Er verkauft seine Kameras nie und ist auch sonst eher der gradlinige, zurückhaltende Typ. Auf Veranstaltungen steht er gerne mit dem Rücken zur Wand. Seine schiere Größe erlaubt es ihm dennoch über alle hinwegzuschauen. Stefan haben wir dort getroffen, wo er die meisten seiner Shootings durchführt: Zuhause, in seinem Wohnzimmer. Wir sassen auf der Bank, wo schon einige Models sassen. Doch dort, wo er sonst seine Models reden lässt, haben wir ihn reden lassen. Ein besonderes Interview.

SWAN Magazine: Wo führst Du die meisten Deiner Shootings durch? Bei Dir zuhause, beim Model zuhause, in einem Studio, on Location?
Stefan Beutler: Studios sind mir zu steril. Gut, je nachdem wie sie eingerichtet sind, geht auch Studio. Es gibt ja mittlerweile ein paar wirklich toll eingerichtete Studios. Aber die meisten Shootings finden bei mir zuhause statt. Vor allem die ersten Shootings mit einem Model. Manchmal auch beim Model zuhause. On Location mag ich sehr. Vor allem, weil man aus seiner eigenen Komfortzone herauskommt und sich anstrengen muss; nicht auf Altbekanntes setzen kann. Hier bei mir zuhause kenne ich das Licht. Da weiß ich genau, was ich wo und wie machen muss. Den Reiz fremder Locations schätze ich. Ich mag die Herausforderung.
SWAN Magazine: Kann man das so zusammenfassen: Erstes Shooting immer zuhause und wenn die Chemie passt, dann machen wir auch mehr und experimentieren etwas?
Stefan Beutler: Ja, absolut. Gerade beim ersten Shooting ist mir die Flexibilität und Unabhängigkeit, die ich hier zuhause habe, sehr wichtig. Da kann ich mir die Zeit nehmen, die das Shooting braucht. Da kommt keiner rein und fragt, ob wir fertig sind.
SWAN Magazine: Ist es nicht langweilig, immer wieder die gleiche Location zu nutzen?
Stefan Beutler: Ich glaube, es wäre immer dann langweilig, wenn die Person schon bei mir gewesen ist. Und wenn wir beim ersten Shooting feststellen, dass es von der Chemie her passt, dann machen wir oft gleich etwas für ein Folgeshooting aus. Dann gehen wir raus. Dann machen wir was am Wasser oder an den tollen Industriebauten hier im Ruhrgebiet oder ganz einfach im Feld. Dann bin ich natürlich viel mehr gefragt, mir Gedanken zu machen.
SWAN Magazine: Beschreibe doch einmal, wie die ersten fünf Fotos entstehen, die Ihr gemeinsam macht.
Stefan Beutler: Ja, wir stehen auf vom Tisch und gehen meistens zu mir an die Balkontür. Wir reden dabei aber weiter über das Thema, welches wir am Tisch zuletzt hatten. Der Szenenwechsel sorgt erst einmal für ein gewisses Unwohlsein bei meinen Modellen, weil sie nicht wissen, was sie erwartet. Darum rede ich erstmal an der Balkontür weiter. So, als gäbe es keinen Szenenwechsel. Und wir reden dann so lange weiter, bis ich merke, dass mein Model nun wieder in sich ruht (wie zuvor am Tisch). Als Fotograf weißt du, dass jeder Mensch laufend irgendwie in Bewegung ist. Mit den Händen gestikuliert oder die Haare richtet. Und ich tue nichts weiter, als meine Models zu beobachten. Und wenn ich dann eine bestimmte Szene sehe, dann sage ich nur „bleib so“ und drücke ab. Ich unterbinde damit das Posing und führe währenddessen das Gespräch unverändert fort.
SWAN Magazine: Diese Art zu arbeiten ähnelt in gewisser Weise der eines Jägers. Du wartest auf den einen besonderen Moment – und wenn Du abdrückst, dann soll es nicht wehtun…
Stefan Beutler: Ja, absolut. Mit einem Unterschied: Bei mir ist noch kein Model beim ersten Schuss gestorben!

