Die Kulturbranche liegt am Boden. Der erneute (länderabhängig partielle) Lockdown führt nicht nur zu Schliessungen bei Restaurants, Bars und Cafés, sondern auch an vielen anderen Stellen. Ganz arg betroffen sind in diesem Jahr die Museen, die nach dem ersten Lockdown mit einem umfangreichen Hygienekonzept selbst die Umsatzbremse eingezogen haben, in dem nur begrenzte Teilnehmerzahlen hereingelassen werden durften und nun erneut schliessen mussten.
Irgendwie in Vergessenheit geraten sind die kleinen Galerien
Die kleinen Galerien bieten ausserhalb von Vernissagen (die natürlich aktuell untersagt sind) weder etwas zu Essen, noch etwas zu Trinken. Sie sind damit weder Restaurant, noch Café. Aber eben auch kein Museum! Und deswegen haben viele kleinere Galerien derzeit die Türen geöffnet und freuen sich über jeden Gast. Klar, auch dort gilt es, Abstandsregeln einzuhalten. Auch dort gibt es maximale Besucherzahlen pro Quadratmeter und genauso gelten Mundschutz und Lüftung als zentrale Voraussetzung für die Öffnung der Galerien.
Da immer mehr Galerien die Nähe zum SWAN Fine Art Magazine nutzen, haben auch wir die Gelegenheit genutzt, die eine oder andere Galerie zu besuchen und können dies Kultur- und Kunstinteressierten durchaus als Alternative und als Inspirationsquelle zugleich empfehlen.
Düsseldorf bietet Perlen…
Vor zwei Wochen zum Beispiel waren wir in der Leica Galerie in Düsseldorf zu Gast. Die “Freunde mit dem roten Punkt” haben ein so einfaches, wie simples Hygienekonzept: Im Laden selbst dürfen sich nur fünf Personen aufhalten; in der Galerie im Keller nur ein einzelner Gast (bzw. ein Päarchen aus gleichem Wohnraum). Das macht den Galeriebesuch ganz einfach: Einfach zu den normalen Öffnungszeiten durch die Kö-Galerie schlendern und bei den freundlichen Kollegen am Tresen fragen, ob unten in der Ausstellungsfläche schon ein anderer Gast ist oder nicht. Noch bis zum 6. Januar 2021 hängt dort “Meister der Vielfalt” von Walter Vogel. Lohnt sich! Auch für Nicht-Leica-Fotografen.
Eine ganz andere Institution ist das NoirBlanche im Düsseldorfer Norden. Grob liegt diese Galerie zwischen den Versicherungstürmen von ERGO und ARAG, also in Derendorf. Die Galerie selbst ist ein Kleinod: Grosse Fensterflächen laden zum Besuch ein und lassen schon von aussen erahnen, welche Perlen drinnen zu finden sind. Das Konzept der Galerie NoirBlanche ist einfach, aber stringent: Hier werden ausschließlich fotografische Arbeiten ausgestellt und die meisten von ihnen sind in Schwarzweiss. Drei- bis viermal pro Jahr stellt der Kurator und Inhaber des NoirBlanche, Volker Marschall, neue Künstler und ihre Kunstwerke vor. Und einige Künstler vertritt er sogar exklusiv.
Zwischenfazit auf das Corona-Jahr
2020 war für ihn, wie er uns berichtet, bisher ein besonderes, aber kein schlechtes Jahr. Klar, auch er hat einen deutlichen Besucherrückgang zu verzeichnen. Aber da das NoirBlanche die einzige Kunstgalerie in Düsseldorf ist, die (mit Ausnahme von Kamerahersteller-nahen Ausstellungen) ausschliesslich Fotografie präsentiert, besitzt er ein Alleinstellungsmerkmal, das seine Stammkunden lieben. Wer sich nicht für Aquarelle interessiert, der läuft hier ganz sicher nicht Gefahr, mit dieser fotofremden Kunst konfrontiert zu werden.
NoirBlanche mit Coolness-Faktor
Auffallend stylisch ist das NoirBlanche: Das schwere Schiffsdielenparkett schafft in Kombination mit der Wandfarbe (matt grau gestrichen), den tiefschwarzen Fussleisten und dem langen Holztisch einen Charme, den man sonst nur in Galerien in London oder New York findet. Ein klein wenig erinnert das NoirBlanche an das “coole Café um die Ecke”, das dazu einläd, einen Café mit Freunden zu geniessen. Doch das NoirBlanche ist kein Café – und das ist in diesem Jahr sogar von Vorteil: Denn wäre es ein Café, dann wäre es jetzt geschlossen.
Der Verzicht auf duftenden Bohnensaft bietet also einen klaren Vorteil: Kunstgenuss, der andernorts derzeit schwer zu geniessen ist. Und ein weiterer Vorteil kommt hinzu: Im Gegensatz zu Ausstellungsflächen in den Innenstädten, ist Derendorf sehr stattnah, aber eben doch ein Dorf. Besser gesagt ein Dorf in einem anderen Dorf (Derendorf in Düsseldorf). Das bietet einen immensen Vorteil: Man kann quasi vor der Haustüre parken. Wer nur bereit ist, ein paar Meter zu laufen, der findet auf der Rather Strasse bestimmt ein Plätzchen. Noch besser jedoch: Wer aus der Stadt kommt, kann ganz locker zu Fuss die Fotogalerie erreichen und begegnet dabei vermutlich weniger Menschen, als auf wenigen Metern auf der Schadowstrasse (zentrale Einkaufsstrasse in Düsseldorf, an der z.B. die beiden Düsseldorfer Foto-Institutionen Foto Koch und Foto Leistenschneider beheimatet sind).
