunkt zu stehen. Und in der Tat: Als der offizielle Teil zu Ende ist, berichtet er uns, wie froh er ist, nun nicht mehr im Rampenlicht zu stehen.
Den zweiten grossen Redeanteil haben Dr. Ulrich Soénius (Direktor der Stiftung des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchiv zu Köln) und Gérard Margaritis (Inhaber der Kölner Kunstgalerie 30 Works). Sie alle berichten in höchsten Tönen vom Fotokünstler Sebastian Trägner weisen darauf hin, wie wichtig es für die Kunst und die Künstler doch ist, Events wie diese nicht nur dazu zu nutzen, Kunst und Kultur zu geniessen, sondern die Künstler auch dadurch zu unterstützen, dass Kunst auch gekauft wird und heimische Wohnungen nachhaltig bereichern kann.
Die Ausstellung „True Colors“
True Colors ist, wie uns Trägi nach dem offiziellen Teil berichtet, eine Gesamtsicht auf seine fotografischen Werke. Es handelt sich nicht um Fotografien, die zusammen eine Serie aus einem Projekt darstellen, sondern verbindet mehrere Bereiche seiner fotografischen Arbeiten. Wenn man versucht, einen Nenner über alle zu finden, so fallen uns spontan zwei Begriffe ein: „Landschaften“ und „Portraits“.
Auch wenn wir nur ein echtes Portrait auf der Ausstellung entdecken konnten, so sind viele Aufnahmen Körperlandschaften, die Menschen auf ganz andere Art und Weise portraitieren, als wir es von einem Portrait erwarten. Genauso haben die Landschaftsaufnahmen etwas menschliches, weil sie zum einen menschliche Formen und Rundungen zeigen, zum anderen aber auch, weil sie die Aufmerksamkeit des Betrachters erhaschen und diesen fesseln – wie ein guter Dialog mit einem Menschen.
Stolz berichtet uns der Künstler, dass er alle Prints bei einer Berliner Manufraktur hat produzieren lassen. Warum? Weil mit seinem Auftrag für diese Ausstellung dort hunderte neue Bäume gepflanzt werden. Denn die Natur sei ihm ebenso wichtig, wie die Ausstellung selbst.
In der Ausstellung „True Colors“ sehen wir auf der langen Wand grossformatige Motive. Einige im Hochformat, andere im Querformat. Also ideal, um über der Couch oder neben dem Esstisch eine neue Heimat zu finden und zum Gespräch mit privaten Gästen anzuregen. Auf der gegenüber liegenden „kürzeren Wand“ (kürzer ist sie nur, weil hier die Bar und der Durchgang zum Tankstellenshop eingebaut sind) sind zahlreiche kleine Format (40×60 cm) zu sehen, die auch an kurzen Wandabschnitten echte Eyecatcher darstellen.
„True Colors“ ist täglich vom 30.04.2022 bis zum 03.07.2022 zwischen 10 und 22 Uhr zu besichtigen. Die gute Verkehrsanbindung, die einzigartige Tankstelle, das besondere Café-Angebot und der kleine Biergarten vor der Türe laden dazu ein, im Vorbeifahren eine kulturell-kulinarische Pause einzulegen. Der Eintritt ist frei.
EKTRA Offspace
Niederkasseler Strasse 8
D-51147 Köln-Porz (Ortsteil Lind)
True Colors Vernissage - Portraegi
Mai 2, 2022 @ 10:32 am
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