SWAN Magazine: Wenn man Fotografen im Allgemeinen beobachtet, so könnte man meinen, dass die Fotografen sich gerne hinter der Kamera verstecken, um nur ja nicht zu nahe ans Model heranzutreten. Bei Dir ist das dann komplett anders…
Stefan Beutler: Ja, ich lege die Kamera ja zur Seite. Ich unterhalte mich, ich stelle Fragen und ich rede über mich. Und irgendwann kommen die Situation oder der Blick, den ich vorher schon beobachtet hatte und den ich festhalten möchte. Und dann zücke ich eben die Kamera und lege sie anschließend wieder weg. Ich verstecke mich definitiv nicht hinter der Kamera!
SWAN Magazine: Aber ist das nicht irgendwie schizophren? Welches Model geht zum Fotografen, um zu reden?
Stefan Beutler: Das sag ich ja immer: Shootings sind bei mir anders!
SWAN Magazine: Darf man das, was Du machst, überhaupt noch Shootings nennen?
Stefan Beutler: (Macht eine lange Pause. Atmet tief durch.) Also, ich definiere meine Shootings als „Tag unter Freunden“, bei denen einfach nebenher ein paar Fotos gemacht werden. Bilder, die Tränen der Freude oder Trauer zeigen sind häufig dem Erlebten geschuldet.
SWAN Magazine: Kürzlich hast Du um Verständnis geworben, als Du mitteiltest, dass Du künftig weniger Shootings durchführen wirst. Massenverarbeitung war doch noch nie ein Thema bei Dir. Ein Marketing-Gag?
Stefan Beutler: Nein, ich denke nicht in Marketingschritten.
SWAN Magazine: Aber wenn Du nicht in Marketingschritten denkst: Warum kommunizierst Du so etwas überhaupt? Du musst Dich doch bei niemandem entschuldigen… vor allen Dingen nicht im Voraus…
Stefan Beutler: (Denkt. Atmet. Seufzt tief.) Keine Ahnung. Weiss ich nicht.

SWAN Magazine: Betrachtet man Deine Social-Media-Aktivitäten, so fallen zwei Dinge auf: 1. Klassische Social Media-Tipps (z.B. täglich mindestens ein neues Bild posten) ignorierst Du. 2. Stattdessen veröffentlichst Du in einem Post seit einigen Monaten eher ganze Serien aus teilweise mehr als zehn Bildern eines einzigen Shootings. Think different?
Stefan Beutler: Ich mache das erst seit ein paar Monaten. Ich finde es teilweise einfach zu schade, von einer Serie nur ein einziges Bild zu zeigen. Und ich finde, dass man den Tag viel besser nachvollziehen kann, wenn man den Weg hin zu den Fotos irgendwie nachvollziehen kann. Ich möchte eben auch die Entwicklung darstellen.
SWAN Magazine: Nun widerspricht sich das ja im Prinzip zur Aussage im Magazin: Ein Bild, das Dich umwirft, ist Dir genug.
Stefan Beutler: Ich mache einfach keine Shootings für Social Media. Die meisten meiner Shootings landen ja gar nicht dort. Ich mache meine Shootings primär für das Model und für mich. Punkt!
SWAN Magazine: Außerhalb von Social Media: Wo veröffentlichst Du Deine Fotos sonst noch?
Stefan Beutler: Es gibt diverse Plattformen… soll ich die alle aufzählen? Die meisten nutze ich sehr reduziert. Außer Instagram und Facebook. Instagram bin ich momentan aber am meisten unterwegs.
SWAN Magazine: Was reizt Dich an einer Fotoausstellung?
Stefan Beutler: Ich besuche ehrlich gesagt einfach zu wenige. Ich habe die klassischen Ausstellungen gesehen. Die von Brian Adams fand ich großartig. Auch Lindbergh, na klar! Mich reizt einfach die gedruckte Version eines Bildes. Und die schiere Größe solcher Kunstwerke.
SWAN Magazine: Ich meinte aber eine Ausstellung von Dir!
Stefan Beutler: Von meinen Bildern? Oh Gott!

SWAN Magazine: Zu Beginn des Interviews hast Du verraten, dass Du so unglaublich ungerne im Rampenlicht stehst. Es soll ja durchaus Ausstellungen geben, bei denen es am ersten Tag keine Vernissage gibt und der Künstler nicht vor Ort sein muss. Also eine Ausstellung, wo Du nichts sagen musst.
Stefan Beutler: (Atmet tief.) Ich wüsste gar nicht, welche ich zeigen sollte. Ich könnte mich gar nicht entscheiden.
SWAN Magazine: Aber das kannst Du doch delegieren…
Stefan Beutler: An wen?
SWAN Magazine: An einen Kurator?
Stefan Beutler: Kennst du einen?
SWAN Magazine: Nicht näher, aber wenn es daran scheitern sollte, würde ich einen organisieren.
Stefan Beutler: Ich glaube das Kernthema ist, dass ich mich nie mit der Fragestellung beschäftigt habe.