Fotografie und Düsseldorf sind sein Leben
Volker Marschall selbst ist der Stadt Düsseldorf sehr eng verbunden. Er ist nicht nur selbst ausgebildeter Fotograf, sondern hat auch schon vor der Öffnung von NoirBlanche einige Fotoprojekte in Düsseldorf realisiert. Mit einer Mischung aus eigenen Photoprojekten und fremden Serien ist er vor rund drei Jahren in das Galerieleben eingetaucht. Mittlerweile zeigt er nur noch Werke anderer Künstler. Und das mit Erfolg: Während dieses Jahr die sehr erfolgreiche Lindbergh-Ausstellung “Untold Stories” im Kunstpalast gezeigt wurde, hatte Volker Marschall in seiner Galerie den Lehrherren von Peter Lindbergh in seiner Ausstellung: Hans Lux.
Wie wir beim Besuch des NoirBlanche erfahren konnten, gab es derer einige Gäste, die direkt vom Kunstpalast aus nach Derendorf kamen. An dem Armbändchen vom Kunstpalast war die Marschroute klar zu erkennen. Und im Prinzip liegt diese Kombination ja auch auf der Hand.
Galerie NoirBlanche – Samburuland Galerie NoirBlanche – Samburuland
Netzwerken als Erfolgsrezept kleiner Galerien
Kombinationen sind eh die Stärke von Volker Marschall. Dass Hans Lux nicht zufälligerweise zu der Zeit ausgestellt wurde, als die Lindbergh-Ausstellung keine 20 Minuten Fussweg entfernt stattfand, kann sich jeder denken. Doch wir konnten im Gespräch erfahren, dass auch zur Claudia-Schiffer-Ausstellung wieder ein Künstler für das NoirBlanche geplant ist, der gewisse Schnittstellen zu diesem deutschen Ausnahmemodell mitbringt.
Im Gespräch fällt uns auf, dass Volker Marschall nicht nur ein guter Kombinierer, sondern vor allem ein kreativer Kopf ist. So berichtet er uns von seinem fotografischen Projekt rund um das legendäre Freibad im Rheinstadion Stockum. Vor 20 Jahren war er es, der zum Erstaunen vieler Besucher Fotokunst ins letzte Betriebsjahr des Freibades gebracht hat. Und auch er war es, der dort, wo nach dem Abriss eine Bushaltestelle stehen sollte, noch während des Badebetriebs eine Bushaltestelle aufstellen liess, die fortan mit ihren Werbeflächen zusätzliche Fotokunstwerke zeigen konnte und sogar einen Fahrplan beinhaltete. Eben diese Bushaltestelle mitten im Freibad entwickelte sich im letzten Jahr des Freibades schnell zu einem Treffpunkt. “Wir treffen uns um 15 Uhr an der Bushaltestelle” mag gewöhnlich klingen, aber für ein Freibad ist und bleibt es ein besonderer Ort.
Bis 31.01.2020: Samburuland im NoirBlanche
Aktuell zeigt das Noir Blanche “Samburuland”. Fotokunst (fast ausnahmslos in Schwarzweiss) von Mario Marino. Mario Marino ist ein in Österreich geborener und in Deutschland lebender Fotograf, der seit dem Jahr 2000 überwiegend Menschen in Afrika in ihrem natürlichen Lebensraum portraitiert und so der westlichen Welt Einblicke in andere Lebensformen gibt. Während viele Menschen bei Afrika an Leid und Elend denken, zeigt Mario Marino vor allem das Schöne. So werden junge Frauen in Afrika aufwändig für den Hochzeitstag geschmückt – und eben diese Bilder zeigt das NoirBlanche nun zusammen mit einigen landestypischen Tieren.
Galerie NoirBlanche – Samburuland Galerie NoirBlanche – Samburuland
Der Besuch der Ausstellung “Samburuland” ist somit das Eintreten in einen anderen Kontinent. Da Reisen derzeit nur stark eingeschränkt möglich ist, eine tolle Gelegenheit, fremde Kulturen quasi um die Ecke kennenlernen zu können. Und noch besser: Mit nur einem Schritt auf die Strasse ist der Besucher wieder zurück in heimatlichem Gefilde…
Kein Eintritt, kein Kaufzwang
Viele Menschen lieben ja die Anonymität der grossen Museen – aber fürchten sie nicht einfach nur, in einer kleinen Galerie gleich in ein Verkaufsgespräch verwickelt zu werden? Mit diesem Vorurteil können wir aufräumen. Auch im NoirBlanche hatten wir schnell Kontakt zum Inhaber. Und trotz guter Gespräche gab es zu keinem Zeitpunkt einen Verkaufsdruck. Ganz im Gegenteil: Eher locker und beiläufig hat uns Volker Marschall einen echten Lindbergh gezeigt. Offenbar einer der letzten Exemplare aus dem ersten Pirelli-Kalender des Grossmeisters der Peoplefotografie… auch solche Perlen sind vor allem bei den kleinen Galerien manchmal noch zu haben…