Die internationale Leitmesse der Fotografie ist zuende. Vier Tage lang war die Szene versammelt in den Kölner Messehallen. Rund 180.000 Besucher aus weit mehr als 100 Ländern waren in Köln Deutz. Die Messe selbst zieht eine positive Bilanz und lobt die zunehmend jüngeren Besucher der Messe.
Neues Konzept
Tatsächlich war es die letzte Photokina nach altem (klassischem) Konzept: Statt wie bisher alle zwei Jahre im September wird die Photokina künftig jährlich im Mai stattfinden. Eine jüngere Zielgruppe soll angesprochen werden und die Kombination aus Event und Produktpräsentation soll weiter ausgebaut werden.
Mehr Events
Bereits dieses Jahr waren es auffällig mehr Events als in den letzten Jahren, die während der reduzierten (4 statt 6) Messetagen stattgefunden haben. Speaker aus diversen Nationen betraten unterschiedlichste Bühnen in den diversen Hallen. Und die Zuschaueranzahl variierte stark. Bei Rednern mit Rang und Namen platze das Haus fast aus allen Nähten, bei unbekannteren Speakern (vor allem in weniger frequentierten Hallen) blieben oft Sitzplätze frei, obwohl die Präsentationen über eine beachtlich hohe Qualität verfügten.
Dass Events sukzessive zunehmen, war bereits bei den letzten beiden Messen (2014 und 2016) zu spüren. Doch was als Neuausrichtung medienwirksam propagiert wird, bezeichnen „alte Hasen“ als „Rückbesinnung auf Bewährtes aus der Vergangenheit“. Geht man in die 80er oder beginnenden 90er Jahre zurück, so gab es bereits Fotografie-Leitmessen, auf denen deutlich mehr Events stattfanden, als in den letzten 10 Jahren.
Rückbesinnung?
Doch ist es eine echte Rückbesinnung? Wir vom SWAN Magazine denken nein. Warum? Nun, mit Fotofestivals, wie Zingst, wo aus einer kleinen Veranstaltung über die Jahre hinweg ein immer größeres Event wurde, bei die Fotografie im Vordergrund steht und seit Jahren nicht nur mehr Fotografen hinstreben, sondern vor allem auch die Hersteller nicht mehr fernbleiben können, ist ein Eventkonzept entstanden, das viel mehr zum Thema Fotografie passt, als eine nackte Produktshow.
Sony (ohne hier Werbung machen zu wollen) ist bereits seit Jahren auf diesen Zug aufgesprungen und hat dies in diesem Jahr mit
- einer Hauptbühne
- einem Mittelpodest
- einer Action-Zone
- einem Weddingstudio und
- drei Themenboxen
von den großen Herstellern sicherlich am weitesten auf die Spitze getrieben. Olympus (im Prinzip gar nicht klassisch auf der Messe vertreten, sondern mit einer eigenen Halle, die zum Playground umgebaut wurde) stellte die Produkte ganz in den Hintergrund, indem sie auf einen klassischen Messestand gänzlich verzichteten.
Neue Produkte
Glaubt man dem Medienhype, so sind die spiegellosen Systemkameras (allen voran die von Nikon und Canon) die Hauptattraktionen der Photokina 2018 gewesen. Doch hinter den Kulissen, war der L-Mount (eine Allianz für einen einheitlichen Bajonett-Standard für Kameras mit Wechselobjektiven der Marken Leica, Sigma und Panasonic) die wahre Innovation. Außer zahlreichen kleinen Objektivherstellern haben in der Vergangenheit vor allem Tamron und Sigma Objektive für fremde Kamerabodies erstellt. Mit der L-Allianz wird das von Leica bereits 2014 für die SL- und TL-Serie entwickelte Bajonett mit einem Innendurchmesser von 51,6 mm zum neuen Standard – und es darf durchaus die Frage gestellt werden, ob Nikon mit dem neuen Z-Bajonett (55 mm Innendurchmesser) und Canon mit dem RF-Bajonett (54mm Innendurchmesser) nicht zuviel an Größe spendiert hat, denn Leica beweist (wie Nikon und Canon mit ihren bisherigen DSLR’s auch), dass Vollformat auch mit kleineren Bajonetten funktioniert.
Die Größe der neuen Bajonette hat nämlich einen entscheidenden Nachteil: Die Objektive werden zwanghaft größer und damit auch schwerer. Der bauartbedingte Vorteil der spiegellosen Systemkamera (geringe Tiefe = geringeres Gewicht) wird also durch mehr Glas vorne dran mehr als wett gemacht. Schade eigentlich, wo Leica mit der M-Serie doch seit Jahren beweist, dass Vollformat auch mit kleineren Außenmaßen funktioniert.
Viele andere Produktneuigkeiten (schicke und energiesparende Flächenleuchten, innovatives Druckerpapier, kleine Gadgets etc.) sind in der Omnipräsenz der großen Hersteller quasi untergegangen.
Ausbaufähig: Das Bühnenkonzept
Mit unterschiedlichen Themenhallen nahmen auch verschiedene Veranstaltungshallen Einzug in das neue Konzept der Messe. Insgesamt fünf Themenwelten gab es auf der Photokina 2018:
- CAPTURING UNLIMITED
- CREATING UNLIMITED
- DISCOVERING UNLIMITED
- LIGHTING UNLIMITED
- PRESENTING UNLIMITED
Allesamt gute Konzepte und ein toller Ausblick auf die Photokina 2019 im Mai, aber durchaus auch ein Konzept mit Verbesserungspotential: Durch die Einbindung großer Hersteller in die Themenwelten wären viele gute (und kaum besuchte) Fachvorträge nicht so untergegangen, wie es faktisch hier und da der Fall war.
Bestes Beispiel ist da das Imaging Lab mit einer großen Bühne ganz am Ende der Messehalle, wo junge Startup-Projekte ihre Konzepte vorstellen (z.B. eine echte digitale Mittelformatkamera (6×6) aus der Hand junger deutscher Ingenieure, die dringend Kapitalgeber brauchen, um ihr Projekt realisieren zu können). Wenn direkt darüber Sony ein Veranstaltungsfeuerwerk auf diversen Bühnen veranstaltet, wird es schwer, darunter nur halb so viele Teilnehmer zu gewinnen. Das ließe sich verbessern, denn gerade die kleinen Perlen sind es oft, die für Bewegung im Fotosektor sorgen.
Ausblick Photokina 2019
Da dürften wir gespannt sein auf Mai. Man munkelt bereits, dass einige Hersteller der Photokina den Rücken kehren werden und lieber weiterhin im Frühjahr stattfindende Fotoevents in ganz Europa zu besuchen, um noch näher an die Kunden von morgen heranzukommen. – Wir werden es sehen: An der Besucherzahl 2019, an der Ausstelleranzahl 2019, aber auch an der Gesamtfläche der Photokina (die 2018 in Vergleich zu 2016 erneut gesunken war).
Die Veränderung macht es spannend. Und wer weiß… vielleicht sind 2019 noch jüngere Teilnehmer da und noch mehr Innovationen vertreten. Lassen wir uns überraschen. Was auf jeden Fall erhalten bleibt, ist der Standort Köln…
Zitat: Oscar Wilde
Die Unzufriedenheit ist der erste Schritt zum Fortschritt; für den Einzelnen wie für die Nation.