SWAN Magazine: Ich möchte ehrlich sein: Ich habe diese Frage bewusst gestellt. Und zwar aus einem einfachen Grund. Für mich ist das, was Du auf Social Media „heraushaust“, einfach masslose Verschwendung! Und das möchte ich begründen. Die durchschnittliche Betrachtungsdauer eines Bildes auf Instagram liegt angeblich bei deutlich unter 0,5 Sekunden pro Bild! Du nimmst Dir acht Stunden Zeit für einen „Tag unter Freunden“ und investierst zusätzliche Zeit in die Bildbearbeitung und in die Veröffentlichung. Selbst wenn man davon ausgeht, dass alle Deine Follower auf Instagram jedes Bild von Dir sehen, investieren sie, zusammen addiert, nur einen Bruchteil der Zeit, die Du investiert hast. Das steht doch in gar keinem sinnvollen Verhältnis! Also nenne ich es Verschwendung. Das ist doch irgendwie so wie mit 1000 PS durch die Tempo-30-Zone zu fahren und dabei zu wissen, dass man die Tempo-30-Zone nie verlassen wird…
Stefan Beutler: Ja, das stimmt. Du hast Rest. Vielleicht bin ich zu selbstkritisch. Ich weiss es nicht…
SWAN Magazine: In Menschengruppen fällst Du allein über Deine Größe auf. Verstecken ist daher schlecht. Doch uns ist aufgefallen, dass Du in Gesellschaft eher der ruhige und introvertierte Typ bist. Eher Zuhörer, als Redner. In Deinen Shootings wirst Du aber zum Redner, zum Interviewer. Ist das nicht ein Rollenwechsel?
Stefan Beutler: Ja, das ist richtig. Dann werde ich zum Redner.
SWAN Magazine: Woher kommt das?
Stefan Beutler: Ich glaube das liegt daran, dass ich bei meinen Shootings stets mit einem einzigen Menschen zusammen in einem Raum bin. Eins zu eins kann ich ganz gut reden. Ich bin halt ein introvertierter Typ. Das war ich schon immer. Aber bei einem Shooting ist das anders! Ich habe einfach über die Jahre gelernt, dass es wichtig ist, dass ich aktiv unterwegs bin, wenn ich die Bilder produzieren möchte, die mir so vorschweben und die mir gefallen. Beim Shooting kann ich das.
SWAN Magazine: Ich bezeichne mal ganz bewusst: Du verstellst Dich also für ein Shooting. Mittel zum Zweck?
Stefan Beutler: Ja, ich schlüpfe in die Rolle des Fotografen.
SWAN Magazine: Aber sonst ist verkleiden nicht so Dein Fall, oder? Karneval?
Stefan Beutler: Nope! Keine Chance!

SWAN Magazine: Du gehörst zu den Fotografen, bei denen ein ausführliches Kennenlernen zwischen Fotografen und Model zur guten Tagesordnung gehört. Du trinkst mit Deinen Modellen aber nicht nur einen Kaffee, sondern das „Warming up“ mutiert mitunter zu einem mehrstündigen Brunch. Mit spitzer Zunge formuliert: Du willst doch gar nicht fotografieren. Du suchst Freunde… 😉
Stefan Beutler: Nein, das ist zu spitzfindig. Es sind aber wirklich gute Freundschaften durch die Fotografie entstanden. Mich interessieren einfach die Menschen. Und die Stories hinter ihren Fassaden.
SWAN Magazine: Stichwort: Kleidung. Was sollte ein Model tragen, wenn ihr euch zu einem Shooting trefft? Bringst Du selbst Kleidung für Deine Modelle mit?
Stefan Beutler: Ja, ich habe einen Fundus, die ich bei jedem Shooting dabeihabe. Aber ich kläre vorab, dass meine Models keine zu bunten, zu gemusterten oder zu grellen Klamotten tragen sollen. Und wenn doch, sage ich dann einfach: Komm her, wir nehmen meine Klamotten. Aber ansonsten ist das bei mir sehr reduziert. Und meinen Rolli liebe ich sehr, weil der Fokus dann sehr stark auf das Gesicht gesteuert wird. Und hier zuhause muss halt ab und an auch der Kleiderschrank meiner Frau herhalten…
SWAN Magazine: Du gewinnst 5.000 EUR und möchtest diese ausschließlich für ein fotografisches Projekt einsetzen. Was würdest Du mit dem Geld tun?
Stefan Beutler: (Überlegt lange.) Ich plane halt so wenig Projekte. Ich glaube, ich würde tatsächlich etwas komplett anderes, also etwas für mich untypisches, aufziehen. Irgendwo am Strand. Oder ich würde in ein anderes Land reisen, um dort das Land mit ins Bild einzubeziehen.
Das hier gezeigte Interview ist nur ein Auszug aus dem ganzen Interview mit Stefan Beutler. Der Hauptteil des Interviews ist exklusiv in Ausgabe 04 des SWAN Magazines abgedruckt – zusammen mit ganz besonderen Fotokunstwerken von Stefan.
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